Wohin mit den ganzen E-Autos?
22. April 2024Autos sind eine besondere Ware: Auf der einen Seite sind sie handlicher als etwa Bohrinseln, denn die werden einzeln und "im Stück" ausgeliefert: Andererseits sind sie wieder so groß, dass man sie nicht einfach in ein Regal legen kann. Jedes Auto nimmt eben bis zu zehn Quadratmeter Platz ein, auch wenn es nicht genutzt wird.
Das bereitet den Häfen, in denen Schiffe für den Autotransport be- und entladen werden, Probleme. In Deutschland betrifft das vor allem zwei Städte: Emden und Bremerhaven. Das Autoterminal Bremerhaven gehört zu den größten Autohäfen der Welt. Die dortige BLG Logistics Group teilte der DW mit, sie verlade mehr als 1,7 Millionen Fahrzeuge pro Jahr.
Unternehmenssprecherin Julia Wagner präzisierte, dass der Hafen Platz für ca. 70.000 Fahrzeuge biete: "Alle namhaften Autoreeder bedienen Bremerhaven regelmäßig und jedes Jahr laufen mehr als 1000 CarCarrier das Terminal an." Und dabei stelle die BLG fest, dass "sich der Umschlag von Pkw in den vergangenen Jahren verändert" habe: "Wir hatten lange Zeit 80 Prozent Export und 20 Prozent Import. Dieses Verhältnis liegt mittlerweile bei 50:50."
Das Problem liegt beim Landtransport
Doppelt so viele Autos wie in Bremerhaven werden im belgischen Zeebrügge, dem Hafen der mittelalterlichen Stadt Brügge, verladen. Auch dort sind derzeit viele Autos geparkt, die angelandet, aber noch nicht weitertransportiert wurden. Elke Verbeelen von der Kommunikationsabteilung der Häfen Antwerpen/Brügge bestätigt das der DW: "Das geschieht in allen europäischen Häfen, die große Mengen von Autos verschiffen."
Die verlängerte Verweildauer hängt aber nicht nur an der schieren Menge importierter Wagen: "Das Problem liegt weniger in der Zahl der angelandeten Autos, sondern eher darin, dass sie nicht zügig abtransportiert werden."
Noch reichen die Kapazitäten der großen Terminals aus, um die Autos parken zu können. Julia Wagner aus Bremerhaven betont ausdrücklich: "Eine 'Verstopfung' des Terminals, wie in einigen Medien über die Lage in europäischen Häfen berichtet wurde, stellen wir aktuell nicht fest." Auch aus Antwerpen/Brügge und anderen europäischen Häfen wird derzeit kein akuter Parkplatzmangel gemeldet.
Wo kommen sie her, wo gehen sie hin?
Das Verschiffen von Autos ist entgegen dem ersten Augenschein ein eher undurchsichtiges Geschäft, denn es ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen, wo ein Auto gebaut und dann verkauft wird. Westliche Hersteller wie Tesla lassen mitunter in China produzieren und bringen ihre Fahrzeuge dann nach Europa. Gleichzeitig produzieren viele Autobauer ihre Fahrzeuge für asiatische Märkte oder für das US-Geschäft jeweils an Ort und Stelle - unter anderem, um Zölle zu vermeiden.
Außerdem gibt es einen Transportweg, den Hafenbetreiber gar nicht einsehen können, so die Häfen Antwerpen/Brügge: "Wir wissen gar nicht, wie viele Autos in Containern verschifft werden." Diese Art des Transports wird oft von Privatleuten oder Händlern, die nur wenige Fahrzeuge expedieren, genutzt. Da diese Autos den ganzen Transportweg über "eingepackt" sind, nehmen sie aber auch keinen Parkplatz in Anspruch.
Veränderte Gewohnheiten
Auf jeden Fall lohne ein genauerer Blick auf Produktion, Distribution und Verkauf von Automobilen, meint Elke Verbeelen. Dabei habe sich in den vergangenen Jahren einiges verschoben. So bleibe das Autoaufkommen in den Häfen hoch oder stiege sogar, weil sich die Kaufgewohnheiten geändert haben. So gebe es etwa neue Geschäftsmodelle bei manchen Marken, wie den "Direktverkauf an die Kunden. Da bleibt das Auto so lange im Hafen und kommt nicht erst in den Showroom des Händlers."
Auch konjunkturelle Gründe führten zur hohen Auslastung der Hafen-Parkplätze. Das liege an den derzeit "relativ geringen Autoverkäufen." Eine Beobachtung, die auch Julia Wagner macht: "Die Standzeiten der Pkw aller Hersteller auf dem Terminal haben sich mit dem Wegfall der staatlichen Förderung der E-Mobilität verlängert, da sich die Verkaufszahlen der E-Autos in Deutschland verringert haben."
Hinzu komme, so Verbeelen, dass der Autoumsatz insgesamt gestiegen sei. Zwar sei das Niveau der Jahre vor der Corona-Pandemie noch nicht wieder erreicht, doch werde merklich mehr ein- und ausgeführt als "im Vergleich zu 2020-2021". Und auch der Fachkräftemangel im Speditionsgewerbe mache sich bemerkbar: Es sei "eine geringere Kapazität an Straßentransporten von Autos wegen eines Mangels an Lkw-Fahrern" zu beobachten. Das alles führe zu einer "längeren Verweildauer der Autos in den Häfen".
Neue Wege in Emden
Die Volkswagen AG im norddeutschen Emden und das Autoterminal im Hafen der Stadt wollen in Zukunft auf anderem Wege die Verweildauer von Autos in Häfen reduzieren. Das Be- und Entladen der Schiffe soll beschleunigt und dabei auch noch Personal eingespart werden. Einzelheiten dazu berichtete die Ostfriesen-Zeitung am 17. April.
Mit einem vom Bundesverkehrsministerium mit 3,2 Millionen Euro geförderten Testprojekt soll ausprobiert werden, ob autonom fahrende VW-Fahrzeuge sich ohne Fahrer selbständig ver- und entladen können. Die Versuche sollen 2026 beendet werden.
Das Projekt AutoLog soll dazu führen, bis zu 2000 Jobs in Emden einsparen zu können. Laut Ostfriesen-Zeitung sei bei Erfolg auch eine Übertragung auf die "gesamte Distributionskette vom Automobilbauer zum Händler" denkbar. Dann wären an Europas Häfen viele Parkplätze dauerhaft frei.