Wim Wenders feiert 75. Geburtstag
14. August 2020Wim Wenders ist das Aushängeschild des deutschen Kinos. Er ist derjenige unter den Gründervätern des "Neuen Deutschen Films", der im In- und Ausland am bekanntesten ist, der nach wie vor unermüdlich einen Film nach dem anderen dreht, der zudem auf zahlreichen Kultur-Bühnen weltweit engagiert die Interessen des Kinos vertritt.
Als sich der deutsche Film in den 1960er Jahren aus dem engen Korsett des biederen und geschichtsvergessenen Nachkriegskinos befreite, war Wenders mit dabei. Mit Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Edgar Reitz, Werner Herzog und Volker Schlöndorff betrat damals eine neue Generation deutscher Filmemacher die Bühne, sorgte für frischen Wind, erzählte andere Geschichten in anderer Form.
Wim Wenders führt seit 1967 unermüdlich Regie
Davon profitiert das deutsche Kino noch heute. Der gebürtige Düsseldorfer Wim Wenders, der am 14. August seinen 75. Geburtstag feiert, wurde zu einem der einflussreichsten Gestalter dieses "Neuen Deutschen Films". Erstaunlich, dass Wenders auch heute noch so aktiv ist: Fassbinder ist lange tot, Kluge experimentiert mit Fernsehformaten und schreibt Bücher, die anderen drehen zwar noch ab und an, doch rufen ihre Werke kaum ein Maß an Aufmerksamkeit hervor wie das von Wim Wenders. Einzig Werner Herzog kann da noch mithalten, wiewohl Herzog in Deutschland kaum präsent ist.
Wenders hingegen ist inzwischen eine Art Multimedia-Künstler, der auf vielen künstlerischen Füßen steht. Er dreht Spielfilme, Dokumentationen, stellt weltweit seine Fotoarbeiten aus, arbeitet als Hochschullehrer, mischt in Jurys mit, ist bei Preisverleihungen und auf vielen öffentlichen Kunst-Ereignissen präsent. Er wird geehrt bei Festivals, seine Werke werden in Retrospektiven gezeigt, seine Arbeit mit Preisen überhäuft.
Meisterwerke: "Paris, Texas" und "Der Himmel über Berlin"
Es ist also gar nicht so einfach, seine Erfolge aufzuzählen. Natürlich überragt ein Film wie "Paris, Texas" - Ausdruck seiner Liebe zum amerikanischen Kino und den Vereinigten Staaten, wo er lange Jahre lebte - vieles, was er danach noch gedreht hat. Zu Recht bekam Wenders 1984 dafür die "Goldene Palme" von Cannes. Doch auch "Der Himmel über Berlin" gehört zu Wenders Meisterwerken: der poetische Blick auf die deutsche Hauptstadt aus der Perspektive zweier Engel, mit traumhaft schönen Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dem Jahre 1987.
Doch es lohnt auch ein Blick zurück auf die Anfänge. Mit Filmen wie "Alice in den Städten" und "Im Lauf der Zeit", Roadmovies aus und über die deutsche Provinz, hatte Wenders sich früh einen Namen gemacht. "Der amerikanische Freund", mit dem Easy-Rider-Star-Denis Hopper besetzt, markierte 1977 die cineastische Abzweigung ins Traumkinoland Amerika. "Paris,Texas" öffnete ein paar Jahre später die Tore zur großen Kinowelt. Wenders spielt von da an in einer eigenen Liga. Doch seine deutschen Wurzeln vergaß er nie. Und er kam ja auch zurück nach Deutschland, nach 16 Jahren USA-Aufenthalt.
Wenders war kein Mann für das Studiosystem in Hollywood
Auch weil er dort sein Glück nur phasenweise gefunden hatte: Wim Wenders war immer ein Künstler und Autoren-Filmer. Ein Studiosystem, in dem der Regisseur nur das tut, was der Produzent ihm sagt, das war nicht seine Sache. Als dann alle Welt daran glaubte, Wenders habe nach mehreren künstlerisch nicht so überzeugenden Spielfilmen den Zenit seiner Karriere überschritten, da erfand sich dieser anfangs so stille und in sich gekehrte Künstler noch einmal ganz neu: als Dokumentarfilmregisseur.
"Buena Vista Social Club", "Pina", zuletzt der Film über den Papst, "Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes": Wenders entwickelte viel Gespür für künstlerische und spirituelle Themen und setzte diese in sensiblen Dokumentationen um. Das Publikum folgte in den letzten Jahren seinen dokumentarischen Entwürfen mehr noch als den fiktiven Stoffen, die ein wenig untergingen im ganz normalen Kinoalltag.
Die Kopflastigkeit tat Wenders Filmen nicht immer gut
Darf man am 75. Geburtstag eines so verdienstvollen Künstlers und Filmemachers auch Kritik üben? Wenders wird sicherlich wissen, dass Filmkritik und Arthouse-Publikum vor allem an seinen späten Spielfilmen auch immer viel herumgemäkelt haben. Zu kopflastig seien diese Filme, in ihnen werde zu viel Bedeutungsschwangeres geredet, zu viel Peter-Handke-Poesie verhagele die schönen Bilder - wurde immer wieder Kritik laut.
Da ist sicher etwas dran. Manche Wenders-Filme haben durch die Tonspur viel von der Eleganz und der Leichtigkeit verloren, die visueller Stil und die Kraft seiner wohl arrangierten Tableaus erst geschaffen haben. So haben aufgesagt klingende Texte die Poesie an vielen Stellen schlicht zunichte gemacht. Ein Film wie "Der Himmel über Berlin", vor ein paar Jahren restauriert und von Wim Wenders persönlich vorgestellt, macht das deutlich. So wunderbar die von Kameramann Henri Alekan entworfene Berliner Bilderwelt war, so phantastisch die Kamerabewegungen - irgendwann hatten auch die gutwilligen Zuschauer genug von der Bedeutungsschwere der Handke-Texte.
Wim Wenders ist eine der Größen der deutschen Kinogeschichte
Doch Wim Wenders, der ja ein Künstler mit ungeheuer vielen Interessen und Inspirationsquellen ist, auch in musikalischer Hinsicht, konnte das schon nichts mehr anhaben. Sein filmisches und künstlerisches Werk, das hoffentlich noch nicht abgeschlossen ist, steht über dieser Kritik. Sicher auch zu Recht. Denn Wenders hat so viele bemerkenswerte Filme gemacht, dass man heute in Deutschland voller Stolz sagen kann: Wim Wenders gehört zu den ganz großen, singulären Gestalten der deutschen Filmgeschichte. Sein filmisches Werk wird Bestand haben: Happy Birthday Wim Wenders!