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Salz im Körper

Fabian Schmidt23. Juli 2013

Salz bewirkt Bluthochdruck - das ist bekannt. Aber warum? Die Raumfahrt brachte Mediziner jetzt auf die richtige Fährte: Salz, Blutdruck, Immunabwehr und Knochenschwund hängen offensichtlich eng zusammen.

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Nahaufnahme von einem Bastkorb mit vielen Laugenbrezeln Foto: cmfotoworks - Fotolia.com
Korb mit BrezelnBild: cmfotoworks/Fotolia

Drei Wochen lang war der deutsche Astronaut Reinhold Ewald 1997 im All gewesen: als Wissenschaftler, aber auch als Versuchsobjekt. Der Mediziner und Physiker stellte sich während des Fluges selbst für ein Experiment zur Verfügung. "Ich habe mich sehr bemüht, kontrolliert Nahrung und Flüssigkeiten aufzunehmen und alles zu dokumentieren", erinnert sich der Raumfahrer.

Es ging dabei um die Erforschung des Stoffwechsels in der Schwerelosigkeit: Während des Fluges und bis zwei Wochen nach der Rückkehr musste er alles, was er zu sich nahm, genau aufschreiben. "Danach hat man festgestellt, dass irgendwas mit meinem Salzhaushalt anders ist, als man es auf der Erde oder in klinischen Büchern kennenlernt," so Ewald. 

Was rein geht, muss auch wieder raus

Alle Ausscheidungen des Astronauten waren erfasst und mit dem verglichen worden, was er zu sich genommen hatte. Dabei kam Überraschendes heraus: Während des Raumfluges hatte Reinhold Ewald Salz im Körper eingelagert, und sogar ziemlich viel. Es entsprach der Menge, die bei gesunden Menschen in sechs Litern Körperflüssigkeit stecken. Ewald war aber nicht sechs Kilogramm schwerer geworden. 

Der Deutsche Reinhold Ewald winkt Pressevertretern zu, die ihn am 20.1.1997 während des Trainings für das russische Sojus-TM-25-Weltraumprojekt in Rußlands Raumfahrtzentrum Star City, 25 km von Moskau entfernt, beobachteten (Foto: Mashatin/dpa)
Keine Brezeln auf der Raumstation MIR - Ewald durfte nur vorgeschriebene Nahrung zu sich nehmenBild: picture-alliance/dpa

Bis dahin waren Mediziner davon ausgegangen, dass das gesamte Salz sich im Körper lösen müsste. "Im Lehrbuch stand ja bisher drin: Salz und Wasser gehen parallel", erklärt Rupert Gerzer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Überschüssiges Salz hätte also über die Niere im Urin ausgeschieden werden müssen. Nach dem Experiment war aber klar, dass der menschliche Körper nicht so einfach funktioniert. "Offensichtlich sind also die Effekte, die im Lehrbuch stehen, nicht die einzigen, sondern es kommt da noch etwas zusätzlich dazu", so Gerzer, "und das ist vollkommenes Neuland".

Viel Salz - hoher Blutdruck

Um der Sache auf den Grund zu gehen, kamen als nächstes Studenten an die Reihe. Die Forscher sperrten sie ein, und gaben ihnen wesentlich mehr Salz als normal zu essen oder zu trinken. "Die armen Sportstudenten mussten sich dann immer in Quarantäne begeben - als Forschungsobjekt", erinnert sich der Astronaut Ewald, "aber das hat genutzt! Man hat festgestellt: Salz geht nicht nur in die Regulierung der Körperflüssigkeit und des Bluthochdrucks, sondern Salz betrifft das Immunsystem und geht in den Knochenaufbau und -abbau."

Bei den Probanden mit der "Überdosis" Salz passierte nämlich dasselbe, wie bei dem Astronauten in der Schwerelosigkeit: Sie lagerten Salz ein und der Blutdruck erhöhte sich. Der damalige Berliner Medizinstudent Jens Titze war von dem Verhalten des Salzes so fasziniert, dass er die molekularen Wirkmechanismen verstehen wollte. Heute leitet Professor Titze einen entsprechenden Forschungsbereich am Universitätsklinikum Erlangen.

