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Politik

Putin kanzelt den Westen ab

17. Dezember 2020

"Aus dem Ausland kommt nie etwas Gutes", sagt der russische Präsident. Die traditionelle Pressekonferenz am Jahresende gerät zum Rundumschlag - stundenlang.

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Russlands Präsident Wladimir Putin auf einer Videoleinwand während der Pressekonferenz zum Jahresende
"Unsere Dienste hätten es zu Ende gebracht": Putin über NawalnyBild: Grigory Sysoev/Sputnik/dpa/picture alliance

Kreml-Chef Wladimir Putin hat erneut bestritten, dass russische Geheimdienste am Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny beteiligt waren. Wären diese involviert gewesen, "hätten sie es zu Ende gebracht", sagte Putin bei seiner traditionellen Pressekonferenz im Dezember. Nawalny werde von US-Geheimdiensten unterstützt. Wenn er Zugriff auf sensibles Material habe, müsse er auch von russischen Diensten beobachtet werden. "Aber das bedeutet keineswegs, dass er vergiftet werden muss", sagte Putin.

Der Präsident bezog sich auf Berichte, wonach ein Killerkommando des Inlandsgeheimdienstes FSB mit Spezialisten für Nervenkampfstoffe auf den prominenten Kreml-Kritiker angesetzt war. Die Recherchen mehrerer Medien, darunter CNN und der "Spiegel", seien keine Enthüllungen, sondern lediglich eine Bestätigung der von US-Geheimdiensten bereitgestellten Informationen. Putin vermied es - wie in der Vergangenheit -, Nawalnys Namen zu nennen und bezeichnete ihn als "Patienten der Berliner Klinik". Nawalny war nach dem Giftanschlag in Deutschland behandelt worden und befindet sich immer noch hier.

"Vergiftet", steht auf einem Protestplakat mit dem Bild Alexej Nawalnys vor der russischen Botschaft in Berlin
Propagandaschlacht nach dem Attentat: Protestplakat vor der russischen Botschaft in Berlin im SeptemberBild: Odd Andersen/AFP/Getty Images

Nach Befunden dreier europäischer Labors und der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) kam der Oppositionelle im August mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe in Kontakt. Er wäre beinahe an den Folgen der Vergiftung gestorben.

"Was wir sehen, ist eine Einmischung"

In der Pressekonferenz zum Jahresende berührt der russische Staatschef stets zahlreiche Themen. Diesmal zog sich nicht nur durch die Statements zum Fall Nawalny ein antiwestlicher Tonfall. Auch in dem seit Monaten andauernden Machtkampf in Belarus erhob der Kremlchef entsprechende Vorwürfe. "Aus dem Ausland kommt nie etwas Gutes", sagte Putin. "Was wir jetzt sehen, ist eine Einmischung." Die Opposition werde politisch und finanziell unterstützt. "Es ist notwendig, dem belarussischen Volk die Möglichkeit zu geben, seine Probleme selbst zu lösen."

Sicherheitskräfte schleifen bei einer Festnahme in der belarussischen Hauptstadt Minsk im September eine Person über den Boden
Polizeigewalt gegen Demonstranten: Festnahme in der belarussischen Hauptstadt Minsk im SeptemberBild: TUT.BY/AFP/Getty Images

Russland stört sich unter anderem an zunehmenden Sanktionen der EU gegen die politische Führung in Belarus. Hintergrund ist die Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten. Die Teilnehmer der Proteste fordern seit der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl im August den Rücktritt von Staatschef Alexander Lukaschenko. Dem Machthaber, der seine sechste Amtszeit antrat, hatte Putin versprochen, er werde auf Wunsch Truppen des russischen Innenministeriums ins Nachbarland schicken.

"Wir weiten unsere Unterstützung im Donbass aus"

Auch den Separatisten in der Ostukraine stärkt Moskau den Rücken. "Wir haben den Donbass unterstützt und werden unsere Unterstützung sogar ausweiten." Das betreffe die Industrie, die Infrastruktur und die Lösung sozialer Fragen. Putin machte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj persönlich für mangelnde Fortschritte in dem Konflikt verantwortlich. Selenskyj habe versprochen, das Problem zu lösen, sei dann aber unter den Einfluss "extrem nationalistischer Kräfte" geraten. Er warnte Kiew davor, den im Minsker Abkommen von 2015 enthaltenen Friedensplan einseitig zu ändern. Seit 2014 werden Teile der Ostukraine von prorussischen Aufständischen kontrolliert. Die Regierung der Ukraine beschuldigt Moskau, die Separatisten auch mit Waffen und Militärs zu unterstützen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden bei den Kämpfen mehr als 13.000 Menschen getötet.

Ukrainische Soldaten gedenken an einer Gedenkstätte in Kiew der Kriegsgefallenen im Osten des Landes
Geschätzte 13.000 Tote: Ukrainische Soldaten gedenken in Kiew der Kriegsgefallenen im Osten des Landes (Archivbild)Bild: Maxym Marusenko/NurPhoto/picture alliance

Im Verhältnis zu den USA hofft der russische Präsident nach eigenen Worten auf Verbesserungen nach dem Amtsantritt seines gewählten Amtskollegen Joe Biden. Dieser sei sowohl innen- wie auch außenpolitisch erfahren, und er rechne damit, dass sich ein Teil der aufgetretenen Probleme unter der neuen Regierung lösen werde, sagte Putin. Als einer der letzten Staatschefs weltweit hatte er Biden am Dienstag zu seinem Sieg gratuliert.

"Ich habe die Erlaubnis des Volkes"

Berichte, wonach Russland die US-Präsidentenwahl 2016 beeinflusst habe, wies Putin erneut zurück. Er erwarte jedoch eine Einmischung aus dem Ausland bei den russischen Parlamentswahlen im kommenden Jahr. Ob er selbst bei der Wahl des Kreml-Chefs drei Jahre später noch einmal antreten wird, ließ der 68-Jährige offen. "Aber formal habe ich die Erlaubnis des Volkes." Anfang Juli hatte Putin per Volksabstimmung eine Verfassungsänderung bestätigen lassen, die es ihm ermöglicht, 2024 für eine fünfte und 2030 für eine sechste Amtszeit zu kandidieren.

Produktion des russischen Corona-Impfstoffs "Sputnik  in einer Fertigungsanlage in Strelna nahe Sankt Petersburg
Nicht für Menschen über 60 Jahre: Produktion des russischen Corona-Impfstoffs "Sputnik V" (Archivbild)Bild: Olga Maltseva/AFP/Getty Images

Wegen der Corona-Pandemie ging Putins mehrstündige Fragerunde mit Vertretern nationaler und internationaler Medien erstmals nur im Videoformat über die Bühne. Der Präsident wurde aus seiner Vorstadtresidenz in Nowo-Ogarjowo zugeschaltet. Wegen der Pandemie nimmt er seit Monaten nur noch selten Außentermine wahr.

Mit Blick auf den russischen Impfstoff "Sputnik V" kündigte Putin an, er werde sich impfen lassen, sobald dies für seine Altersgruppe möglich sei. Die nationalen Behörden hatten das Vakzin schon im August zugelassen - ohne die nach geltenden Standards erforderliche letzte Testphase mit Zehntausenden Probanden abzuwarten, die derzeit läuft. Allerdings ist das international vermarktete Präparat nach offiziellen Angaben nicht für Menschen über 60 Jahre geeignet.

jj/sti (dpa, afp, rtr)