Fremdes Aussehen verstärkt Diskriminierung
16. Januar 2018Wer eine dunkle Hautfarbe hat, ein Kopftuch trägt, als nichtdeutsch geltende Gesichtszüge hat oder mit deutlichem Akzent spricht, fühle sich in der Bundesrepublik häufiger und stärker diskriminiert als andere Menschen mit Migrationshintergrund. Das geht aus einer vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in Berlin vorgestellten repräsentativen Erhebung hervor.
"Wo kommst du eigentlich her?"
Die von den Betroffenen empfundene Diskriminierung reicht von Gewalt, beleidigenden Äußerungen, Benachteiligungen bei der Job- und Wohnungssuche bis hin zu Handlungen, die vom Gegenüber vielleicht gar nicht unbedingt negativ gemeint sind. Dazu zähle aus Sicht vieler Zuwanderer die oft ohne böse Absicht gestellte Frage, "Wo kommst Du denn eigentlich her?" oder "Wie lange bist du denn schon in Deutschland?", berichteten die SVR-Autoren.
"Sichtbarer Migrationshintergrund"
Laut ihren Erhebungen fühlen sich rund 17 Prozent der Zugewanderten, die nach eigenen Angaben "typisch deutsch" aussehen, benachteiligt. Dagegen hätten Menschen "mit sichtbarem Migrationshintergrund" zu rund 48 Prozent von Diskriminierung berichtetet. Dieser Wert sei sogar auf 59 Prozent bei jenen gestiegen, die zusätzlich mit Akzent sprechen.
Vor allem Türken fühlen Ungleichbehandlung
Mit Abstand am häufigsten würden Menschen mit türkischen Wurzeln Diskriminierungen wahrnehmen, hieß es weiter. Von den Befragten, die entweder selbst oder deren Eltern aus der Türkei nach Deutschland eingewandert sind, hätten rund 54 Prozent von Benachteiligungserfahrungen berichtet. Weiter fühlten sich 8 Prozent sogar sehr stark und rund 15 Prozent stark benachteiligt.
In den übrigen Herkunftsgruppen sei der Anteil derer, die von erlebter Diskriminierung berichten, deutlich niedriger: Rund 40 Prozent seien nach eigener Wahrnehmung in den vorangegangenen Jahren aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert worden.
Besonders Muslime sehen sich im Nachteil
Einen großen Effekt habe auch die Religionszugehörigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund gehabt, betonten die Studienautoren weiter. So fühlten sich Zugewanderte muslimischen Glaubens deutlich häufiger diskriminiert (55 Prozent) als Zugewanderte mit christlicher (29 Prozent) oder ohne Glaubenszugehörigkeit (32 Prozent).
Wenn Menschen, die äußerlich von der Mehrheitsgesellschaft abweichen, stets mit einer Migrationserfahrung assoziiert würden, werde damit auch ihre Zugehörigkeit in Deutschland infrage gestellt, warnten die Wissenschaftler. Das könne die Identifikation mit der Gesellschaft behindern. Die Autoren betonten, dass der Abbau dieser Mechanismen eine entscheidende Herausforderung für die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts sei.
Einblick in Konflikte
Der vollständige Titel der Studie lautet: "Wo kommen Sie eigentlich ursprünglich her? Diskriminierungserfahrungen und phänotypische Differenz in Deutschland". Ihr Autor, Alex Wittlif, legt Wert auf die Feststellung, dass das subjektive Erleben der Befragten natürlich nicht immer mit objektiver Diskriminierung gleichgesetzt werden könne. Die nun vorgelegte repräsentative Untersuchung könne aber doch wichtige Einblicke in die Situation der ausländischen oder ausländischstämmigen Bevölkerung und gesellschaftliche Konfliktherde geben
Die von der Stiftung Mercator geförderte Analyse ist die erste dieser Art in Deutschland. Als Datengrundlage diente das SVR-Integrationsbarometer 2016, für das insgesamt 5396 Personen zu verschiedenen integrationsrelevanten Themen befragt wurden. Für die neue Studie wurden die Antworten der Teilnehmer mit Migrationshintergrund ausgewertet.
SC/stu (epd, dpa, KNA)