Wüstenbildung verschärft Konflikte im Sudan
3. Mai 2006Fatma Bashir steht am Dorfbrunnen und runzelt die Stirn. "Wir haben keine Zukunft", sagt sie, "die Kinder, meine Enkel, was sollen sie denn tun? Es gibt doch keine Arbeit hier." Fatma Bashir hat schon viel gesehen. Sie ist 80 Jahre alt. Doch Ratschläge kann sie keine geben. "Hier gibt es nichts mehr", erklärt sie. "Die Dünen kommen immer näher. Jedes Jahr müssen wir deshalb mit unseren Hütten umziehen. Es gibt hier keinen Baum mehr, keinen Strauch, der sie aufhalten kann. Die haben wir alle abgeholzt. Damals, vor gut zehn Jahren, während der großen Dürre. Wir hatten ja nichts anderes mehr." Dann zeigt Fatma Bashir um sich. Überall ist Sand, den ihr der Wind unablässig ins Gesicht weht.
Wo neue Wüsten entstehen
Mohammed Mahmoud steht daneben und nickt. Seit fast 20 Jahren arbeitet er für die Organisation SOS Sahel im Sudan. Zusammen mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP versucht er, die Wüstenbildung aufzuhalten. Doch oft, sagt Mohammed Mahmoud, stoße er dabei an seine Grenzen. "Hier bilden sich Wüsten in Regionen, wo es noch nicht einmal Sand gibt. Andernorts breitet sich die Sahara weiter aus. Die Dünen wandern. Hier in Nordkordofan passiert beides gleichzeitig."
Fragile Ökologie, instabile Ökonomie
Deshalb fährt Mohammed Mahmoud durch das Land und zeigt den Menschen, was sie selbst tun können. Einige bauen Wasserbecken, um das Regenwasser aufzufangen. Andere pflanzen Sträucher als natürliche Barrieren gegen den Sand. Wieder andere kochen auf Tonöfen, um weniger Holzkohle zu verbrauchen. Das alles macht den Menschen das Überleben etwas leichter, sagt Mohammed Mahmoud, aber das Problem ist damit noch lange nicht gelöst. "Das Ökosystem ist zu fragil, es kann keine Schocks wie zu wenig Regen aushalten."
Fati el Nema Isa ist einer der Bauern, der jedes Jahr von neuem auf Regen wartet, oft vergebens. Vieles hat er schon ausprobiert. Er habe Gummibäume gepflanzt - die Gum Arabica Bäume. Nordkordofan ist berühmt dafür. Es gibt große Plantagen davon, denn die Bäume liefern Rohstoffe zum Beispiel für die Pharmaindustrie. Doch Fati el Nema Isa hatte kein Glück. Als er ernten wollte, sind die Preise gefallen. Die Arbeit hat sich nicht mehr gelohnt. Also hat der Bauer seine Bäume wieder gefällt und Sesam gepflanzt. Doch auch das ging schief. Auch da sind die Preise gefallen.
Die Jungen fliehen aus der Heimat
Jetzt sitzt Fati el Nema Isa auf seinem trockenen Land und schaut zu, wie die jungen Dorfbewohner ihre Heimat verlassen. Einige alte Männer klagen deshalb. Rabeh ist einer von ihnen. "Die jungen Leute gehen alle weg. Sie gehen in die Regionen, wo Öl gefördert wird. Nach Omdurman zum Beispiel. Oder sie gehen nach Khartum, um Arbeit zu suchen. Keiner will hier bleiben. In unserem Dorf leben nur noch Alte und Kinder." Deshalb sitzt Rabeh alleine vor seiner Hütte und wartet auf Regen - und auf Hilfe von der Regierung.
Tödlicher Kreislauf: Konflikte, Kriege, Ressourcenvernichtung
1994 hat die Regierung in Khartum das Protokoll der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung unterschrieben. Zwei Jahre später schon trat es in Kraft. Doch viel merkt Mohammed Mahmoud davon nicht. Die Regierung, so der Leiter des Sudan-Büros der Organisation SOS Sahel, behandele das Thema nicht mit oberster Priorität. Stattdessen versuche sie, die vielen Konflikte, die es im Sudan gebe, unter Kontrolle zu bringen. Den mehr als 20 Jahre lang andauernden Bürgerkrieg im Süden habe sie jetzt beigelegt. Im Januar 2005 haben die Rebellen im Süden und das Regime im Norden einen Friedensvertrag unterzeichnet.
In anderen Regionen sieht es anders aus: Im Osten des Landes wird immer wieder von gewaltsamen Aufständen berichtet. Und im Westen herrscht nach wie vor ein erbitterter Krieg. Doch anstatt sich um die Ursachen zu kümmern, klagt Mohammed Mahmoud, schauten die Politiker nur auf das Ergebnis, den Krieg. "Der Konflikt in Darfur ist eigentlich ein Streit um knappe Ressourcen zwischen Viehhirten und Ackerbauern."
Ein Vertrag macht noch keinen Frieden
Auch im Süden gibt es diesen Konflikt: Auf der Suche nach guten Weidegründen, laufen die Rinder der Nomaden über die Felder der Bauern. Das sorgt für Streit. Die Beobachter der Vereinten Nationen, die gekommen sind um darüber zu wachen, dass die Vereinbarungen aus dem Friedensvertrag auch eingehalten werden, sehen darin eine der größten Gefahren. Zehntausende Vertriebene machen sich inzwischen auf den Rückweg in ihre Heimat. Die Dinka aus Bor, einer kleinen Stadt im Südsudan, direkt am Nil, sind Beispiel dafür. Martha Iar Deng ist eine dieser Vertriebenen. Im neunten Monat schwanger ist sie mit ihren fünf Kindern und einem Bündel auf dem Kopf mehr als 200 Kilometer Richtung Heimat gewandert.
Nun sitzt sie in einem Auffanglager der Vereinten Nationen und weint um ihre toten Rinder. Sie wurden dahingerafft von Krankheiten oder Hunger, viele wurden auf dem Rückweg von Bauern der umliegenden Dörfer getötet oder geklaut. Solche Berichte von gewaltsamen Zusammenstößen gibt es immer wieder. An Waffen mangelt es schließlich nicht. Den UN Mitarbeitern jedenfalls ist klar: Ein Friedensvertrag alleine macht noch keinen Frieden. Solange die Ressourcen knapp sind im Sudan, wird es auch Konflikte geben.
Bevölkerungswachstum verschärft die Notlage
"Wenn zu viele Menschen von den Ressourcen hier leben müssen", erklärt Mohammed Mahmoud, "dann gibt es Probleme." Ohnehin habe sich die Lage in den vergangenen Jahren verschlimmert. Es regnet weniger. Vor allem aber ist das Bevölkerungswachstum zu groß. "Früher lebten im Sudan rund 15 Millionen Menschen. Jetzt sind es mehr als 35 Millionen. Das bedeutet auch, dass es mehr Tiere gibt: Rinder, Kamele, Ziegen, Schafe - der Bedarf an Weide- und Farmland wächst, mehr Menschen brauchen auch mehr Energie, vor allem Brennholz. Und mehr Menschen brauchen auch mehr Wasser."
Das ist eine von Fatma Bashirs größten Sorgen: Das Wasser. Der Brunnen in ihrem Dorf ist nicht tief genug. Bevor die Regenzeit beginnt, wird er austrocknen. Auch deshalb seufzt die alte Frau: "Wir haben keine Zukunft", sagt sie immer wieder und einer ihrer Söhne ergänzt: "Wir haben aufgegeben. Wir beten zu Gott. Aber sonst haben wir keine Hoffnung mehr."