Ein Magnetresonanztomograf und Positronen-Emissions-Tomograf (MRT-PET) mit einer eingebauten Natrium-Spule, die dazu dient, im Körper eingelagertes Salz dichtbar zu machen. Aufgenommen am 5. Juli 2013 am medizinischen Forschungslabor Envihab des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Wahn (Foto: Fabian Schmidt/DW)
Dieser Magnetresonanz- und Positronen-Emissions-Tomograf am Envihab kann Salz sichtbar machenBild: DW/F. Schmidt

Blutkörperchen im Streit

Im Laufe seiner Forschungen konnte Titze die Wege nachvollziehen, die das eingelagerte Salz im Körper geht. Eine wichtige Rolle spielen dabei sogenannte Makrophagen. "Das sind weiße Blutkörperchen, die mit dem Salz sehr liebevoll umgehen," erklärt Titze. Sie können nämlich den Salz- bzw. Natriumgehalt unter der Haut messen. "Und wenn zuviel Natrium in der Haut abgelagert wird, dann sorgen sie dafür, dass über die Lymphkapilaren der Haut das Natrium wieder entsorgt wird". Dazu schütten die Makrophagen einen Botenstoff aus, der das Lymphsystem - Gefäße, die Körperflüssigkeit transportieren - anregt, sich zu weiten. Aber nicht alle weißen Blutkörperchen harmonisieren mit dem Salz so gut , wie die Makrophagen: "Es gibt eine andere weiße Blutkörperchen-Population, die T-Lymphozyten. Wenn die unter gleichen Bedingungen das Salz sehen, dann schießen sie körpereigenes Gewebe kaputt, was natürlich eine Katastrophe ist", sagt Titze.

Dieser Effekt nennt sich Autoimmunität. Wer also salzreiche Nahrung zu sich nimmt, erhöht nicht nur seinen Blutdruck, sondern auch die Gefahr, dass eine bestehende Autoimmunkrankheit, wie zum Beispiel Multiple Sklerose, heftiger verläuft.

links: Eine Aufnahme aus einem Magnetresonanztomographen unter Nutzung einer Natriumspule. Mit diesem Verfahren ist es möglich, unter der Haut oder in Muskeln eingelagertes Salz sichtbar zu machen. In diesem Fall hat der Patient einen hohen Natriumanteil eingelagert (Foto: Universitätsklinikum Erlangen) rechts:In diesem Fall hat der Patient einen niedrigen Natriumanteil eingelagert (Foto: Universitätsklinikum Erlangen)
Bildgebung im Natrium - MRT: Der linke Patient hat viel Salz eingelagert, der rechte wenigBild: Universitätsklinikum Erlangen

Blick in den Körper

Darüber hinaus gibt es allerdings noch viel zu erforschen: Unklar ist zum Beispiel, warum auch ältere Menschen sehr viel Salz unter der Haut einlagern, selbst wenn sie sich normal ernähren. Auch ist mittlerweile klar, dass zu viel Salz den Knochenabbau vorantreibt, also Osteoporose verstärkt. Das Ziel der Mediziner ist es daher, praktische Vorsorgemaßnahmen für Patienten zu entwickeln, damit zum Beispiel der Bluthochdruck nicht mit einem Schlaganfall oder Herzinfarkt endet.

Helfen könnte dabei die Technik: Ein spezieller Magnet-Resonanz- und Positronen-Emissions-Tomograph, der mit einer zusätzlichen Natriumspule ausgestattet ist und  Salzablagerungen in einer dreidimensionalen Röntgenaufnahme bildlich darstellen kann. Ein solches Gerät wurde gerade im medizinischen Forschungslabor Envihab des DLR in Köln in Betrieb genommen.

"Wenn wir jemanden sehen, der anfängt Salz einzuspeichern, hat es ja eine prognostische Bedeutung. Wir brauchen das natürlich auch für die Astronauten, aber die große Bedeutung hat es in der normalen Medizin", sagt der Weltraummediziner Gerzer. Er ist jedenfalls zuversichtlich, damit den Geheimnissen des Salzes noch weiter auf den Grund gehen zu können, denn anders als bei gut durchtrainierten Astronauten, kann Bluthochdruck bei normalen Menschen schnell auch tödlich enden.