Zehn Grass-Werke für die Ewigkeit
15. April 2015"Die Blechtrommel" (1959)
Das bekannteste seiner Werke ist zweifelsohne die "Blechtrommel", der erste Teil seiner "Danziger Trilogie". Die Geschichte handelt von Oscar Mazerath, der sich der Welt der Erwachsenen verweigert und mit drei Jahren beschließt, fortan nicht mehr zu wachsen. Zum dritten Geburstag schenkt seine Mutter ihm eine Blechtrommel, die für Oscar nicht nur Instrument, sondern auch Sprachrohr und eine Art "Erinnerungswerkzeug" ist: Dank seiner Trommel kann er sich auch Ereignisse, an denen er nicht unmittelbar beteiligt war, vergegenwärtigen.
Und so erzählt Oscar, dessen Stimme Gläser, Spiegel und sogar Fenster zerbersten lassen kann, von der Vergangenheit und den Verwicklungen seiner Familie in Danzig (heute Gdensk in Polen) vor und während des Zweiten Weltkriegs, von seinen Liebschaften und seinem Protest gegen die Nazis. 1979 verfilmte Volker Schlöndorff die stark ineinander verschachtelte Geschichte. Es war der erste deutsche Film, der mit einem Oscar ausgezeichnet wurde und außerdem noch die Goldene Palme erhielt.
"Katz und Maus" (1961)
Der zweite Teil der "Danziger Trilogie" ist eine Novelle, kein Roman. Die Handlung führt uns abermals ins Danzig des Zweiten Weltkriegs. Erzählt wird die Geschichte des Außenseiters Mahlke aus der Sicht seines Schulkameraden Pilenz. Mahlke, wegen seines auffälligen Adamsapfels als Sonderling abgestempelt, beweist sich in der Folge der Geschichte als talentierter Sportler, wird Soldat und will schließlich aus Ekel vor den Gräueln des Krieges desertieren. Das Buch sorgte 1961 für Empörung. Ein Beamter des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen, hatte bei der Bundesprüfstelle beantragt, "Katz und Maus" wegen unsittlichen Inhalts auf den Index zu setzen - unter anderem wegen der dort geschilderten Onanierolympiade. Auf Protest der Öffentlichkeit und anderer Schriftsteller hin, wurde der Antrag zurückgezogen und "Katz und Maus" mauserte sich zum Klassiker.
"Hundejahre" (1963)
Auch der dritte Teil der "Danziger Trilogie" beschäftigt sich mit dem Nationalsozialismus, dem Zweiten Weltkrieg und der, laut Grass, unzureichenden Vergangenheitsbewältigung der Deutschen. Der Titel bezieht sich auf Hitlers Hund. Mit der Aufzählung dessen Stammbaums persifliert Grass den Irrsinn der NS-Rassenideologie. Im Mittelpunkt der Erzählung stehen die beiden Freunde Walter Matern und Eduard Amsel. Ihr Werdegang wird aus der Perspektive von drei verschiedenen Personen in drei Büchern erzählt. Anhand ihrer Lebensläufe schildert Grass facettenreich Stationen der deutschen Geschichte, angefangen im Danzig der 1920er Jahren, über den Ersten Weltkrieg und die Nazizeit bis in die Zeit des Wirtschaftswunders der 1950er Jahre. In einem Fernsehinterview von 1984 bezeichnete Grass "Hundejahre", und nicht "Die Blechtrommel", als sein wichtigeres Buch. "Hundejahre" stellten ein literarisches Wagnis dar, auch Momente des Scheiterns, das Fragmentarische seien dort zu finden.
"Der Butt" (1977)
"Der Butt" ist Grass' erstes Buch, das nicht während des Zweiten Weltkriegs spielt. Darin zeichnet er das Verhältnis zwischen Mann und Frau von der Steinzeit bis in die Gegenwart nach. Lose Grundlage ist das norddeutsche Märchen "Vom Fischer un siner Fru". Zum Berater in Männersachen ernennt er einen sprechenden Fisch, den Butt. Ilsebill, die Gattin des Fischers, ist die Verkörperung der Frau als solche. Auch in diesem Grass-Buch verknüpfen sich wieder mehrere Erzählstränge und Ebenen - Kochrezepte spielen darin eine ebenso wichtige Rolle wie das Erzählen durch die Jahrhunderte. 2007 wurde "Ilsebill salzte nach" als schönster erster Satz gekürt, ein Beispiel dafür, wie sehr Grass‘ Werke nachwirken.
