Abschied von der D-Mark - Ein kleiner Nachruf auf ein Erfolgsmodell
6. Dezember 2001Die D-Mark hat das Wirtschaftswunder der 50er und 60er Jahre ermöglicht, den Aufstieg des zerstörten Nachkriegsdeutschland zu einer der größten Exportnationen der Welt. Die D-Mark strotzte nur so vor Gesundheit, ihre Kaufkraft war stabil, ihre Stärke und Solidität wurden zu einer Art Gütezeichen für den Wirtschafts- und Finanzstandort Deutschland, ihr Ruf machte sie im Ausland als Reserve- und Anlagewährung begehrt.
Im Grunde genommen war die Einführung der D-Mark im zerstörten Nachkriegsdeutschland ein viel größeres Wagnis, als es heute die Einführung des Euro-Bargelds ist. Am 16. und 17. Juni 1948 rollten militärische bewachte Lastwagen durch die drei alliierten Besatzungszonen Westdeutschlands. Engländer, Amerikaner und Franzosen lagterten heimlich neues Geld für den Tag X in den Depots ein, verpackt in unauffällige Holzkisten. Geld, das in Amerika gedruckt worden war und dem Dollar ziemlich ähnlich sah. Genau zehn Milliarden, 701 Millionen und 720 Tausend Deutsche Mark, abgekürzt D-Mark.
Die Allierten gebaren die D-Mark
Am 18. Juni konnten die Deutschen eine recht unspektakuläre Bekanntmachung im Radio hören: "Das erste Gesetz zur Neuordnung des deutschen Geldwesens ist von den Militärregierungen Großbritanniens, der Vereinigten Staaten und Frankreichs verkündet worden und tritt am 20. Juni in Kraft. Die bisher gültige Währung wird durch dieses Gesetz aus dem Verkehr gezogen. Das neue Geld heißt Deutsche Mark."
Dieses neue Geld löste die Reichsmark, die Rentenmark und die allliierte Militärmark ab - Währungen, zu denen die Deutschen ohnehin kein Zutrauen hatten. Denn es gab sie zwar im Überfluss - nur kaufen konnte man dafür nichts. Die Dinge des täglichen Lebens wurden über Bezugsscheine zugeteilt. Die heimliche Währung waren Zigaretten, auf den zahllosen Schwarzmärkten herrschte die Tauschwirtschaft. Und es gab genug Skeptiker, die bezweifelten, dass dies mit der neuen Deutschen Mark anders werden würde.
Ludwig Erhard, von den Alliierten eingesetzter Wirtschaftsdirektor der Zweizonenverwaltung und späterer Wirtschaftsminister und Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, gehörte zu den Wenigen, die an den Erfolg eines radikalen Neuanfangs glaubten. Einen todkranken Mann wirft man nicht ins kalte Wasser, hielten ihm die Skeptiker vor - und die deutsche Wirtschaft glich drei Jahre nach dem Krieg immer noch einem todkranken Mann.
Doch Ludwig Erhard war überzeugt: "So gesehen, erwarten wir von der bevorstehenden Geldumstellung keine Wunder. Aber indem sie die Grundlagen für eine rationelle Gütererzeugung und eine gerechte Verteilung schafft, ist sie in ihrer segensreichen Wirkung doch kaum hoch genug einzuschätzen."
Das Wirtschaftswunder - die D-Mark machte es möglich
Was am Montag, den 21. Juni 1948 und in den darauffolgenden Tagen geschah, war tatsächlich fast ein Wunder. Die Läden füllten sich, plötzlich gab es fast alles wieder zu kaufen. Die Betriebe hatten für den Tag X jede Menge Waren vorproduziert, aber zurückgehalten, um dafür kein altes, schlechtes Geld zu bekommen, sondern das neue, das begehrte. Ludwig Erhard hatte am gleichen Tag alle Preiskontrollen und das System der zentralen Zuteilung aufgehoben und sich damit den Ärger der Alliierten eingehandelt.
Doch der Erfolg gab ihm recht. Zwar stiegen die Preise für die neuen Waren anfangs recht drastisch. Vom Juni bis Dezember zogen die Lebensmittelpreise um 19, die Preise für Textilien und Bekleidung sogar um 35 Prozent an, und die Gewerkschaften wurden unruhig, sie drohten mit Streik. Hans Tietmeyer, Präsident der Deutschen Bundesbank, erinnert sich: "Erfreulicherweise hat damals die Politik, aber wie ich glaube auch die Zentralbankpolitik, das heißt, damals die Bank Deutscher Länder, die haben die Nerven behalten und den Kurs im Grunde durchgehalten, trotz aller Schwierigkeiten. Und das hat sich auch dann bald ausgezahlt."
