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Wo Olympia-Träume erlöschen

22. März 2020

Sie hatten sich so gefreut: die Athleten, aber auch die Menschen in Japan. Doch dass in dem Land jetzt die Olympische Flamme herumgereicht wird, wirkt angesichts der Coronakrise wie der Versuch, ein Virus wegzupusten.

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Japan Tokio Bahnhof Sendai Olympische Flamme
In einer Bahnhofstation in Japan wurde jetzt die Olympische Flamme entzündetBild: AFP/P. Fong

Eine Szene am Bahnhof Sendai in der japanischen Präfektur Miyagi: Mehr als 50.000 Menschen strömen zusammen, viele tragen Atemschutzmasken oder Mundschutz. Nein, hier gibt es keinen Impfstoff gegen das Virus, das weltweit Leben bedroht. Auch kein anderes Allheilmittel. Gezeigt wird: das Olympische Feuer, eine Flamme in einer Art goldenem Kessel. Medienberichten zufolge war die Warteschlange zeitweise 500 Meter lang.

Am Donnerstagabend war der mehrmonatige Fackellauf durch Japan gestartet, nachdem die Flamme aus Griechenland eingetroffen war. Geplant ist, das Olympische Feuer durch alle japanischen Präfekturen zu tragen. Ausgangspunkt: Fukushima. Immerhin sollen wegen Corona die Empfangszeremonien in den einzelnen Orten unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

IOC und WHO Seite an Seite

Die Olympischen Spiele in Tokio vom 24. Juli bis 9. August sind eines der wenigen sportlichen Großereignisse in diesem Jahr, die nach dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie noch nicht abgesagt wurden. Er werde sich an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) halten, hatte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, im ARD-Fernsehen erklärt. Eine interessante Koalition – war es doch auch die WHO, die lange nicht von einer Pandemie sprechen wollte, als andere Fachleute die Pandemie längst bekämpften.

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Zahlreiche Japaner pilgern zum Olympischen Feuer im Bahnhof Sendai in der Präfektur MiyagiBild: Reuters/Kyodo

Und auch wenn die Regierung in Japan offiziell an den Plänen festhalten möchte – die Position wird immer unhaltbarer in einer Zeit, in der in anderen Metropolen wie New York, London oder Paris die Straßen menschenleer sind. Und so prüfen die Organisatoren der Wettkämpfe in Tokio - Insidern zufolge - verschiedene Szenarien für eine Verschiebung der Großveranstaltung. "Wir machen Alternativpläne - Plan B, C, D - mit verschiedenen Zeitrahmen für eine Verschiebung", sagte eine dem Organisationskomitee nahestehende Person. Offiziell dazu: kein Sterbenswörtchen.

„Ich hätte heulen können"

Die Funktionäre sollten sich einmal mehr mehr mit den Sportlern unterhalten. Eine kritische Stimme ist in Deutschland wieder einmal der Säbelfechter und Aktivist Max Hartung, der Vorsitzende des Vereins Athleten Deutschland. Man solle "diese Hängepartie beenden", sagte Hartung im ZDF-"Sportstudio" – und schloss zugleich für sich einen Start in Tokio in diesem Sommer aus. Ihm "breche es das Herz", sagte Hartung, der sich derzeit in freiwilliger Quarantäne befindet. "Ich hätte heulen können."

Das IOC solle die Sportler einbeziehen, fügte Hartung hinzu – und teilte nach einer Konsultation mit 200 Athleten durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) mit, dass die Athleten nun abstimmen könnten, ob sie für eine Verschiebung oder Beibehaltung des Olympia-Termins seien.

Wie Hartung legten sich auch Spitzenradfahrer Maximilian Schachmann, Boxerin Nadine Apetz und der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Jürgen Kessing, fest – und sprachen sich für eine Olympia-Verlegung aus.

Kaum noch Training möglich

Gerade in den Mannschaftssportarten ist gemeinsames Training wegen der Ansteckungsgefahr aktuell kaum möglich. Einige Athleten befinden sich sogar in Quarantäne, darunter mehrere deutsche Handball-Nationalspieler. Auch die Einzelsportler, vor allem in Westeuropa und den USA, sind beim Training stark eingeschränkt. Sporthallen und Schwimmbäder sind mitunter geschlossen, es gibt in vielen Ländern Ausgangssperren. Und außerdem: In vielen Ländern herrscht ein Einreisestopp. Die Welt-Anti-Doping-Agentur kann kaum mehr für regelmäßige Doping-Kontrollen sorgen. Was ist etwa mit Russland, das in der Vergangenheit schon in zahlreiche Sskandale verstrickt war und seine Grenzen für Ausländer dicht gemacht hat? Oder China, das bei einer Einreise eine 14-tägige Quarantäne vorsieht?

Auf der anderen Seite

Olympische Spiele wären nicht so einfach um ein Jahr zu verschieben wie eine Fußball-EM. Viele Welt- und Europameisterschaften, ganz zu schweigen von Weltcups oder sonstigen Qualifikationsturnieren, sind auf den olympischen Zeitplan abgestimmt. Außerdem: Olympia setzt immer schon auf die Kraft der Symbole, nicht nur die der Ringe. Olympische Spiele nach Überstehen der Pandemie könnten auch ein Zeichen des Aufbruchs sein.  "Stellen Sie sich vor, was das für ein positives Zeichen für die Welt wäre, wenn es uns gelingt, die Olympischen Spiele als erste Veranstaltung nach dieser weltweiten Krise stattfinden zu lassen", sagte etwa Kanu-Verbandschef Thomas Konietzko der Zeitung "Neues Deutschland".

Doch über allem steht im Moment dies: Bei den Spielen kämen rund 11.000 Athleten und Tausende Fans, Betreuer und Journalisten aus der ganzen Welt zusammen - viele von ihnen im olympischen Dorf. Es drohen neue Infektionen und womöglich neue Ansteckungswellen bei der Rückkehr aus Tokio. "Es gibt für Viren quasi kein tolleres Fest als so eine Veranstaltung", sagte Virologe Alexander Kekulé in der ARD-"Sportschau".

ml/kle (SID, afp, dpa)