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Hilfsorganisationen und die Bilderflut

Steffen Leidel6. Januar 2005

Die intensive Berichterstattung über die Flutwelle in Asien ist ein zweischneidiges Schwert. Sie garantiert Hilfsorganisationen hohe Spendeneinnahmen, kann aber auch negative Nebenwirkungen mit sich bringen.

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Nicht alle Hilfsgüter sind sinnvollBild: AP

Die Flutwelle in Asien ist in jeglicher Hinsicht eine Katastrophe der Superlative, auch was die Spendenbereitschaft angeht. So haben die Deutschen für die Flutopfer in Südostasien bereits rund 200 Millionen Euro gespendet. Diese Spendenbereitschaft sei "einmalig in der Welt", sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwoch (5.1.2005) nach einer Sondersitzung des Bundeskabinetts. Gleichzeitig verkündete der Kanzler, dass Deutschland eine halbe Milliarde Euro den betroffenen Ländern in den kommenden drei bis fünf Jahren zur Verfügung stellen will.

Hilfsorganisationen begrüßen die Entscheidung der Bundesregierung. "Die Summe übertrifft meine Erwartungen bei weitem. Es muss jetzt gehandelt werden, denn die Katastrophe übertrifft alle bisher bekannten Dimensionen", sagt Vorstandsmitglied Jürgen Lieser vom Verband Entwicklungspolitik Deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO).

Zweckgebundene Spenden als Problem

Die enorme Spendenbereitschaft ist sicher auch eine Folge der intensiven Berichterstattung der Medien. Den Wasserfluten folgte eine Flut der Bilder, die sich in die Wohnzimmer der Welt ergoss und somit auch nicht beteiligte Menschen zu Betroffenen machte. Amateurvideos, von den Fernsehsendern weltweit ausgestrahlt, dokumentieren den Augenblick der Katastrophe.

Die Macht der Bilder ist enorm, das wissen auch die Hilfsorganisationen. Sie brauchen Medien, um Spenden einwerben zu können. Je dramatischer die Bilder, umso mehr Geld fließt. Das kann bei einer Katastrophe, wie der in Südostasien, die an Dramatik kaum zu überbieten ist, zu einem Problem werden. Die meisten Menschen spenden nämlich zweckgebunden. Dadurch entsteht aber auch der Zwang für Hilfsorganisationen, diese Mittel an dem entsprechenden Katastrophenort fristgerecht auszugeben, obwohl der Bedarf bereits gedeckt ist.

Hilfsorganisationen dürfen das Geld auch nicht an andere Krisenorte, die nicht im Mittelpunkt des Medieninteresses stehen, weitergeben. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat deshalb in einem mutigen und ehrlichen Schritt entschieden, keine weiteren zweckgebundenen Spenden anzunehmen. Die Begründung: Man könne nicht garantieren, dass die gesamten Mittel aus weiteren Spenden auch wirklich in der Region eingesetzt werden können.

Kein Bedarf an selbsternannten Katastrophenhelfern

Die starke Medienberichterstattung birgt noch eine weitere Gefahr: Sie führt zu einem - wenn auch meist gut gemeinten - Wettlauf der Helfer. Die großen und etablierten Organisationen fürchten dabei vor allem ad-hoc gebildete private Initiativen, die zwar über viel Good-Will zum Helfen, aber wenig Sachkompetenz verfügen.

"Selbsternannte Katastrophenhelfer sehe ich sehr skeptisch", sagt Jürgen Lieser. "Es fehlt nicht an Helfern vor Ort." Erfahrungen hätten gezeigt, dass private Einzelinitiativen, oft eher schaden als nützen. Auch Sachspenden lehnt Lieser ab. "Ich möchte nicht wissen, wie viele sinnlose Hilfsgüter sich an den Knotenpunkten stapeln". Kürzlich sei einer Organisation eine Ladung Pilzsuppe angeboten worden. "Das ist zwar gut gemeint, hilft den Menschen in Not aber nicht." Gefragt seien Organisationen mit Erfahrung, professionellem Sachverstand und Strukturen vor Ort. "Das wichtigste ist, dass die Hilfe unter den Organisationen abgestimmt ist." Dies sei bei den rund 20 Organisationen, die Mitglied im Koordinierungsausschuss des Auswärtigen Amtes sind, gegeben.

Hilfe als Spektakel

Bei stark mediatisierten Katastrophen treten die Hilfsorganisation oft in Konkurrenz und buhlen um die Aufmerksamkeit der Medien. Die Gefahr wächst dabei, dass Hilfe zum "Spektakel" verkommt. Denn, wer die spektakulärsten, emotionalsten Aktionen präsentiert, hat die größten Chancen in die Fernsehnachrichten zu kommen.

So richteten viele Organisationen beispielsweise beim internationalen Hilfseinsatz in Ruanda 1994 ihre Aktionen an den Gesetzen der Medien aus. Zahlreiche Helfer mieden Arbeiten, die sich nicht fernsehgerecht inszenieren ließen, wie die Installation von Feldtoiletten. Die Folge: Im August 1994 mussten sich über 1000 Lager-Bewohner eine Feldlatrine teilen. Decken und Zelte dagegen gab es zuhauf.

Dass auch die Bundesregierung nicht vor Aktionismus gefeit ist, zeigt der Einsatz bei der Flutwasserkatastrophe in Mosambik im Jahr 2000. Damals hatte die Bundesregierung dem öffentlichem Druck nachgegeben und unter großem Aufwand Hubschrauber ins Krisengebiet entsandt. Doch die Hilfe aus Deutschland kam zu spät, die meisten Menschen waren zu diesem Zeitpunkt bereits gerettet. Lieser fürchtet jedoch nicht, dass die Bundesregierung diesmal ihren "blinden Aktionismus" wie im Jahr 2000 wiederholen könnte.