Yingluck mit dem Rücken zur Wand
27. Februar 2014Am Donnerstag (27.02.2014) forderte die thailändische Antikorruptionsbehörde (NACC) von Übergangspremierministerin Yingluck Shinawatra eine Stellungnahme zu einem umstrittenen Reissubventionsprogramm. Es soll untersucht werden, ob ein Fehlverhalten ihrerseits vorliegt. Im Falle einer Verurteilung müsste Yingluck ihr Amt aufgeben und wäre für fünf Jahre von der thailändischen Politik ausgeschlossen. Die Opposition kommt damit ihrem Ziel, dem Sturz der Regierung, einen Schritt näher.
Yingluck, die sich in den letzten Tagen nicht mehr in der Hauptstadt Bangkok, sondern im nördlichen Chiang Mai aufgehalten hat, ist zu der Anhörung nicht selbst erschienen. Stattdessen schickte sie ihren Anwalt.
Bumerang Reissubventionsprogramm
Das Reissubventionsprogramm, das Yinglucks Regierung ursprünglich aufgelegt hat, um einen wichtigen Teil ihrer Basis in den ländlichen Regionen zu unterstützen, erweist sich nun als Gefahr. Das Gesetz wurde 2011 verabschiedet. Es garantiert den Bauern einen Festpreis für Reis. Damit sollte den Bauern eine größere Planungssicherheit ermöglicht werden. Kritiker werfen Yingluck allerdings Verschwendung von Steuergeldern vor, da der Festpreis für die Bauern je nach Wirtschaftslage bis zu 50 Prozent über dem Weltmarktpreis lag.
Die Übergangsregierung gerät jetzt zusätzlich unter Druck, weil sie die Bauern nicht mehr ausbezahlen kann. Das verhindere die Verfassung, die es einer Übergangsregierung verbietet, Entscheidungen zu treffen, die die Folgeregierung finanziell belasten könnte, wie Michael Winzer, der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Thailand, erklärt.
Die Bauern seien auf die Zahlungen aber angewiesen. Denn sie hätten ihre gesamte Ernte bereits vor Wochen an die Regierung übergeben, so Winzer: "Das baut momentan einen erheblichen Druck auf die Regierung auf." Die Entwicklung ist vor allem deswegen brisant, weil die Bauern die Regierung bisher immer unterstützt haben. Die Gelegenheit lässt sich die Opposition natürlich nicht entgehen, so Winzer: "Mit Geld und politischen Reden geht sie auf Stimmenfang im Lager der von der Regierung enttäuschten Reisbauern."
Siegessichere Opposition
Ebenfalls am Donnerstag (27.02.2014) hat Oppositionsführer Suthep Thaugsuban zum ersten Mal seit Monaten ein Gespräch mit Yingluck angeboten, was manche Beobachter als Zeichen seiner Siegesgewissheit werten. Die Übergangs-Ministerpäsidentin reagierte nach Medienberichten aus Chiang Mai zurückhaltend: "Die Gespräche benötigen einen Rahmen, aber es ist unklar, welcher das sein könnte. Es müsste viele Seiten eingebunden werden, da ich nicht allein im Namen des thailändischen Volkes sprechen kann."
Die Opposition ändert mit dem Gesprächsangebot ihre Strategie, beharrt aber auf ihren Forderungen: Übergangsministerpräsidentin Yingluck müsse zurücktreten und aus der Politik ausgeschlossen werden. Ein demokratisch nicht legitimierter Volksrat solle die Amtsgeschäfte übergangsweise führen und die politische Landschaft Thailands von Grund auf reformieren.
Dauerprotest
Mit dieser unnachgiebigen Position konfrontiert, sah die Ministerpräsidentin bereits im Dezember 2013 keine andere Möglichkeit, als die Regierung aufzulösen und Wahlen für Anfang Februar anzusetzen.
Doch die Wahlen brachten nicht die erhoffte Lösung des Konflikts. Der Opposition gelang es, rund elf Prozent der Wahllokale zu blockieren. Da das thailändische Wahlsystem aber alle Wahlberechtigten zur Teilnahme an dem Urnengang verpflichtet und das notwendige Quorum im Parlament zur Regierungsbildung nicht erreicht wurde, müssen Nachwahlen organisiert werden. Die Wahlkommission gab Anfang Februar bekannt, dass die Organisationen der Nachwahlen zwischen drei und sechs Monaten Zeit benötige.
Die Verzögerung passt zu der Strategie der Opposition, die Experten seit Beginn der Proteste beobachten. Straßenproteste, bei denen 21 Menschen gestorben und mehr als 700 verletzt wurden, blockieren die Regierungsgeschäfte und erhalten damit den Druck aufrecht. Gleichzeitig verschaffen sie der Opposition Zeit, um einen Putsch der Institutionen und der Justiz gegen die gewählte Regierung von Ministerpräsidentin Yingluck durchzusetzen. "Der Umsturz wird durchgeführt von den Gerichten und unabhängigen Kommissionen. Was wir in Thailand erleben, ist der Prototyp für den Putsch des 21. Jahrhunderts", erklärt Marc Saxer von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangkok.
Um internationaler Kritik vorzubeugen und die eigene Bevölkerung zu täuschen, werde von der Opposition eine Strategie der Scheinlegalität verfolgt. Die Opposition dominiere die thailändischen Institutionen: Verfassungsgericht, Antikorruptionsbehörde, Wahlkommission, Menschenrechtskommission und den Rechnungshof. Die Institutionen würden sich gegenseitig die Bälle zuspielen und so die Regierung kriminalisieren, um schließlich alle verfassungsmäßigen Auswege aus der Krise zu blockieren. "Die Opposition verhindert den normalen demokratischen Prozess so lange, bis der Punkt erreicht ist, an dem es keinen anderen Ausweg gibt als den von der Opposition geforderten Volksrat." Am Ende, so Saxer, "wird es von außen betrachtet so aussehen, als wäre das alles legal."