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KonflikteBangladesch

Yunus wird Chef der Übergangsregierung in Bangladesch

6. August 2024

Der Nobelpreisträger und Pionier eines Mikrokredit-Systems für Arme, Muhammad Yunus, wird die Übergangsregierung in Bangladesch anführen. Darauf einigten sich Präsidenten und Militär mit Vertretern der Studenten.

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Bangladesch | Muhammad Yunus inmitten einer Menschenmenge, umringt von Medienvertretern. Er spricht in Mikrophone
Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus spricht in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka zu Medienvertretern (Archivbild, Mai 2024)Bild: Munir uz Zaman/AFP/Getty Images

Nach dem Rücktritt der autoritären Ministerpräsidentin Sheikh Hasina soll Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus eine Übergangsregierung in Bangladesch anführen. Der Erfinder der Mikrokredite werde bis zu Neuwahlen im Amt bleiben, bestätigte das Büro von Präsident Mohammed Shahabuddin laut mehreren Agenturmeldungen.

Der 84-Jährige sei dazu bereit, die Amtsgeschäfte vorübergehend zu übernehmen, sagte eine Sprecherin von Yunus dem Radiosender BBC. Die Entscheidung für Yunus sei bei einem Treffen des Präsidenten mit Vertretern der Protestbewegung und des Militärs getroffen worden,

Die Menschen, die an den Massendemos teilgenommen haben, hatten den Nobelpreisträger Muhammad Yunus als Chef der Übergangsregierung ins Spiel gebracht. "Wir vertrauen auf Dr. Yunus", schrieb Asif Mahmud, ein Anführer der protestierenden Studierenden auf Facebook. Präsident Shahabuddin habe zugesichert, dass die Übergangsregierung "so schnell wie möglich" gebildet werden solle, sagte ein anderer Studentenführer, Nahid Islam, im Anschluss an das Treffen mit dem Präsidenten. 

Wer ist Muhammad Yunus?

Muhammad Yunus ist ein bengalischer Sozialunternehmer, Bankier, Wirtschaftswissenschaftler und prominenter Vertreter der Zivilgesellschaft.

Er wurde 1940 in Chittagong geboren, einer Stadt im Südosten von Bangladesch. Später promovierte er an der privaten Vanderbilt University im US-Bundesstaat Tennessee im Fach Wirtschaftswissenschaften. Ein Jahr nach der Unabhängigkeit von Bangladesch kehrte er 1972 in seine Heimatstadt zurück und wurde Studienleiter für Wirtschaft in ländlichen Gebieten an der Universität Chittagong.

Nachdem er die verheerenden Folgen der Hungersnot 1974 im ländlichen Bangladesch miterlebt hatte, bei der Tausende von Menschen starben, begann er, kleine Kreditbeträge an Arme zu vergeben. 1983 gründete er die Grameen Bank.

Das Geldinstitut leistete später Pionierarbeit bei der Vergabe von Mikrokrediten, mit denen sich verarmte Menschen, vor allem Frauen, eine wirtschaftliche Existenz aufbauen konnten. Andere Länder übernahmen sein Konzept im Kampf gegen die Armut.

Yunus und die Grameen Bank wurden 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seitdem ist Yunus international als "Bankier der Ärmsten der Armen" bekannt. 2009 wurde Yunus mit der Freiheitsmedaille des US-Präsidenten ausgezeichnet, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA.

Globalzahl Mikrokredite

"Die Armut war überall um mich herum. Ich konnte mich nicht von ihr abwenden", sagte Yunus 2006 bei der Verleihung des Nobelpreises über die Bangladesch im Jahr 1974. "Ich fand es schwierig, elegante Wirtschaftstheorien an der Universität zu unterrichten. Ich wollte etwas tun, um den Menschen um mich herum zu helfen."

Politisches Engagement 

Anfang 2007 kündigte Yunus die Gründung einer politischen Partei mit den Namen  "Nagarik Shakti", zu deutsch "Macht der Bürger", an. Er erklärte, er könne sich auf keinen Fall aus der Politik heraushalten. Wenige Wochen nach dieser Ankündigung nahm er jedoch von dieser Idee wieder Abstand.

Sheikh Hasina, 2009 zur Premierministerin von Bangladesch gewählt, wurde zu einer Kritikerin von Yunus. Ihre Regierung leitete eine Reihe von Untersuchungen gegen ihn und seine Unternehmen ein.

Hasina nannte Yunus einen "Blutsauger" und beschuldigte ihn, Gewalt und andere Mittel angewendet zu haben, um die Schulden von armen Frauen auf dem Land einzutreiben.

Nach einer behördlichen Prüfung der Grameen Bank 2011 wurde Yunus als Geschäftsführer entlassen, weil er angeblich gegen die Ruhestandsbestimmungen der Regierung verstoßen hatte. Yunus war damals 71 Jahre alt.

Yunus Opfer einer Verleumdungskampagne?

2013 musste sich Yunus vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Er habe ohne Genehmigung der Regierung Geld erhalten. Dieses stammte unter anderem aus dem Preisgeld des Nobelpreises sowie aus Lizenzgebühren für eines seiner Bücher.

Anfang 2024 wurde er zu sechs Monaten Haft wegen Verstoß gegen das Arbeitsgesetz verurteilt. Im Juni wurde eine weitere Anklage gegen ihn und 13 weitere Mitarbeiter in seinem Telekommunikationsunternehmen Grameen Telecom wegen Korruption erhoben.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft sollen sie umgerechnet zwei Millionen Euro unterschlagen haben. Yunus plädierte auf "nicht schuldig" und ist bislang auf Kaution frei.

Für die Anhänger von Yunus sind die Anklagen politisch motiviert seien. Yunus sei wegen seiner früheren politischen Ambitionen und seiner frostigen Beziehung zur Premierministerin Sheikh Hasina von der Justiz ins Visier genommen worden.

"Yunus war in den vergangenen zwölf Jahren einer Verleumdungskampagne und einem Rufmordversuch durch die höchste politische Ebene der Regierung und der Regierungspartei Awami-Liga ausgesetzt. Und sie haben die Justiz fest im Griff", sagte Asif Nazrul, Juraprofessor an der Universität Dhaka, zu Beginn des Jahres im Gespräch mit der DW.

Mitarbeit: Arafatul Islam. Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan.

Der Beitrag wurde erstmals am frühen Abend des 6. August 2024 veröffentlicht und am späten Abend des selben Tages mit Agenturmaterial (dpa, AFP) aktualisiert, nachdem bekannt gegeben wurde, dass Yunus die Übergangsregierung führen wird.  

Srinivas Mazumdaru Redakteur und Reporter für Asien und Wirtschaft