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Bürokratensprache

Peter Stützle24. März 2007

Zwei Seiten Text stehen im Mittelpunkt des EU-Jubiläumsgipfels: Die "Berliner Erklärung" soll den Reformprozess in Schwung bringen - kein einfaches Unterfangen, wie die Entstehungsgeschichte des Dokumentes zeigt.

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Ein Pantomime weist Berliner auf die Feiern zum 50. Geburtstag der EU hin, Quelle: AP
Ein Pantomime weist Berliner auf die Feiern zum 50. Geburtstag der EU hinBild: PA/dpa

Am Anfang stand eine originelle Idee. Als man im Berliner Kanzleramt im vergangenen Herbst darüber nachdachte, wie man dem Auftrag der europäischen Staats- und Regierungschefs nachkommen könnte, eine gemeinsame Erklärung zum 50. Geburtstag der EU, der an diesem Wochenende (24./24.3.2007) in Berlin gefeiert wird, vorzulegen, da kam der Vorschlag: Wie wäre es, wenn man eine herausragende europäische Geistesgröße mit dieser Aufgabe betrauen würde? Immerhin hat einst ein einzelner Autor in einer Nacht die Präambel zur Charta der Vereinten Nationen verfasst, die dann am nächsten Morgen von der Gründungsversammlung beschlossen wurde.

Bewährtes bürokratisches Verfahren

Doch die heutige Europäische Union ist komplizierter, als es selbst die Weltgemeinschaft in den Tagen ihrer Gründung war. Keine Geistesgröße wäre wohl bereit gewesen, einen Text vorzulegen, von dem nach Abstimmung mit 27 Regierungskanzleien, der EU-Kommission und dem Präsidium des Europaparlaments nicht mehr viel zu erkennen gewesen wäre. Und so wählte man doch das bewährte bürokratische Verfahren.

Zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Anfang Januar verschickte die Bundesregierung eine Gliederung in alle Hauptstädte: Wie sollte die "Berliner Erklärung" aufgebaut sein, welche Themen sollten in welcher Reihenfolge angesprochen werden. Alle konnten dazu Änderungs- und Ergänzungswünsche vorlegen, dann wurden Textvorschläge zu den einzelnen Punkten erarbeitet, die erneut herumgeschickt wurden. Zahllose Gespräche auf Beamtenebene fanden dazu statt. Auf dem Brüsseler EU-Gipfel am 8. März diskutierten die 27 Staats- und Regierungschefs zwei Stunden lang über die "Berliner Erklärung", dann ging es weiter mit Textentwürfen, Kommentaren, Fortschreibungen.

Ein lesbarer Text?

Eigentlich sollte es ein für die Bürger lesbarer Text werden. Doch beim Versuch, Begriffe wie "Subsidiaritätsprinzip" in allgemein verständliche Sprache zu übertragen, zeigte sich, dass jede Regierung etwas anderes darunter versteht. Dahinter stehen durchaus unterschiedliche Auffassungen, was die Europäische Union sein soll und werden soll. So sieht Großbritannien nicht wie andere Länder die Sozialpolitik als europäische Aufgabe. Heraus kam in diesem Fall die Formulierung von der "Balance zwischen wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Verantwortung".

Die Bundesregierung wollte mit der "Berliner Erklärung" vor allem die anderen Regierungen auf einen neuen Anlauf zu einer europäischen Verfassung verpflichten, nachdem diese im ersten Anlauf bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden durchgefallen war. Nach endlosen Gesprächen mit Ländern, die in dieser Frage weit weniger enthusiastisch sind, ließ die Bundesregierung das Wort "Verfassung" ganz aus dem Text heraus. Stattdessen heißt es nun, man sei "in dem Ziel geeint, die Europäische Union bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen".

Einigung am Telefon

Doch der tschechischen Regierung war selbst die Nennung des Jahres 2009 noch zu viel, was sie auch öffentlich kundtat. Aber der deutsche Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, sonst äußerst zurückhaltend mit öffentlichen Äußerungen zur "Berliner Erklärung", konnte schließlich einen Tag vor dem Beginn des Jubiläumsgipfels verkünden, dass zwei Telefonate der Bundeskanzlerin mit Präsident und Premier der tschechischen Republik das Problem lösen konnten: "Die Bundeskanzlerin ist zuversichtlich, dass wir ein gutes und erfolgreiches Treffen am Samstag und Sonntag in Berlin haben werden."

Nach all den Mühen der Abstimmung ist schließlich auch ohne Hilfe einer Geistesgröße sogar noch etwas Poesie herausgekommen. Vom "Glück, in Europa vereint zu sein" ist die Rede in der Passage über gemeinsame Werte, die mit den Worten beginnt: "Wir, die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union". Auch wenn die "Berliner Erklärung" einigen Presseagenturen in Deutschland schon vorliegt, die meisten Bürgerinnen und Bürger werden erst am Wochenende endgültig erfahren, was die 27 Staats- und Regierungschefs, der Kommissionspräsident und der Parlamentspräsident in ihrem Namen verkünden. Denn bis zuletzt wird noch an den 22 Übersetzungen der deutschen Fassung gefeilt.