"Die Rättin" (1986)
Dieses Prosawerk thematisiert eine düstere Zukunft der Menschheit, die sich durch einen Atomkrieg selbst vernichtet hat. Die Ratten hatten die Katastrophe vorhergesehen und übernehmen die Macht. Der Erzähler glaubt von einer weiblichen Ratte zu träumen. Diese jedoch behauptet vehement, er existiere nur in ihrem Traum und kreise in einem Raumschiff als letzter menschlicher Überlebender um die verwüstete Erde. Auch in diesem Roman setzt sich die Handlung wieder aus vielen Erzählsträngen zusammen. Allein im Raumschiff, erlebt der Erzähler erneut den Untergang seiner Welt anhand der Schicksale verschiedener Menschen. Auch Oskar Matzerath aus der Blechtrommel taucht wieder auf, allerdings merklich gealtert: Er wird in Kürze 60 und ist jetzt Filmproduzent. Rechtzeitig ins Videogeschäft eingestiegen, ist er zu Geld gekommen mit einer mittlerweile eingestellten Pornoreihe. Er lebt in einer Vorortvilla und sein ehemaliger Pfleger Bruno Münsterberg ist nun sein Chauffeur.
"Ein weites Feld" (1995)
Dieser Roman, der in der DDR zwischen Mauerbau und deutscher Vereinigung spielt, brachte Günter Grass große Kritik seitens des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki ein. In einem Brief an den Schriftsteller schrieb Ranicki: "Ich halte Sie für einen außerordentlichen Schriftsteller, mehr noch: Ich bewundere Sie - nach wie vor. Doch muß ich sagen, was ich nicht verheimlichen kann: daß ich Ihren Roman 'Ein weites Feld' ganz und gar mißraten finde." Ranickis Veriss und die starke öffentliche Diskussion führten dazu, dass bereits nach acht Wochen die fünfte Auflage in Druck ging. Günter Grass mitunter umfangreichstes Buch ist nicht nur eine literarische Auseinandersetzung mit der deutschen Wiedervereinigung, sondern auch eine Reflektion über das Werk des Schriftstellers Theodor Fontane, auf dessen Roman "Effi Briest" der Titel des Buchs zurückgeht. Grass weist darin auf Parallelen bei der Reichsgründung 1870/71, wie Fontane sie erlebte, und zum Zusammenschluss von BRD und DDR 1989 hin, den er als völlig verfrüht empfand.
"Im Krebsgang" (2002)
Für diese Novelle wurde Grass dann wiederum von der Literaturwelt gefeiert. Thema der Erzählung ist der Tod Tausender Flüchtlinge beim Untergang des Schiffes "Wilhelm Gustloff" im Mai 1945 und die deutsche Vertreibung aus dem Osten. Kritiker lobten Grass dafür, dass er dieses schwierige Thema aufgegriffen habe und hoben vor allem seine packenden Schilderungen im Roman hervor.
"Beim Häuten der Zwiebel" (2006)
In seiner Autobiografie bekennt Grass erstmals, als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein und löst eine weltweite Debatte aus. Dass Grass bei seiner Gefangennahme durch die US-Alliierten diese Mitgliedschaft nicht verschwiegen und sie gegenüber Kollegen auch offen eingestanden hatte, half ihm nicht mehr. Kritiker stellten seine moralische Integrität und Glaubwürdigkeit in Frage und bezichtigten ihn der Heuchelei.
"Grimms Wörter" (2009)
"Grimms Wörter. Eine Liebeserklärung" ist das zuletzt veröffentlichte Buch von Günter Grass. Darin erzählt er sowohl von der Entstehung des deutschen Wörterbuchs und vom Leben der Brüder Grimm, als auch von sich selbst. Es ist eine Autobiographie und eine Biographie. Wie eigentlich immer bei Grass, nutzt er die Geschichte als Schauplatz und springt er immer wieder zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert hin und her
"Von Endlichkeit" (2015?)
Kurz vor seinem Tod hatte Günter Grass die Arbeit an einem neuen Buch beendet. Seinem Verleger Gerhard Steidl zufolge sei das Buch druckreif und werde voraussichtlich im Juli oder August dieses Jahres erscheinen. Der Band "Von Endlichkeit" beinhalte sowohl Lyrik als auch Prosa und sei "ein kleines literarisches Experiment", so Steidl. Bereits am 12. Juni sollen Auszüge während einer Lesung in Göttingen vorgestellt werden. Im Nachlass von Grass befänden sich vermutlich weitere Manuskripte, sagt Gerhard Steidl. Es ist daher wahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren noch weitere Texte von Günter Grass veröffentlicht werden.