Wirtschaft contra Menschenrechte
17. April 2016Wie wichtig die Ägypter die Sicherheit nehmen, wird gleich zu Beginn der Visite des deutschen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel klar: Der Tross fährt zum Präsidentenpalast, der Vizekanzler aus Berlin trifft den ägyptischen Herrscher, Ex-General Abdel Fattah al-Sisi. Unklar ist bis zuletzt, ob die deutsche Presse dabei sein darf. Die Pressebusse werden mehrfach kontrolliert. Am Ende dürfen dann doch nur wenige Medienvertreter mit in den Saal, in dem al-Sisi mit Gabriel spricht - die Kameras dürfen ganze zwei Minuten aufnehmen.
Als die Kameras aus sind, bestätigen Experten der Bundesregierung: Sie sehen die politische Situation in Ägypten äußerst kritisch. Al-Sisi, seit zwei Jahren an der Macht, mauert sich ein. Das Regime unterdrückt Oppositionelle brutal, lässt Zehntausende Kritiker verhaften, teilweise foltern und in fragwürdigen Prozessen aburteilen.
Jüngst hat Italien seinen Botschafter aus Kairo zurückgerufen. Ein italienischer Doktorand war in Kairo bestialisch ermordet worden, er soll Kontakte zu kritischen Gewerkschaftern unterhalten haben. Sigmar Gabriel kennt den Fall. Aus seinem Umkreis ist zu hören, dass er ihn ansprechen will bei seinem Gespräch mit dem Präsidenten.
Umstrittener U-Boot-Deal
Vor seiner Abreise hat Gabriel in Berlin mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International gesprochen, um sich über die aktuelle Lage zu informieren. "Ich habe große Sorge über die verschlechterte Menschrechtslage in Ägypten. Und natürlich werde ich auch die mitreisenden Wirtschaftsvertreter ermutigen, das bei ihren Kontakten anzusprechen", so Gabriel nach dem Gespräch.
Aber in Ägypten macht er auch klar: Er ist Wirtschafts- und nicht Außenminister. 60 Unternehmensvertreter begleiten ihn auf seinem zweitätigen Trip an den Nil und beim Weiterflug nach Marokko. Anlagenbauer, Energieexperten, Rüstungsvertreter. Ja, auch die. Vier U-Boote hat Ägypten beim deutschen Rüstungskonzern Thyssen-Krupp bestellt. Kritik an diesem Geschäft weist Gabriel zurück. "Mit einem U-Boot können Sie schwer Menschenrechtsverletzungen organisieren." Also sei der Deal in Ordnung.
Die U-Boote könnten allerdings bei der Seeblockade des Jemens und der schiitischen Huthi-Rebellen helfen, bei der al-Sisi Saudi-Arabien unterstützt - wenn, wie geplant, zwei der vier U-Boote schon dieses Jahr ausgeliefert werden. Das brachte im Vorfeld die Linkspartei gegen Gabriels Reise auf: "Ich frage mich, ob Sigmar Gabriel immer noch kein Problem darin sieht, dem Al-Sisi-Regime das Werkzeug für die nächste Seeblockade zu liefern", kritisierte der Linken-Politiker Jan van Aken.
Ägypten als regionaler Partner
Die Position der Bundesregierung ist eine andere: Deutschland will Ägypten stabilisieren, betrachtet das Land als wichtigen Partner im Antiterrorkampf und als entscheidenden Player in der Region. Realpolitik also.
Die betreiben auch andere. Auch Frankreichs Präsident François Hollande wird an diesem Sonntag in Kairo erwartet. Überall in der Stadt hängen Willkommensplakate, die Hollande mit al-Sisi zeigen. "Er ist mit vier Flugzeugen gekommen, ich nur mit einem. Aber ich habe mehr Wirtschaftsvertreter dabei", scherzt Gabriel am Sonntagmorgen.
Seit dem Ende der Arabellion, seit al-Sisi sich im Juni 2014 an die Macht geputscht und die Regierung der Muslimbrüder gestürzt hat, ist Ägypten vor allem als Urlaubsland zurückgefallen. Dazu haben auch mehrere Terroranschläge beigetragen. Um den Fremdenverkehr anzukurbeln, besucht Gabriel deshalb am Sonntagabend die Pyramiden von Gizeh. Und da dürfen die Kameras dann auch länger als zwei Minuten laufen.