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"Wir fangen nicht bei null an"

Das Gespräch führte Markus Roman6. Januar 2005

Immer wieder gefordert, jetzt auch beschlossen: ein Tsunami-Frühwarnsystem für den Indischen Ozean. DW-WORLD sprach mit Birger-Gottfried Lühr vom Geoforschungszentrum Potsdam über die mögliche Rolle seines Instituts.

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Im Pazifik gibt es bereits ein leistungsstarkes Tsunami-FrühwarnsystemBild: AP

DW-WORLD: Auf der Geberkonferenz für die Flutwellenopfer (6.1.2005) wurde ein Frühwarnsystem für die betroffene Region beschlossen. Wo lägen denn die genauen Aufgaben des Geoforschungszentrums Potsdam bei der Einrichtung eines Frühwarnsystems?

Birger-Gottfried Lühr: Unsere Kompetenz liegt in der seismischen Erfassung und auch in der schnellen Auswertung der registrierten Signale. Außerdem führen wir jetzt schon jedes Jahr einen seismologischen Trainingskurs durch. Der findet abwechselnd in Potsdam und in einem seismisch gefährdeten Land statt.

Ihre Arbeit würde also hauptsächlich darin bestehen, Erdbeben schnell zu erkennen. Nun muss aber doch nicht auf jedes Erdbeben ein Tsunami folgen?

See-Beben - GeoForschungsZentrum Potsdam
Bild: dpa

Nein, es sind nur eine geringe Prozentzahl an Erdbeben, die Tsunamis auslösen. Aber Erdbeben sind neben Vulkanausbrüchen die Hauptursache für Tsunamis. Deswegen muss man die Erdbeben als erstes erkennen und man muss den Bewegungsablauf des Erdbebens schnell bestimmen, um sagen zu können, ob ein Tsunami kommt oder nicht.

Was würde noch zu einem Frühwarnsystem gehören - außer, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen?

Frühwarnung bedeutet nicht, dass man einen Kasten irgendwo hinstellt, der klingelt. Wir brauchen auch ein System, das die Information weiter trägt über die Entscheidungsträger bis hin zum Fischer am Strand. Und der muss dann auch noch wissen, was zu tun ist. Es ist also auch ein Ausbildungs- und Verständnisproblem.

Wie lange würde es dauern, so ein System einzurichten?

Selbst wenn man mit dem gleichen Elan wie die Japaner oder Amerikaner an die Sache rangehen würde, würde das schon ein paar Jahre dauern. Die sind ja auch immer noch dabei, ihr eigenes System zu verbessern.

Kofi Annan hat auf der Geberkonferenz angemerkt, dass Japan eine führende Rolle in einem Frühwarnsystem spielen könnte, da das japanische System bereits sehr gut ist. Würde das heißen, dass eher japanische als deutsche Forscher die Technologie für ein Warnsystem bereitstellen würden?

Ich glaube, dieses Ereignis hat gezeigt, dass Naturkatastrophen ein globales Problem sind. Alle Länder dieser Erde sollten an einer Risikominderung mitarbeiten. Es ist sicher von Vorteil, dass Japan entsprechende Vorarbeit geleistet hat. Aber ich kann mir nicht denken, dass die Japaner so etwas im Alleingang machen sollten.

Gab es denn im Vorfeld schon internationale Bemühungen um einen besseren Schutz vor Naturkatastrophen?

Ja, diese Aufgabe ist schon länger ins Auge gefasst. Es gab eine Initiative der Vereinten Nationen zur Verringerung von Naturkatastrophen in den Jahren 1990 bis 2000. Es gibt auch eine Initiative für die Zukunft, die auf dieser aufbaut. Auf breiter Ebene sind da also auch schon Vorarbeiten geleistet.

Gibt es denn bereits Kooperationen zwischen den verschiedenen Forschungsinstituten?

Ja, wir fangen nicht bei null an. Das gehört zur Kompetenz, dass wir auf wissenschaftlicher Basis mit vielen Gruppen zusammenarbeiten. Die Verbindungen zu den Wissenschaftlern gibt es schon. Ich selbst bin beispielsweise in einem Projekt, das in Java und der Sundastraße arbeitet, und dort sind einige indonesische Institutionen involviert. Wir betreiben ein Netzwerk mit vielen Stationen weltweit, die Erdbeben erfassen. Diese müssen allerdings verbessert, verdichtet und ausgewertet werden.

Gibt es denn schon konkrete Anfragen von offizieller Seite, dass das Geoforschungszentrum Aufgaben übernehmen soll?

Ich als Mitarbeiter habe Signale bemerkt, dass der Wunsch an uns herangetragen wurde, hier stärker aktiv zu werden.

Diplom-Ingenieur und Diplom-Physiker Birger-Gottfried Lühr ist Wissenschaftler des Geoforschungszentrums Potsdam. Seine Abteilung ist spezialisiert auf die Erforschung von Naturkatastrophen, besonders Erdbeben.