Zehn Jahre Maastricht - der lange Weg zum Euro und zur Europäischen Währungsunion
2. Januar 2002Schon lange vor dem Maastrichter Gipfel 1991 hat es Ideen für eine gemeinsame europäische Währung gegeben - praktisch seit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG im Jahr 1958.
Jürgen von Hagen, Professor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Uni Bonn, erzählt: "Schon zu Beginn der 60er Jahre hat man in Brüssel erkannt, dass die Handelsgemeinschaft und vor allem auch die gemeinsame Agrarpolitik durch Wechselkursschwankungen immer wieder durcheinander gebracht werden würden. Darum gab es schon damals zu Beginn der 60er Jahre Überlegungen zur Einführung einer gemeinsamen Währung."
Misslungener Frühstart
Überlegungen, die anfangs allerdings nicht weit gediehen. Die junge Europäische Gemeinschaft war für solch ambitionierte Projekte einfach noch nicht reif genug. Dazu kam, dass die weltweit wichtigsten Währungen im so genannten Bretton-Woods-Festkurssystem aneinander gebunden waren. Die nur geringfügig schwankenden Kurse ließen eine europäische Währungsunion nicht so dringlich erscheinen.
Doch der Währungsfriede währte nicht lange. Das Bretton-Woods-System geriet Ende der 60er Jahre ins Schlingern. Die verschiedenen nationalen Notenbanken stimmten ihre Geldpolitik immer weniger aufeinander ab. Als Folge mussten die ursprünglich recht festen Bretton-Woods-Wechselkurse immer häufig geändert werden.
Internationales Währungschaos - Neue Chance
Zeit für die EG, alte Projekte wiederzubeleben. 1969 ergriff der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt die Initiative und schlug eine Währungsunion vor. Ein Vorschlag, der auf fruchtbaren Boden fiel, erzählt Manfred Feldsieper, Professor für Geldpolitik an der Uni Köln: "Im folgenden Jahr darauf kam es zum ersten Plan, der mit dem Namen Pierre Werner, des damaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten verbunden ist: der 'Werner-Plan', der innerhalb einer Zehnjahresfrist die Errichtung einer Währungsunion für die Europäische Union vorsah. Dieses Projekt ist dann aber in den turbulenten Währungswirren des Zusammenbruchs des Bretton Woods-Systems in den 70er Jahren gescheitert."
Mit dem schnellen Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems war das ambitionierte Projekt einer Währungsunion wieder in weite Ferne gerückt. Die EG war jetzt erst einmal damit beschäftigt, wenigstens etwas Ordnung ins Wechselkurs-Chaos zu bringen, sagt Manfred Feldsieper: "Dann entstand als Antwort auf diese Tatsachen die Idee - wenn es schon nicht auf Weltebene mehr geht und das war ausgeschlossen, damals wie heute - auf europäischer Ebene ein Wechselkurs-System mit mehr Wechselkurs-Stabilität zu schaffen. Das war das EWS, das Europäische Währungssystem, das dann an diesem krummen Datum 13. März 1979 in Kraft trat. Gegründet schon mit dem Ziel als Vorläufer der Währungsunion zu dienen."
Prä-Euro: der ECU
Mit dem Europäische Währungssystem wurde auch die erste europäische Währung, die European Currency Unit ECU, ins Leben gerufen. Der ECU war zwar nur eine künstliche so genannte Korbwährung, die sich aus den Währungen der EG-Mitgliedsländer zusammensetzte und praktisch nur als europäische Rechenwährung diente. Aber damit hatten der französische Präsident Valéry Giscard d'Estaing und der deutsche Kanzler Helmut Schmidt immerhin den Vater des späteren Euro geboren.
Das Europäische Währungssystem EWS legte die Kurse der EG-Währungen untereinander fest - mit einer gewissen Schwankungsbreite. Und genau da lag das Problem: Immer wieder mussten Währungen abgewertet und aufgewertet werden. Ein Problem, das mit den weltweit schnell zunehmenden Devisen- und Kapitalströmen immer drängender wurde. Das EWS war den modernen Devisenmärkten mit ihren gigantischen Kapitalbewegungen immer weniger gewachsen.
Mit neuem Schwung nach Maastricht
1987 bekam die europäische Integration mit der Einheitlichen Europäischen Akte und dem für 1992 geplanten Binnenmarkt neuen Schwung. Jetzt bekam auch die Währungsunion eine neue Chance, sagt Jürgen von Hagen: "Anstoß zur Währungsunion kam dann wieder Ende der 80er Jahre durch einen Brief des damaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher an die Regierungen der Europäischen Gemeinschaft." Man solle doch das Projekt einer Währungsunion wieder neu beleben, erzählt von Hagen. "Das wiederum führte dann zur Einrichtung der Delors-Kommission, die 1989 ihren Bericht vorlegte, wie eine Währungsunion in Gang gebracht werden könnte."
Fast zwanzig Jahre nach dem Werner-Plan lag damit das zweite "Drehbuch" für die Einführung einer europäischen Währung vor, geschrieben diesmal vom Chef der EU-Kommission Jacques Delors. Und im Gegensatz zum gescheiterten Werner-Plan realisierten die europäischen Staats- und Regierungschefs dieses "Drehbuch" wirklich.
Die Mauer bricht zusammen - der Euro kommt
Dabei half eine einzigartige historische Chance: der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und die Wiedervereinigung Deutschlands. Das vereinigte Deutschland schürte in den Nachbarstaaten Angst vor einem deutschen Alleingang, schildert Jürgen von Hagen: "Die Reaktion darauf - vor allen Dingen auch in Frankreich - war, die Währungsunion voran zu treiben, um sicher zu stellen, dass Deutschland ganz eng und fest in der Europäischen Union eingebunden bleibt."
