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"Die Türkei unterstützt den IS"

Daniel Heinrich, Köln8. August 2015

Kurden aus ganz Deutschland haben in Köln gegen die Angriffe der Türkei auf kurdische Stellungen im Nordirak demonstriert. Auch die HDP-Politikerin Figen Yüksekdağ war dabei. Sie erhebt schwere Vorwürfe Richtung Ankara.

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Figen Yuksekdag in Ankara - Foto: Adem Altan (AFP)
Bild: A. Altan/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Frau Yüksekdağ, wie bewerten Sie den aktuellen Anti-Terror-Kampf der Türkei?

Figen Yüksekdağ: Der Kampf, den die türkische Regierung führt, wird eindeutig nicht gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geführt, sondern gegen die kurdischen Kräfte. Seit knapp drei Jahren wird der IS durch die Türkei unterstützt. In Ausbildungscamps innerhalb der Türkei werden Kämpfer ausgebildet und über die Grenze geschickt.

Sagen Sie, dass die türkische Regierung den IS unterstützt hat?

Ja. Die türkische Regierung hat zwar vehement geleugnet, dass sie den IS unterstützt. Aber wir haben Beweise: Zeugenaussagen und Dokumente über die Waffenlieferungen, die getätigt worden sind. Zudem bevorzugt die Regierung in Ankara den IS als Nachbarn der Türkei. Sie will nicht, dass die Kurden aus Syrien ihr Nachbarn sind, sondern favorisiert da lieber ein islamisches Kalifat. Es gibt eine strategische und ideologische Nähe zwischen der türkischen Regierung und dem IS. Aus diesem Grund werden die aktuellen Luftangriffe nicht gegen den IS, sondern gegen die kurdische Bewegung geführt. Die Wahlen vom 7. Juni und der Erfolg der HDP waren eine klare Niederlage für die Regierungspartei.

Es gibt diese Vorwürfe, dass die von kurdischstämmigen Politikern in der Türkei gegründete HDP der PKK zu nahesteht. Was sagen Sie dazu?

Wir als HDP haben keine Beziehungen zur PKK. Es erscheint uns absurd, da noch Beweise auf den Tisch legen zu müssen. Wir haben bei der Parlamentswahl 13 Prozent der Stimmen errungen. In dem zweimonatigen Wahlkampf, den wir geführt haben, wurden sieben HDP-Aktivisten ermordet. Bis heute wurde keiner der Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Die Ermordeten waren keine Leute, die Waffen in der Hand hatten und gemeinsame Operationen mit der PKK gemacht haben oder sonst etwas. Die PKK ist eine nationale Befreiungsbewegung. Zugleich ist sie eine Bewegung, die für Demokratie und Gleichberechtigung eintritt. Wir befürworten nicht ihre Mittel, die sie dafür einsetzt. Aber wir müssen auch anerkennen, dass das Programm, das sie verfolgt, kein Terrorprogramm ist.

Wie sollen sich in dem Konflikt die EU, die NATO und Deutschland verhalten?

Aus dem Krieg in der Region geht auch eine Kriegsgefahr für den gesamten Nahen Osten aus. Die internationale Gemeinschaft sollte deshalb den türkischen Präsidenten Erdogan und seine AKP dazu auffordern, sich wieder an den Verhandlungstisch bezüglich der kurdischen Frage zu setzen.

Es stehen Neuwahlen im Raum. Was halten Sie davon?

Uns bleibt nichts anderes übrig, als dabei erneut erfolgreich zu sein. Um uns bei den möglichen Neuwahlen unter die 10-Prozent-Hürde zu drücken, hat die türkische Regierung einen Krieg begonnen. Wir wollten nicht, dass es so kommt, wie es derzeit ist. Aber in der Türkei gestaltet sich der Übergang zur Demokratie als sehr schwierig. Wir werden als unabhängige demokratische Partei bei möglichen Neuwahlen an unseren Zielen festhalten und werden versuchen, sie weiter voranzubringen.

Figen Yüksekdag (Jahrgang 1971) ist Abgeordnete des türkischen Parlaments und Ko-Vorsitzende der pro-kurdischen Partei HDP.

Das Interview führte Daniel Heinrich.