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Wie krank macht Fleisch?

5. Mai 2022

In Europa, den USA und Australien wird besonders viel Fleisch verzehrt. Der massenhafte Konsum macht krank, da sind sich Ernährungswissenschaftler einig. Beim Fleischessen gilt deshalb: weniger ist mehr. Viel mehr.

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Grillfleisch
Ein hoher Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch kann einen ungünstigen Einfluss auf bestimmte Krankheitsrisiken habenBild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Salamibrot zum Frühstück, mittags Geschnetzeltes und abends mit den Freunden grillen - so kann an nur einem Tag ziemlich viel Fleisch auf dem Teller landen. In den USA und Australien vertilgt jede Person durchschnittlich 100 Kilogramm Fleisch im Jahr, in Europa sind es etwa 80 Kilogramm und in Deutschland um die 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr.

Das ist - bedaure - viel zu viel. Zu viel für die Umwelt, um die es in diesem Text aber nicht gehen soll. Zu viel, um die Menge an Tieren, die für den enormen Fleischhunger gezüchtet werden, einigermaßen artgerecht halten zu können. Doch auch darum soll es hier nicht gehen. Die Menge an Fleisch, die in Industrienationen gegessen wird, ist auch zu viel für die eigene Gesundheit.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt deshalb maximal 600 Gramm Fleisch pro Woche. Laut dem zuletzt veröffentlichten Ernährungsbericht der DGE verzehren allerdings vor allem Männer in Deutschland fast das Doppelte. Die in den Untersuchung eingeschlossenen Metaanalysen zeigten, dass ein hoher Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch einen eher ungünstigen Einfluss auf bestimmte Krankheitsrisiken habe, schreibt die DGE in der Pressemitteilung zu dem Bericht

Welche Krankheiten entstehen durch Fleisch?

Walter Willet beschäftigt sich seit 40 Jahren mit dem Zusammenhang zwischen Ernährung, Krankheit und Gesundheit. Er ist Professor für Epidemiologie und Ernährung an der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston.

Fragt man ihn nach den gesundheitlichen Hauptproblemen, die der Fleischverzehr verursacht, nennt er Herz-Kreislauferkrankungen und Typ-2-Diabetes. Rotes Fleisch, also das von Rindern, Schweinen, Lämmern oder Ziegen stammt, richte hier besonders großen Schaden an.

Ernährung in der Corona-Pandemie

"Rotes Fleisch ist reich an gesättigten Fettsäuren, die LDL-Cholesterin im Blut erhöhen und eine eindeutige Ursache für Herzinfarkte sind", sagt Willet. Gleichzeitig enthalte rotes Fleisch so gut wie keine mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Die wiederum senken den Blutfettspiegel und damit das Risiko für Herzkrankheiten.

Rotes Fleisch führt zu einem Anstieg eines unter Kardiologen bekannten Risikofaktors: Trimethylaminoxid, kurz TMAO. Es führt zu einer krankhaften Einlagerung von Cholesterinnestern und anderen Fetten in den Arterien, was Atherosklerose genannt wird. Die ersten Anzeichen einer Atherosklerose machen sich laut einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2019 schon nach kurzzeitigem extremem Konsum roten Fleischs bemerkbar. Extrem bedeutet hier zwei Portionen Fleisch am Tag. Das schaffen viele Europäer ganz entspannt.

Die Forschenden vermuten außerdem, dass der Verzehr von rotem Fleisch auch die Nierenfunktion beeinträchtigt. Sie beobachteten, dass die Nieren nach der Fleischmahlzeit weniger effizient in der Lage waren, TMAO auszuscheiden.

Fleisch steigert das Risiko für Typ-2-Diabetes

Walter Willet war selbst an einigen Studien beteiligt, die den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Fleisch und Diabetes mellitus, auch Typ-2-Diabetes genannt, untersucht haben.