Drei Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 besuchte der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher den französischen Präsidenten François Mitterand. Beide vereinbarten, eine Regierungskonferenz einzuberufen. Sie sollte den Delors-Plan für eine Währungsunion beschließen. Die Konferenz von Maastricht war geboren.
Auf dem Gipfeltreffen vom 9. bis 11. Dezember 1991 stimmten die europäischen Staats- und Regierungschefs schließlich den drei Stufen des Delors-Plans zu. Offiziell unterzeichnet wurde der Vertrag von Maastricht aber erst am 7. Februar 1992.
Der Delors-Plan - Drehbuch zum Euro
In der ersten Stufe des Delors-Plans wurde bis 1994 die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken gestärkt. Mit der Bundesbank hatte Deutschland zwar seit langem eine unabhängige Zentralbank, in anderen europäischen Staaten war dies aber längst nicht selbstverständlich. Außerdem hob man in der ersten Stufe alle Beschränkungen für den Kapitalverkehr in Europa auf - das bedeutete Reisefreiheit für das Geld in Europa.
Was die Konferenz in Maastricht aber vergessen hatte, war ihrem Kind einen ordentlichen Namen zu geben. Ursprünglich sollte auch die neue europäische Währung den Namen ECU tragen. Dagegen sprach sich aber Bundeskanzler Helmut Kohl aus. Der Name sei umständlich und klinge auf Deutsch auch viel zu sehr nach "Kuh". Das müsse geändert werden, fand der deutsche Bundeskanzler.
ECU oder Kuh?
Gesagt, getan. Auf Kohls Initiative taufte der EU-Gipfel im Dezember 1995 in Madrid die neue Währung auf den Namen "Euro". Als Abkürzung legten die europäischen Staats- und Regierungschefs ein doppelt durchgestrichenes "E" fest. Außerdem beschlossen sie, dass 100 Cent einen Euro ergeben sollten.
Die zweite Stufe des Delors-Plans auf dem Weg zum Euro war die politisch umstrittenste. Sie verpflichtete die europäischen Regierungen zur wirtschaftlichen Konvergenz. Das hieß vor allem weniger Schulden machen und sparen. Anderenfalls sollte den Ländern der Zugang zur Währungsunion verwehrt bleiben. Darauf legte besonders der deutsche Finanzminister Theodor Waigel Wert: "Es gibt kein Ermessensspielraum über die Bewertung von Kriterien, sondern die Kriterien sind tabu und nur, wenn die Kriterien gegeben sind, kann es zur dritten Stufe kommen."
Die Bürde der Konvergenzkriterien
Schlußendlich waren es dann aber doch die Deutschen, die mit ihrem Haushaltsdefizit große Probleme hatten, die Konvergenzkriterien zu erfüllen. Dagegen konnten die südeuropäischen Staaten Spanien und Portugal, die deutsche Vertreter abschätzig als "Club Med" bezeichnet hatten, in beeindruckender Weise ihre traditionell hohe Inflation reduzieren, ihr Haushaltsdefizit verringern und Staatsschulden abbauen.
Das überraschte viele deutsche Volkswirte, erzählt Manfred Feldsieper: "Dass in Deutschland oftmals sehr abschätzig über die Südländer geredet worden ist, hat damit zu tun, dass die Deutschen und auch insbesondere viele deutsche Ökonomen, den geistigen Wandel mit dem Vertrag von Maastricht in den anderen Ländern überhaupt nicht richtig begriffen und eingeschätzt haben."
Es kann losgehen
Die letzten Details auf dem Weg zum Euro beschloss ein EU-Sondergipfel am 3. Mai 1998 in Brüssel. Damit waren die letzten Hindernisse endgültig beiseite geräumt, um die Europäische Währungsunion zu vollenden. Bundeskanzler Helmut Kohl zeigte sich zufrieden: "Es war völlig klar, daß dies heute ein großer und bedeutender Tag für Europa ist, ein großer und bedeutender Tag für Europa, weil wir die wesentlichen Entscheidungen zur Einführung des Euro getroffen haben."
Fast dreißig Jahre nach dem Werner-Plan war es dann am 1. Januar 1999 endlich soweit: Die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion begann, der Euro war geboren. Als Hüterin des neuen Geldes nahm die Europäische Zentralbank EZB in Frankfurt ihre Arbeit auf.
Griechenland als Zwölfter im Bunde
In elf europäischen Ländern von Portugal bis Finnland löste der Euro die nationalen Währungen als Buchgeld ab. Dänemark hatte sich in einer Volksabstimmung gegen den Beitritt entschieden, Großbritannien und Schweden wollen lieber erst einmal abwarten. Die Griechen hatten anfangs die Konvergenzkriterien verfehlt, konnten aber Anfang 2000 als zwölftes Euro-Land nachrücken.
Was fehlte, waren lediglich noch die Euro-Scheine und -Münzen. Wenn am 1. Januar 2002 das Euro-Bargeld eingeführt wird, so ist das nur der allerletzte Schritt der in Maastricht am 11. Dezember 1991 beschlossenen Währungsunion.
Das betont EZB-Präsident Wim Duisenberg: "Der Euro ist schon jetzt unser Geld. Wenn wir etwas bar mit umlaufenden Banknoten bezahlen, zahlen wir tatsächlich bereits in Euro. Nur wegen den langwierigen Vorbereitungen, die für die Produktion der neuen hochwertigen Euro-Banknoten und -Münzen erforderlich sind, müssen wir noch die bisherigen nationalen Banknoten verwenden. Die ist vor allem psychologisch gesehen ein Nachteil, der am 1. Januar 2002 aber verschwinden wird."