Rasches Wachstum
Pro Quartal wuchs die deutsche Wirtschaft in den ersten Jahren nach der Währungsreform um zehn bis zwölf Prozent. Auch der Außenhandel begann zu florieren. Kameras aus Stuttgart und Wetzlar, Gartenzwerge aus dem hessischen Lauterbach standen mit auf den ersten Ausfuhrlisten, später wurden Kohle, Stahl und Maschinen die deutschen Exportschlager. Dabei kam den Deutschen zu Hilfe, dass ihre neue Währung im Verhältnis zu den anderen internationalen Währungen in den ersten Jahren chronisch unterbewertet war. Das machte deutsche Produkte auf dem Weltmarkt preiswert und half mit, eine starke Exportindustrie aufzubauen.
Doch mit dem wirtschaftslichen Erfolg kam auch bald der Druck zur Aufwertung, erinnert sich Hans Tietmeyer: "Es ist dann später in den 50er Jahren und später in den 60er und 70er und 80er Jahren zu Spannungen gekommen." Höhepunkt der Auseinandersetzung sei sicher die berühmte Gürzenich-Rede von Konrad Adenauer gewesen, wo er davon gesprochen habe, dass eine Zinsanhebung durch die Deutsche Bundesbank, das Fallbeil für die kleinen Leute sei.
Tietmeyer ist von der damals doch getroffenen Entscheidnung, die Zinsen anzuheben, weiter überzeugt: "Es war eben nicht das Fallbeil der kleinen Leute, sondern es hat sich erwiesen, dass das notwendig war und zur Stabilität der Währung beigetragen hat. Und die Stabilität der Währung ist gerade für die kleinen Leute, sprich in diesem Falle der Mittelstand, von ganz großer Bedeutung."
Die Stabilitätserfolge der D-Mark machten sie bald zu einem Aufwertungskandidaten, ließen sie später neben dem japanischen Yen und nach dem amerikanischen Dollar weltweit zur zweiten Leitwährung werden, zum Stabilitätsanker in Europa, zur begehrten Reserve- und Anlagewährung. Bis zu ihrem vierzigsten Geburtstag war die D-Mark im Außenwert gegenüber den 14 wichtigsten Industrienationen um ein Drittel gestiegen.
Kein Wunder, dass nach so vielen Erfolgen der D-Mark die Deutschen dem Euro lange Zeit skeptisch gegenüberstanden, obwohl diese Skepsis langsam gegenüber dem Unausweichlichen nachlässt. Der Kölner Wirtschaftspsychologe Guido Kiell zu den deutschen Befindlichkeiten: "Bei uns Deutschen ist es so, dass wir in der Vergangenheit ein hohes Maß an Stolz auf die D-Mark gelegt haben. Die D-Mark stand stellvertretend für Symbole, die in anderen Ländern normalerweise als Identifikationssymbole herangezogen werden. Wie zum Beispiel Kultur, Sprache, politische Erfolge, all diese Dinge hatten wir zwar, die standen aber unter einem ungünstigen Vorzeichen, im Zweiten wie im Ersten Weltkrieg."
Die beiden Weltkriege hatten den Deutschen auch Hyper-Inflationen beschert und Millionen Menschen fast über Nacht um die Früchte ihrer lebenslangen Arbeit gebracht. Dieser Schock saß tief, die D-Mark dagegen war der Garant für Stabilität.
Der Euro löst die D-Mark ab
Seit 1999 gibt es nun schon den Euro, er hat die D-Mark zumindest als Buchgeld bereits verdrängt. sie ist inzwischen nicht mehr als ein deutscher Ausdruck des Euro. Dass man mit dem Euro ab dem 1. Januar 2002 auch bezahlen kann, ist nur ein kleiner, letzter Schritt. Das betont Wim Duisenberg, Präsident der Europäischen Zentralbank, immer wieder gebetsmühlenartig: "Es ist wichtig zu wissen, dass wir am 1. Januar 2002 nicht den Euro einführen. Der Euro ist bereits seit dem 1. Januar 1999 unser Geld. Was wir tun werden, ist den Euro auch in Form von Euro-Banknoten und Münzen einzuführen."