Laut der Untersuchungen begünstigt besonders rotes Fleisch die Entwicklung von Diabetes. In einer weiteren Studie fanden Willet und seine Kollegen außerdem einen Zusammenhang zwischen gegrilltem oder heiß gebratenem Fleisch und einem erhöhten Diabetesrisiko. Das Ergebnis galt nicht nur für das Rindersteak, sondern auch für die Hähnchenkeule.

Rund 60 Millionen an Diabetes erkrankte Menschen zählt die Weltgesundheitsorganisation in Europa. Tendenz steigend. Diabetes "lässt sich durch gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung weitgehend vermeiden", informiert die WHO auf der Webseite.

Fleisch ist dabei natürlich nur eine Variable. "Fleisch wegzulassen und stattdessen gezuckerte Getränke zu trinken, hat keinen einzigen gesundheitlichen Vorteil", sagt Willet. Wer sich nur von Pommes und Cola ernährt, kann auch Vegetarier und Diabetiker gleichzeitig sein.

Ist Fleisch krebserregend?

Das Risiko, an bestimmten Krebsarten zu erkranken, ist in verschiedenen Studien mit dem Verzehr von Fleisch in Verbindung gebracht worden. Besonders problematisch sind auch hier rotes und verarbeitetes Fleisch, wozu Wurst, Schinken und Salami zählen.

2019 sorgte allerdings die Publikation eines Teams von Wissenschaftlern des sogenannten NutriRECS-Konsortiums für Schlagzeilen, die die Empfehlung aussprachen, Erwachsene sollten den Konsum von rotem und verarbeiteten Fleisch wie bisher fortsetzen.

Die Veröffentlichung erntete unter Fachleuten Kritik, weil die Empfehlungen, wie die Autoren sogar selbst schreiben, auf äußerst schwacher Beweislage fußten.

Tatsächlich kamen drei der fünf Metaanalysen, die die Autoren des Konsortiums als Grundlage für ihre Empfehlung herangezogen hatten, zu dem Ergebnis, dass rotes und verarbeitetes Fleisch zu einer höheren Krebssterblichkeit führen. 

Eine weitere Metaanalyse aus dem Jahr 2021 kam ebenfalls zu dem Schluss, dass großer Fleischhunger das Risiko für beispielsweise Brust- und Darmkrebs signifikant erhöht. Beim Braten oder Grillen entstehen außerdem weitere karzinogene Stoffe.

Kann ich auf Fleisch verzichten?

Viele Menschen sind überzeugt, Fleisch gehöre zu einer gesunden Ernährung einfach dazu. Das trifft tatsächlich für Regionen zu, in denen sich nur schwer Gemüse und Hülsenfrüchte anbauen lassen und die Menschen auf Nährstoffe, die das Fleisch ihrer Tiere liefert, angewiesen sind.

Hülsenfrüchte
"Auch vegan lebende Menschen können sehr gesund sein", sagt Walter Willet.Bild: Silas Stein/dpa/picture alliance

"Fleisch hat natürlich auch wertvolle Inhaltsstoffe", sagt Walter Willet. Hühnerfleisch sei weniger schädlich als rotes Fleisch und auch Fisch könne einen Beitrag zur gesunden Ernährung leisten. Niemand müsse komplett auf Fleisch und Tierprodukte verzichten, um gesund zu bleiben. Umgekehrt können aber auch vegetarisch und vegan lebende Menschen quickfidel sein.

"Das Beste ist eine vorwiegend pflanzenbasierte Ernährung", sagt der Ernährungswissenschaftler. Nüsse, Hülsenfrüchte und Sojaprodukte sind gute Proteinlieferanten. Gemüse enthält außerdem viele Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, die das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und auch Übergewicht senken.

Eine vorwiegend pflanzenbasierte Ernährung leistet nebenbei einen Beitrag zum Umweltschutz und Tierwohl. Walter Willet findet deshalb, dass die ökologischen Konsequenzen des Fleischessens in der Antwort auf die Frage, wie krank Fleisch macht, einberechnet werden müssen. "Es gibt keine gesunden Menschen ohne einen gesunden Planeten."