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Timbuktu wartet auf den Alltag

Katrin Gänsler8. Mai 2013

Die Islamisten, die in der historischen Stadt Timbuktu im Norden Malis zehn Monate für Angst und Schrecken sorgten, gelten als vertrieben. Nur langsam kehrt seit der Befreiung Alltag in die Stadt zurück.

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Zwei Mädchen verkaufen Seife auf dem Markt in Timbuktu. (Foto: Katrin Gänsler)
Bild: DW/K. Gänsler

Auf dem Markt von Timbuktu stapeln sich auf den kleinen Holztischen Fische, Ziegenfleisch, Zwiebeln und Tomaten. Am nächsten Stand bietet eine Frau Reis an. Fliegen surren durch die Luft. Lebensmittel zu kaufen, ist in der Stadt am Rande der Sahara im Norden Malis kein Problem. Es ist alles wie früher in der historischen Stadt, die zehn Monate lang von den Islamisten von Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) besetzt worden war - zumindest auf dem großen Markt im Zentrum sieht das so aus.

Doch der Schein trügt, erklärt eine der Marktfrauen. Sie ist wütend und zeigt auf ihre Fische: “Für einen nehme ich 250 CFA-Franc, doch die Kunden handeln den Preis auf 150 CFA herunter.“ So verdiene sie gerade mal umgerechnet 1,50 Euro am Tag, wenn überhaupt jemand bereit ist, den Fisch zu kaufen. Überleben könne sie davon nicht: "Nach der Besetzung hat sich hier nichts geändert", brüllt sie fast, "und wer das Gegenteil behauptet, der lügt".

Marktfrauen auf dem Markt in Timbuktu. (Foto: Katrin Gänsler)
Die Auswahl ist nicht groß: Marktfrauen in TimbuktuBild: DW/K. Gänsler

Von der Welt vergessen

Die Besetzung ist im Norden noch allgegenwärtig. Viele Bewohner sind traumatisiert. Unaufgefordert sprechen sie über ihre Erlebnisse und Ängste während der zehn Monate: Frauen mussten sich verschleiern, Musik und Zigaretten waren verboten, Dieben wurde die Hand abgehackt. Doch nicht nur das hat Hallé Ousmane, Bürgermeister von Timbuktu, in dieser Zeit belastet. Gequält hat ihn hat vor allem die Frage: "Haben wir wirklich noch Freunde? Niemand hat doch an uns gedacht."

Bis Ende Januar die Franzosen kamen und die Islamisten verjagten. Nach dem großen Jubel und der Freude darüber ist mittlerweile Ernüchterung eingekehrt. Auch drei Monate später ist das Leben noch extrem schwierig. "Die Bevölkerung besteht zu 80 Prozent aus Tagelöhnern", erklärt der Bürgermeister, "normalerweise arbeiten sie morgens, nachmittags bekommen sie ihr Geld und versorgen damit ihre Familien". Doch Arbeit gibt es nicht mehr, ebenso wenig wie Touristen, die einst mehr als 50 Prozent der Einnahmen in die Stadt brachten. Hallé Ousmane macht eine abfällige Handbewegung. "Darüber sprechen wir gar nicht mehr", sagt er bitter.

Hallé Ousmane, Bürgermeister von Timbuktu (Foto: Katrin Gänsler)
Hallé Ousmane, Bürgermeister von TimbuktuBild: DW/K. Gänsler

Warten auf den Reis

Auf dem kleinen Platz in Sankoré, einem Stadtteil von Timbuktu, nicht weit vom Rathaus entfernt, warten schon am frühen Morgen Männer und Frauen. Vor der großen Hitze, die am späten Vormittag einsetzt, wollen sie wieder zu Hause sein. Das Warten nehmen sie bereitwillig in Kauf. Seit Ende April verteilt die Welthungerhilfe gemeinsam mit dem lokalen Partner AMSS (Malischer Verband für das Überleben im Sahel) Reis. Berechtigt sind Familien, denen es besonders schlecht geht.

Für Mahamane Maïga von der Welthungerhilfe ist das eine absolut notwendige Vorgehensweise, um zumindest die größte Not zu lindern. "Die Bevölkerung ist extrem betroffen, hat fast alles verloren", beschreibt er die Situation. Jetzt sei Unterstützung wichtig. Die Nahrungsmittel würden auch die Kraft geben, die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder aufzunehmen.

Mit Eseln wird der Reis von der Welthungerhilfe abtransportiert. (Foto: Katrin Gänsler)
Mit Eseln wird der Reis von der Welthungerhilfe abtransportiertBild: DW/K. Gänsler

Sicherheit nur im Zentrum der Stadt

Doch das kann noch dauern. Wann Touristen wieder in die Stadt kommen können, ist völlig unklar. Auch die Wiederaufnahme von landwirtschaftlichen Aktivitäten braucht Zeit. Viele der Felder liegen außerhalb des Stadtzentrums und gelten damit als weit weniger geschützt. Die brüchige Sicherheitslage macht den Menschen nach wie vor zu schaffen. Im Zentrum von Timbuktu ist das Militär zwar präsent und auch der Flughafen gilt als gut gesichert - anders als das Umland.

Diese Sorgen machen auch Abba Maïga zu schaffen, der ebenfalls für einen Sack Reis ansteht. "Natürlich ist die malische Armee hier", sagt er und zeigt in Richtung Straße, wo gerade ein Pickup-Wagen mit Soldaten vorbei gefahren ist. Außerdem seien nun die Truppen aus dem Nachbarland Burkina Faso vor Ort.

Die Franzosen sollen bleiben

Trotzdem ist Abba Maïga nicht beruhigt. Lieber wäre ihm eine Stationierung französischer Streitkräfte. Zum großen Teil sind diese aber bereits am letzten April-Wochenende abgezogen. "Auch wenn es jetzt hier nicht gefährlich ist, ist es riskant, wenn die Franzosen abziehen. Sie haben das Gebiet kontrolliert. Außerdem hatten sie das notwendige Material.“

Im Rathaus kennt Bürgermeister Hallé Ousmane die Befürchtungen. “Die Bevölkerung versteht das nicht“, sagt er. Auch ihm wäre es lieber gewesen, wenn die Soldaten länger geblieben wären. Denn Alltag gibt es in Timbuktu noch lange nicht.

Straßenszene in Timbuktu mit wartenden Menschen und Eseln. (Foto: Katrin Gänsler)
Alltag in Timbuktu - geprägt von der schlechten VersorgungslageBild: DW/K. Gänsler