'Zum Glück vereint'
25. März 2007Die EU-Staats- und Regierungschefs haben zum 50. Gründungstag der Gemeinschaft eine "Berliner Erklärung" über die gemeinsamen Wurzeln, Werte und Herausforderungen der 27 Mitgliedstaaten angenommen. "Alles muss immer wieder aufs Neue gestärkt und verteidigt werden. Stillstand bedeutet Rückschritt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag (25.3.2007) beim Festakt während des EU-Gipfels im Zeughaus in Berlin. Gemeinsam mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und dem Präsidenten des EU-Parlamentes, Hans-Gert Pöttering, unterzeichnete sie stellvertretend für die Staats- und Regierungschefs zu den Klängen von Beethovens 9. Symphonie die dreiseitige Deklaration.
Erster Schritt aus der Krise?
Die Berliner Erklärung soll ein erster Schritt aus der Verfassungskrise sein, die 2005 nach dem Nein der Franzosen und Niederländer zu dem Vertragswerk begonnen hatte. Auf das Wort Verfassung wird in dem Dokument bewusst verzichtet. In der Erklärung bekennen sich die Staats- und Regierungschefs zu einer Reform der EU bis zum Jahr 2009. Merkel machte in ihrer Rede deutlich, dass sie sich eine Verabschiedung des bereits seit zwei Jahren auf Eis liegenden Verfassungsvertrags gewünscht hätte.
Die Berliner Erklärung zeige aber, "dass sich Europa der Notwendigkeit bewusst ist, seine innere Verfasstheit zu stärken", sagte die Bundeskanzlerin und amtierende EU-Ratsvorsitzende. "Ein Scheitern wäre ein historisches Versäumnis". Sie appellierte eindringlich an alle europäischen Regierungen, die EU bis zur Europawahl 2009 "auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen". Diese Formulierung findet sich auch in der Berliner Erklärung. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft steht nun vor der Aufgabe, in den kommenden drei Monaten einen Fahrplan für den Verfassungsprozess vorzulegen.
"Kreative Verrücktheit"
Ein klares Plädoyer für eine europäische Verfassung hielt der italienische Ministerpräsident Romano Prodi. Er verwies darauf, dass der Verfassungsentwurf bereits im Oktober 2004 in Rom von allen EU-Staats- und Regierungschefs unterzeichnet und mittlerweile von 18 Mitgliedsländern ratifiziert wurde. Der ehemalige EU-Kommissionspräsident forderte, Europa müsse auch scheinbar unüberwindbare Probleme mutig angehen: "Europa muss sich auf seine kreative Verrücktheit besinnen."
EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering forderte, "die Substanz des Verfassungsvertrags" müsse verwirklicht werden. Indirekt deutete er damit an, dass er bei einer Wahrung der Inhalte auf den umstrittenen Titel "Verfassung" zu verzichten bereit wäre. Unter anderem Großbritannien und Tschechien stoßen sich an dieser Bezeichnung.
Auch Merkel, die die Ehrengäste mit Ehemann Joachim Sauer bei strahlendem Sonnenschein empfangen hatte, konzentrierte sich in ihrer Ansprache darauf, die Notwendigkeit der in dem Verfassungsentwurf vorgeschlagenen institutionellen Reformen hervorzuheben. "Die innere Ordnung muss der neuen Größe mit 27 Mitgliedstaaten angepasst werden", mahnte Merkel. "Es steht viel auf dem Spiel."
Der Mensch im Mittelpunkt
Die Berliner Erklärung rückt den Menschen in den Mittelpunkt. "Seine Würde ist unantastbar", heißt es im Text. Die Geschichte der EU von der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 1957 bis heute wird als Erfolgsmodell beschrieben. "Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind zu unserem Glück vereint." Als Errungenschaften werden unter anderem Frieden und Freiheit, das europäische Gesellschaftsmodell, Solidarität und Gleichberechtigung, der gemeinsame Markt und der Euro genannt. Herausforderungen für die Zukunft werden in der Globalisierung, im Kampf gegen internationalen Terrorismus, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie im Klimaschutz gesehen.
Anlässlich des EU-Geburtstages nutzten 18.000 Menschen am Samstagabend und in der Nacht zum Sonntag die Gelegenheit, um in der "Nacht der Schönheit" 14 Berliner Museen zu besuchen. Zahlreiche Clubs lockten zur EU-Party tausende Tanz- und Musikfreunde bis tief in die Nacht an. Die Lage in der Hauptstadt blieb weitgehend ruhig. Allerdings wurden in der Nacht zum Sonntag Autos in Brand gesteckt. Die Polizei schließt ein politisches Motiv nicht aus. (stu)