Wird Iran aus Syrien herausgedrängt?
7. September 2018In Syrien steht die möglicherweise entscheidende letzte Offensive der Truppen Assads (mit Unterstützung seiner Verbündeten Russland und Iran) gegen seine Gegner bevor. Die letzte verbliebene Rebellenhochburg, die Provinz Idlib im Nordwesten an der Grenze zur Türkei, erwartet einen massiven Angriff der Regimetruppen. Washington hat Assad bereits vor dem erneuten Einsatz von Chemiewaffen gewarnt. Aber auch ohne diese wird ein Blutbad befürchtet, weil die Rebellen keinen weiteren Rückzugsraum mehr haben. In der Provinz leben knapp drei Millionen Menschen.
Die Türkei als ebenfalls wichtiger ausländischer Beteiligter am Syrienkonflikt hat vor dem Angriff gewarnt, aus humanitären Erwägungen und eigenen Interessen. Zum einen unterstützt sie einige der Rebellengruppen, die nicht dem Dunstkreis von Al Kaida angehören. Zum anderen fürchtet sich die Türkei vor Flüchtlingsströmen auf ihr Gebiet. Und schließlich will sie ihren Einfluss im Norden Syriens dauerhaft festigen, so in der kurdischen Provinz Afrin, wo die Türkei militärische Posten errichtet hat.
Iran befürchtet Einflussverlust
Auch Assads Verbündeter Iran ist um seine Rolle in Syrien nach einem Fall Idlibs besorgt. Kurz vor dem nächsten iranisch-türkisch-russischen Gipfeltreffen am 7. September in Teheran hat der Iran hochrangige Regierungsvertreter zu Gesprächen nach Damaskus entsandt, zunächst Verteidigungsminister Amir Hatami (Artikelbild), am vergangenen Montag dann Außenminister Sarif. Hatami hat nach seiner eigenen Aussage in Damaskus ein Abkommen über militärische Zusammenarbeit geschlossen und erklärt, dass der Iran eine bleibende Präsenz und Beteiligung am Wiederaufbauprozess in Syrien anstrebe.
Diese Ziele seien aber unrealistisch, erläutert der freie Journalist und Nahost-Kenner Habib Husseinifard im Gespräch mit der DW. "Israel, Saudi-Arabien und die USA versuchen, den Iran mit allen Mitteln unter Druck zu setzen, damit er Syrien verlässt beziehungsweise seine Einflussnahme reduziert. Wenn Idlib erobert wird und Irans Anwesenheit nicht mehr relevant ist, dann werden sowohl Russland als auch Syrien neu über die Rolle Irans nachdenken."
Russland – noch – auf Iran angewiesen
Russland hat bislang gemeinsam mit dem Iran das Überleben Assads gewährleistet. Russland baut allerdings gleichzeitig seine Beziehungen zu Israel aus, welches wiederum darauf besteht, dass sich der Iran aus Syrien zurückzieht. Welche Position wird also Moskau gegenüber einer dauerhaften Präsenz des Iran in Syrien einnehmen?
Margarete Klein, Expertin für Russland und Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, erläutert gegenüber der DW: "Russland hat zwar ein Interesse daran, dass die Position des Iran in Syrien nicht stärker wird. Schließlich entwickeln sich Russland und der Iran zunehmend zu Konkurrenten um die Ausgestaltung der politischen, ökonomischen und militärischen Ordnung in Syrien. Zugleich kann Russland nur wenig Interesse daran haben, den Iran gänzlich aus Syrien als militärischen Akteur zu verdrängen. Denn Russlands Streitkräfte in Syrien, die primär aus der Luftwaffe und vereinzelten Bodentruppen wie Spezialkräften und Militärpolizei bestehen, sind auf die Unterstützung der iranischen und pro-iranischen Bodenkräfte angewiesen."
Zugleich habe Russland nur wenig Mittel, die iranischen und pro-iranischen Kräfte aktiv aus Syrien herauszudrängen oder den Iran in Gänze in der Region zu schwächen. "Moskaus Position im Nahen Osten beruht darauf, gute Beziehungen zu fast allen Akteuren zu pflegen", sagt die Expertin von SWP. Dementsprechend verfolge Moskau einen Mittelweg: "Es versucht, den Iran dazu zu bringen, sich aus der südlichen Grenzregion, die an Israel grenzt, herauszuhalten; parallel dazu toleriert es israelische Militärschläge gegen iranische Stellungen in Syrien."
Irans Position in Syrien geschwächt
Husseinifard ist der Meinung, dass das absehbare Ende des Krieges keinen großen Spielraum mehr für militärische Machtausübung durch den Irans übrig lässt und dass die Zeit der Generäle der Revolutionsgarden im syrischen Krieg zu Ende geht. Und Syrien seinerseits werde keinen Wiederaufbau beginnen können, solange es sich mit Amerika und Israel wegen des Iran auseinandersetzen muss: "Für Amerika und Israel ist der Rückzug des Iran aus Syrien eine wichtige Bedingung für finanzielle Hilfe, aber auch die Wiederherstellung der Souveränität des Landes. Dafür braucht Syrien viel mehr als 300 Milliarden, nach manchen Einschätzungen sogar bis 1000 Milliarden. Dies liegt außerhalb der iranischen und syrischen Macht. Damit der Westen bereit wäre, Syrien zu unterstützen und die Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen, müsste Syrien seine Politik gegenüber dem Iran ändern."
Die Türkei wiederum, den dritten Beteiligten bei den Gesprächen in Teheran am Freitag, ist die Kurdenfrage das Wichtigste. Sie wünscht sich eine Schwächung der Kurden in den syrischen Grenzgebieten und eine möglichst dauerhafte Präsenz in den von ihr kontrollierten Kurdengebieten. Sollten sich diese Vorstellungen der Türkei zumindest teilweise verwirklichen lassen, könnte sie sich nach Ansicht Husseinifards ebenfalls mit einer Schwächung der Rolle des Irans in Syrien anfreunden.