"Wir segnen homosexuelle Paare weiterhin"
16. März 2021Der Wormser Geistliche Tobias Schäfer, Propst am Dom der Kaiserstadt, zeigte sich auf Facebook "fassungslos" über die römische Vorgabe und nimmt in einem längeren Text dazu Stellung. "Wenn die Kirche keine Vollmacht hat zu segnen, wo immer Menschen sich nach Segen sehnen: hat sie da nicht ihre ureigenste Aufgabe aufgegeben? Segen ist doch kein Instrument für moralisches Urteil! Sondern die Zusage, dass Gott da ist, dass er mit uns geht. In guten wie in schweren Stunden", schreibt Schäfer. Den Segen Gottes dem zu spenden, der ihn brauche, erbitte und ersehne, "das kann und werde ich niemandem verweigern".
Im Gespräch mit der Deutschen Welle erläutert der Propst, er spüre, wie das Thema und die Stellungnahme aus Rom "die Menschen aufwühlt und interessiert". Die Frage bewege viele in den Gemeinden, werde aber innerhalb der Gemeinde nicht groß diskutiert. Nach seinem Facebook-Kommentar, so Schäfer, habe er eine Reihe von positiven Rückmeldungen erhalten. Aber sicher werde es auch kritische Bewertungen dazu geben. So wie Schäfer äußern sich in den sozialen Medien eine Reihe von Seelsorgern. Mal betont jemand seine Bereitschaft, auch fürderhin gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, mal bilanziert ein Ordensmann kurz und knapp: "Meine Meinung ist: Rom nicht ernst nehmen und in der Seelsorge weitermachen. Es gibt Wichtigeres als so dumme Papiere!"
"Nein"
Für den Furor hatte die knapp 500 Jahre junge Römische Glaubenskongregation mit einem so eindeutigen wie knappen "Nein" auf die Frage gesorgt, ob die Kirche die Vollmacht habe, "Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen". Dem einen einzigen Wort fügt die Kongregation eine "erläuternde Note" und einen "Kommentar" bei. Darin pocht sie beispielsweise auf die Vorgaben, "Männern und Frauen mit homosexuellen Tendenzen" mit "Achtung, Mitleid und Takt" zu begegnen und kommt bald auf die "göttliche Ordnung", nach der jede sexuelle Beziehung der göttlichen Schöpfungsordnung widerspreche, die nicht "an sich für die Lebensweitergabe offen ist".
Ausdrücklich ist vermerkt, dass Papst Franziskus das Nein und die Begründung "gutgeheißen" habe. Davon sind viele enttäuscht, die sich von der gelassenen grandezza des Papstes während seiner ersten Jahre mehr versprochen hatten. Im Sommer 2013 hatte er sich bei einer seiner "fliegenden Pressekonferenzen" gegen jede Verurteilung Homosexueller ausgesprochen und damit für weltweites Aufsehen gesorgt.
"Auseinandersetzung beenden"
Ansonsten sind die Reaktionen in Deutschland knapp zusammenzufassen: Einige wenige Bischöfe, denen jeder Kurs einer Öffnung eh zuwiderläuft, beklatschen mehr oder weniger deutlich das Wort aus Rom. Dagegen zeigte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, spürbar zurückhaltend. Er sei "nicht glücklich" über die deutliche römische Äußerung zum jetzigen Zeitpunkt. Das erwecke den Eindruck, "man wolle die in verschiedenen Teilen der Weltkirche, auch bei uns in Deutschland derzeit streitig geführte theologische Auseinandersetzung möglichst schnell beenden". Das sei aber gar nicht möglich.
Bätzing stellt ausdrücklich den Bezug zum sogenannten Synodalen Weg her, bei dem Bischöfe und Laien seit Anfang 2020 Reformfragen beraten und die Krisenhaftigkeit der katholischen Kirche erörtern. Vielen in Rom ist all das ein Dorn im Auge. Jedenfalls scheint der Präfekt der Glaubenskongregation, der Jesuit Kardinal Luis Ladaria, der vor rund 50 Jahren in Deutschland, in Sankt Georgen bei Frankfurt, studierte, kein so gutes Bild von der Kirche in Deutschland zu haben.
Straßen, Brücken, Gitter
Die meisten Theologinnen und Theologen schweigen vorerst. Vielleicht, weil die römische Theologie nun wieder auf den Stand der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zurückgefallen zu sein scheint. Andere äußern sich sanft sarkastisch. Und im Netz finden sich zuhauf Beispiele, was die katholische Geistlichkeit alles so segnet: Haustiere und Autos, Straßen, Wasserreinigungsanlagen und - im Sommer 2020 - "ein neues Gitter am Kölner Dom".
Aber nicht alle schweigen. Zwei Seelsorger starteten noch am Montag einen Aufruf. "Angesichts der Absage der Glaubenskongregation, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, erheben wir unsere Stimme und sagen: Wir werden Menschen, die sich auf eine verbindliche Partnerschaft einlassen, auch in Zukunft begleiten und ihre Beziehung segnen. Wir verweigern eine Segensfeier nicht…"
Bis Dienstagmorgen meldeten sich 120 unterzeichnende katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger, etwa die Hälfte Priester. Burkhard Hose, Hochschulpfarrer in Würzburg, zeigte sich gegenüber der Deutschen Welle "überwältigt vom Rücklauf". Ziel sei es nun, bis Palmsonntag Unterschriften zu sammeln und sie dann an Bätzing und die Vorsitzende des Synodal-Forums Sexualität und Partnerschaft beim "Synodalen Weg", Birgit Mock, weiterzuleiten.
"Geist vergangener Zeiten"
Und Protest kommt nicht nur aus Deutschland. In Österreich erklärte die "Pfarrer-Initiative", die rund 350 Mitglieder hat, einen "Aufruf zum Ungehorsam 2.0" mit der Ankündigung: "Wir segnen gleichgeschlechtliche Paare auch weiterhin." Das Dekret aus Rom, "das den Geist vergangen gehoffter Zeiten wiederzubeleben versucht", werde den Spalt zwischen römischer Bürokratie und gelebter Kirche vor Ort "noch weiter vergrößern". Geistliche, die im Rahmen einer privaten Feier gleichgeschlechtliche Paare segnen, findet man übrigens nicht nur in vielen deutschen und österreichischen Städten, sondern auch in Belgien, der Schweiz, einzelnen weiteren Ländern.
Dabei ist manchem, der sich jetzt zu Wort meldet, klar, dass das Wort aus Rom auch zur weiteren Abkehr gleichgeschlechtlicher Paare von ihrer Kirche führt.