"Yeah - but is it Art?"
18. Juni 2004
Er nimmt in seinen Comics keine Rücksicht auf den guten Geschmack. Es wimmelt nur so von Perversen, Sex-Maniacs, Frauenhassern, Rassisten oder Superweibern mit überdimensionierten Hintern und stämmigen Beinen. Eine Freak-Show voller uramerikanischer Typen, in der Robert Crumb oft genug selber die Hauptrolle spielt - mal als "geiler Bock", der es lediglich auf schnellen Sex abgesehen hat, mal als frustrierter Kauz mit fettigen Haaren, Bartstoppeln und Zahnlücke, der von den begehrten Blondinen links liegen gelassen wird. Bei aller Entgrenztheit - Crumbs Zeichnungen sind von hoher handwerklicher Qualität.
"Manischer Perfektionist"
Er selbst bezeichnet sich als einen manischen Perfektionisten: "Selbst wenn ich Geschirr spüle, mache ich alles so perfekt wie möglich. So ist mein Charakter. Ich bin ein Zwangsneurotiker. Ich hasse es, wenn nicht alles an seinem Platz ist. Das sieht man auch an meinen Zeichnungen. Wenn eine Linie nicht sitzt, dann male ich mit Tipp-Ex drüber. Deshalb gibt es hier auch so viele weiße Stellen."
Meist umrandet er seine Figuren mit einem schwarzen Filz- oder Bleistift, jedes Detail wird schonungslos und klar herausgearbeitet. Rillen und Falten entstellen die Gesichter, Pickel mutieren zu Furunkeln. Gekonnt spielt er mit Hell- Dunkelkontrasten. Die Kölner Ausstellung ordnet das Sammelsurium der Gemeinheiten nach Themen. Es geht los mit der Beziehung zwischen den Geschlechtern - da reitet etwa ein kleiner Mann mit lüsternem Blick auf dem riesigen Hintern einer drallen Afroamerikanerin und brüllt ihr ins Ohr: "I am a bad boy". Gleich daneben hängen seine Entwürfe für Plattencover: Traurige farbige Jazz-Musiker halten ihre Gitarren im Arm.
Unter LSD-Einfluss gezeichnet
Auch den unter LSD-Einfluss entstandenen Kultfiguren "Fritz the Cat", dem kleinbürgerlichen Hippy-Kater, oder Mr. Natural, einem langbärtigen Waldschrat, begegnet man in der Ausstellung. "Starke Frauen" heißt eine Serie, in der Crumb seinen Phantasien von einer idealen Frau freien Lauf lässt. Breithüftige Amazonen in Cowboy-Stiefeln, oder ganzkörperbehaarte Fräuleinwunder mit riesigen Hintern bevölkern die Bilder. Aber auch an Seitenhieben auf den Kunstbetrieb spart Crumb nicht. In der Zeichnung "Four Ladies" karikiert er vier Frauen auf einer Vernissage. Auf dem Kopf eine Betonfrisur, teurer Schmuck baumelt von den Ohren, das Dekolleté lässt tief blicken. Auch wenn Robert Crumb vom Kunstbetrieb nicht viel hält - die Kunstgeschichte hat ihn immer interessiert. Seine Zeichnungen erinnern an die apokalyptischen Szenerien eines Hieronymus Bosch oder an die wollüstigen Wimmelbilder von Pieter Brueghel dem Älteren.
Auch heutzutage haben seine Zeichnungen nicht an subversiver Sprengkraft verloren. Vor allem im prüden Amerika. Als er vor einigen Jahren ein Cover für den "New Yorker" gestaltete, hagelte es Protestbriefe und Drohungen. Vielleicht ist das der Grund für den aktuellen Robert Crumb-Kult. Die Moralverfechter haben ihr Feindbild, und die Intellektuellen zählen sich zur Avantgarde, weil sie einer niederen Kunst wie dem Comic einen Platz im Museum einräumen. Robert Crumb jedenfalls kann sich nicht erklären, warum die Ausstellungshäuser seine Arbeiten ausstellen.
Kultur mit Substanz
"Ich bin jetzt 60 Jahre alt - viele Museumsdirektoren sind ungefähr in meinem Alter. Sie suchen nach etwas in der Kultur, das Substanz hat, ich mache das schließlich jetzt lang genug", so Crumb, "um ernst genommen zu werden. Und schließlich: irgendwas müssen sie ja an ihre Wände hängen. Warum ich das gerade bin, das weiß ich allerdings auch nicht."
Die Ausstellung ist bis zum 12. September 2004 im Kölner Museum Ludwig zu sehen. Sie bietet einen Crumb-Rundumschlag: von den Anfängen bis zu den berühmten Comic-Produktionen Weirdo, Zap, Snatch und Mystic Funnies