Sorge um russische Mediengruppe RBK
24. Mai 2016Politik oder Geschäft? Wenn es um den Wechsel an der Spitze eines einflussreichen Mediums in Russland geht, ist das oft die meist diskutierte Frage. Der Fall der Medienholding RBK ist keine Ausnahme. Seit Tagen wird gerätselt, warum drei Top-Journalisten gehen mussten.
Generaldirektor Nikolai Molibog teilte Mitte Mai mit, dass die RBK-Chefredakteurin Jelisaweta Ossetinskaja sowie der Chefredakteur der gleichnamigen Nachrichtenagentur und der Chefredakteur der Printausgabe das Unternehmen verlassen. Man habe sich in wichtigen Fragen über die Weiterentwicklung des RBK nicht einigen können, so die Begründung.
Journalisten vermuten politische Motive
Der stellvertretende Leiter im Telekommunikationsministerium, Alexej Wolin, sagte, diese Wechsel hätten wirtschaftliche Gründe. Auch der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, dementierte jeglichen Druck des Kremls.
Ex-Chefredakteurin Ossetinskaja schwieg zunächst, deutete jedoch später mögliche politische Ursachen an. Der Druck auf die Holding sei wegen der Berichterstattung über die sogenannten Panama Papers gewachsen, sagte Ossetinskaja dem britischen Wirtschaftsblatt The Financial Times. Bei den Enthüllungen ging es unter anderem um Offshore-Geschäfte des Cellisten Sergei Roldugin, eines engen Freundes des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Die Nachrichtenagentur Reuters will einen anderen möglichen Grund herausgefunden haben: Der RBK-Bericht über eine Austernfarm in der Nähe eines angeblichen "Putin-Palastes" bei Gelendschik am Schwarzen Meer sei "der letzte Tropfen" gewesen.
Viele Journalisten, darunter der Chef des Moskauer Journalistenverbands Pawel Gusew, gehen bei den Ereignissen rund um RBK von politischen Hintergründen aus. Auch der Leiter des Präsidentenrates für Menschenrechte, Michail Fedotow, sagte, er glaube nicht, dass die Entlassungen wirtschaftlich motiviert seien.
RBK-Eigentümer unter Druck
Der Fall RBK schlägt vor allem deshalb hohe Wellen, weil es sich um eine der letzten großen und relativ unabhängigen Mediengruppen in einem Land handelt, in dem die Medienlandschaft vom Staat dominiert wird.
Die Abkürzung RBK steht für RosBusinessConsulting. Das 1993 gegründete Unternehmen mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsberichterstattung gilt als einer der Marktführer. Sein Fernsehnachrichtensender erreicht nach eigenen Angaben mehr als 20 Millionen Zuschauer monatlich. RBK ist Partnersender der Deutschen Welle. Dort hat auch Zhanna Nemzowa gearbeitet, die Tochter des 2015 ermordeten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow, die jetzt bei DW-Russisch Sendungen moderiert.
Seit 2010 gehört RBK dem russischen Milliardär Michail Prochorow, der 2012 Präsidentschaftskandidat war und mit liberaler Rhetorik Millionen Stimmen bekam. In den vergangenen Wochen standen die Firmen von Prochorow unter Druck. Es gab Durchsuchungen wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Es wurde spekuliert, der Kreml dränge den Unternehmer dazu, RBK zu verkaufen.
Die Medienholding sorgte zuletzt mit brisanten Recherchen für Aufsehen, unter anderem über die Kosten des russischen Einsatzes in Syrien. "Wenn man die Reichweite von RBK bedenkt und dass seine Angebote von anderen Medien und in sozialen Netzwerken extrem oft zitiert werden, hat RBK offenbar die Protagonisten der Recherchen immer mehr gestört - vor allem Menschen aus der Umgebung von Wladimir Putin", sagte der Moskauer Journalist und Blogger Alexander Pluschtshew im Gespräch mit der DW.
Was geschah früheren Kritikern?
Sollte sich die Redaktionspolitik des RBK tatsächlich ändern und die Kritik am Kreml leiser werden, wäre das nicht der erste Fall dieser Art. Das bekannteste Beispiel liegt mehr als zehn Jahre zurück, als 2001 der beliebte und einflussreiche Fernsehsender NTW vom staatlichen Energieriesen Gazprom übernommen wurde.
Unter Druck geraten war offenbar auch die führende russische private Online-Zeitung Lenta.ru. Ihre Chefredakteurin, Galina Timtschenko, wurde im März 2014 entlassen. Zuvor wurde Lenta.ru wegen eines Interviews mit einem Anführer der ukrainischen rechtsextremen Bewegung "Prawy Sektor" vorgewarnt. Viele Beobachter sahen in Timtschenkos Entlassung eine "klare politische Entscheidung". Dutzende Journalisten verließen die Redaktion aus Solidarität.
Welche regierungskritischen Medien gibt es noch?
Damit schrumpfte die ohnehin überschaubare Zahl liberaler und regierungskritischer Qualitätsmedien in Russland weiter. Geblieben sind nur noch ein paar Printmedien wie die Moskauer Zeitung Nowaja Gaseta und Onlineportale wie Snob.ru, die jedoch ein Nischendasein führen.
Einen vergleichbar großen politischen Einfluss und eine ähnliche Reichweite wie RBK haben in Russland wohl nur noch zwei Medien: der Radiosender Echo Moskwy und der TV-Kanal Doschd (Regen). Echo Moskwy gehört zum Konzern Gazprom. Seine Mitarbeiter berichten, dass sie täglich mit Führungswechseln oder Redaktionsschließungen rechnen müssen.
Der private TV-Sender Doschd, ein Partner der DW, stand 2014 kurz vor der Schließung, als er aus den Kabelnetzen rausgeworfen wurde. Seitdem versucht das Projekt, als Bezahlfernsehen im Internet zu überleben. Ende 2015 kündigte überraschend der Chefredakteur von Doschd, Michail Sygar, seinen Rückzug an. Er wolle sich anderen Projekten widmen. In der Gerüchteküche hieß es aber, der Chefredakteur musste wegen eines Kreml-kritischen Buches gehen.