Biermann nennt Linke "Drachenbrut"
7. November 2014Die Mauer ist weg: Ein einfacher Satz und doch nicht so einfach, wie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zum Auftakt der Gedenkstunde im deutschen Parlament konstatierte. Für ihn ist die Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 der prominenteste Tag deutscher Geschichte. Mit dem Datum sei neben der Erinnerung an die friedliche Revolution das Gedenken an die Reichspogromnacht von 1938 verbunden, machte Lammert deutlich.
Lammert erinnert an Maueropfer
Gleichzeitig erinnerte er an die Todesopfer an der innerdeutschen Grenze. Noch 1989 seien drei Menschen beim Versuch, die DDR zu verlassen, erschossen worden. Lammert wies darauf hin, bereits bis zum Mauerbau 1961 hätten 3,1 Millionen Menschen die DDR verlassen.
Er würdigte die zahlreichen Bürgerrechtsbewegungen, die sich im Sommer 1989 bildeten und unter anderem mit Massendemonstrationen und der Parole" Wir bleiben hier" Druck auf die DDR-Führung ausübten. Ohne diese hätte es den 9. November 1989 nicht gegeben. "Ein Wunder war der Mauerfall aber nicht, sondern die Folge einer nicht nur in der deutschen Geschichte beispiellosen friedlichen Revolution."
Biermann - der Drachentöter
Der Liedermacher Wolf Biermann griff zum Auftakt seines Auftritts vor dem Parlament die Linkspartei scharf an. Die Abgeordneten der Linken seien "der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden wurde", sagte Biermann. Er sei von dem "Ironiker" Lammert eingeladen worden, um der Linken ein paar Ohrfeigen zu verpassen. "Aber das kann ich nicht, ich war ja Drachentöter. (...) Ein Drachentöter kann nicht mit großer Gebärde die Reste der Drachenbrut tapfer niederschlagen."
Lammert sagte zu Biermanns Auftritt mit einem Hinweis auf die Geschäftsordnung: "Sobald Sie für den Bundestag kandidieren und gewählt werden, dürfen Sie hier auch reden. Heute sind Sie zum Singen eingeladen." Worauf Biermann erwiderte: "Das Reden habe ich mir in der DDR nicht abgewöhnt und werde das hier schon gar nicht tun." Dann trug er sein Lied "Ermutigung" vor, das vor allem bei den Oppositionellen in der DDR populär war.
Der heute 77-jährige Biermann war 1976 nach einem Konzert in Köln wegen systemkritischer Gedichte und Lieder aus der DDR ausgebürgert worden. Nach der Wende attackierte er die Partei Die Linke immer wieder heftig, die aus der Sozialistischen Einheitspartei (SED) der DDR hervorgegangen war. So bezeichnete er sie als seine "treuen, alten Todfeinde" und als "verkommenes Pack".
Linkspartei beschwert sich
Schon im Vorfeld des Auftritts des deutschen Liedermachers hatte es mit der Linksfraktion einen Disput gegeben. Die Parlamentarische Geschäftsführerin Petra Sitte beschwerte sich bei "Spiegel Online" darüber, nicht in die Entscheidung über einen Auftritt von Biermann eingebunden worden zu sein. Sie wies zugleich Spekulationen zurück, dass Abgeordnete der Linken den Auftritt des DDR-Kritikers Biermann stören könnten.
Der niedersächsische Linken-Abgeordnete Dieter Dehm spottete in einem offenen Brief an Biermann, er freue sich auf die "heldenhaften Enthüllungen" des Liedermachers. Dehm war nach der Ausbürgerung Biermanns dessen Manager. Später überwarfen sich die beiden. Biermann bezichtigte Dehm der Stasi-Mitarbeit. In seinem Schreiben wehrte sich der Linke-Abgeordnete jetzt nochmals gegen den Vorwurf.
se/SC (phoenix)