Wiederaufbau ohne Frieden?
15. Mai 2013Ein Schauplatz: die Stadt Kidal im Nordosten des Landes. Im Moment wird sie von MNLA-Rebellen kontrolliert. Die MNLA ist eine Unabhängigkeitsbewegung des Volksstamms der Tuareg. Doch die malische Armee ist bereits auf dem Weg in Richtung Kidal. Am Sonntag (12.05.2013) haben die Soldaten Gao verlassen. Wann genau die Armee in Kidal eintreffen werde, dazu wollte ihr Sprecher Oberstleutnant Diaran Koné gegenüber der Deutschen Welle keine Angaben machen.
Ein möglicher Einmarsch der Armee von Mali in Kidal sei ein einschneidendes Ereignis, so Ulrich Delius, Afrika-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die sich auch für die Rechte der Tuareg einsetzt. "Man wird sich ganz genau anschauen, wie die Soldaten mit Tuareg umgehen, mit bewaffneten und unbewaffneten", sagt Delius im Gespräch mit der DW. "Wir befürchten, dass es weitere Übergriffe geben wird." Bei der Rückeroberung von Städten und Dörfern im Gebiet der Tuareg seien bereits rund 400 Zivilisten ermordet worden.
Bastion der Tuareg
Kidal gilt als letzte Hochburg der MNLA, die sich für einen eigenen Tuareg-Staat stark macht. Die MNLA hatte Kidal und weitere Städte Nord-Malis im März 2012 eingenommen. Sie musste die Kontrolle jedoch bald an islamistische Rebellen abgeben, die den gesamten Norden des Landes eroberten. Nachdem französische Truppen gemeinsam mit Soldaten aus dem Tschad die Islamisten Anfang Februar aus Kidal vertrieben hatten, konnte die MNLA ihren Einfluss dort zurückgewinnen.
Oberstleutnant Diaran Koné erklärte, die Truppenverlegungen der malischen Armee Richtung Kidal hätten zum Ziel, das Land sicherer zu machen. Es gelte, einen geregelten Ablauf der für Ende Juli geplanten Präsidentschaftswahl zu ermöglichen. Besonders Frankreich dringt darauf, dass in Mali gewählt wird. Denn die Übergangsregierung Malis ist nicht demokratisch legitimiert. Präsident Dioncounda Traoré wurde auf Betreiben der Westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS eingesetzt. Er löste Hauptmann Amadou Sanogo ab, der sich im März 2012 an die Macht geputscht hatte.
Wahlen, Nahrung und Sicherheit
Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker glaubt nicht, dass die Wahl schon im Juli stattfinden kann. Denn mehr als 400.000 Malier lebten nach wie vor im Ausland oder als Binnenflüchtlinge in Mali selbst. "Die müssen auf jeden Fall an diesen Wahlen teilnehmen können, sonst gibt es kein einigermaßen repräsentatives Ergebnis", so Delius. "Wir sehen momentan nicht, dass so etwas geleistet werden kann."
Außerdem müsse sich die malische Regierung auf Gespräche mit den Vertretern der Konfliktparteien einlassen, fordert der Menschenrechtsaktivist. Europa solle seine Hilfe deshalb davon abhängig machen, dass die malische Regierung die Menschenrechte beachte und sich glaubwürdig um eine politische Lösung der Tuareg-Frage bemühe.
Für Annette Lohmann, Leiterin der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung in der malischen Hauptstadt Bamako, sind für den Wiederaufbau Malis zwei weitere Punkte von zentraler Bedeutung: "Die humanitäre Lage im Norden ist weiterhin prekär. Die Nahrungsmittelunsicherheit ist ein dominantes Problem", so Lohmann. "Und dann muss man auf jeden Fall dafür sorgen, dass dort staatliche Strukturen etabliert werden." Es sei entscheidend, dass durch die Anwesenheit von Vertretern des Staates Sicherheit geschaffen werde.
Angriff auf Zivilisten
Denn immer noch terrorisieren islamistische Rebellen die Bevölkerung. Sie haben etwa die Stadt Gao seit der Befreiung durch französische Truppen bereits drei Mal bei Angriffen mit Gewehrfeuer und Selbstmordanschlägen heimgesucht. Auch die Region Kidal ist nicht nur vom möglichen Aufeinandertreffen malischer Soldaten mit Tuareg-Rebellen bedroht. Erst am Samstag hatte ein mutmaßlicher Islamist in einem Dorf nahe Kidal eine Menschenmenge beschossen, die für Hilfsgüter anstand. Der Angreifer tötete dabei drei Zivilisten.
Trotz der anhaltenden Gewalt: Bei der Geber-Konferenz in Brüssel zeigte sich Frankreichs Außenminister Laurent Fabius zuversichtlich. Man sei dabei, den Krieg in Mali zu gewinnen, erklärte Fabius. Nun gelte es, auch den Frieden im Land zu gewinnen.