Schweigen zum Opferfest die Waffen?
19. Juli 2021Insgesamt 15 diplomatische Missionen und die Vertretung der NATO haben die Taliban zu einem Waffenstillstand aufgerufen. In ihrem Statement kritisieren die Diplomaten die militärische Offensive der Taliban als einen "direkten Widerspruch" zum Friedensprozess in der katarischen Hauptstadt Doha. Kurz zuvor war in Doha eine weitere Verhandlungsrunde zwischen der afghanischen Regierung und den Aufständischen ohne greifbaren Erfolg beendet worden.
In der Erklärung der Länder heißt es weiter, die Taliban sollten der Welt mit dem Waffenstillstand zeigen, dass sie sich dem Friedensprozess verpflichtet fühlten.
In der Vergangenheit hatten die Taliban vor dem Opferfest wiederholt eine zeitlich begrenzte Waffenruhe ausgerufen und erklärt, die Afghanen sollten die Feierlichkeiten friedlich begehen können. In diesem Jahr gab es eine solche Ankündigung nicht. Das mehrtägige Fest beginnt am morgigen Dienstag.
Erdogan erwägt Gespräche über Flughafen
Unterdessen kündigte die Türkei Gespräche mit den radikalislamischen Taliban über die Zukunft des internationalen Flughafens in Kabul an. "Wir werden sehen, welche Art von Gesprächen wir mit den Taliban haben werden und wohin uns diese Gespräche führen werden", sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan in Istanbul.
Die Türkei hatte angekündigt, nach dem Abzug der verbliebenen US-Soldaten aus Afghanistan den Flughafen von Kabul auch künftig zu sichern, um der internationalen Gemeinschaft weiterhin eine diplomatische Präsenz in Afghanistan zu ermöglichen. Die USA und die NATO wollen Ankara dabei finanziell und logistisch unterstützen.
Die Taliban lehnen den Vorstoß der Türkei ab. Sie bezeichneten das Angebot zur Sicherung des Flughafens vergangene Woche als "verwerflich". Die Präsenz ausländischer Truppen in Afghanistan "unter welchem Vorwand auch immer" sei als "Besatzung" zu werten. Erdogan kritisierte die Haltung der Taliban am Montag und forderte sie auf, ihre Offensive einzustellen.
Taliban versuchen, die Macht in Afghanistan zu gewinnen
Derweil bauen die Taliban im Norden des Landes ihre Machtposition weiter aus. Heftige Kämpfe gingen dort auch am Wochenende weiter. Angesichts dieser Entwicklung haben Russland und Turkmenistan in den vergangenen Tagen ihre Truppen an der Grenze zu Afghanistan verstärkt.
An diesem Montag besuchte Afghanistans Präsident Aschraf Ghani die Stadt Herat im Osten des Landes, um sich ein Bild von der Situation zu machen.In der Provinz, die an Iran angrenzt, sind bereits 17 von 19 Distrikte in die Hände der Aufständischen gefallen. In der vergangenen Woche hatten zahlreiche Länder ihre Staatsangehörigen aus Afghanistan evakuiert.
Seit Monaten häufen sich in Afghanistan auch Anschläge auf Mitarbeitende humanitärer Organisationen, Universitätsdozenten und -dozentinnen, Medienschaffende, weibliche Staatsangestellte, Menschenrechtsaktivisten und Kritiker der Taliban. Vor dem Hintergrund des Abzugs der internationalen Truppen, der Ende August abgeschlossen sein soll, verstärkt sich die Sorge um das Schicksal des Landes.
bru/sti/kle (afp / dpa)