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Flüchtlinge in die Wissenschaft

Fabian Schmidt25. September 2015

Unter den Flüchtlingen aus Syrien gibt es viele mit hohen Qualifikationen. Was können deutsche Universitäten und Wissenschaftsorganisationen ihnen bieten und wie kann die Forschung die besten Köpfe finden?

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Laborantin selektiert Pflanzenkeime
Bild: DW/F. Schmidt

Die Flüchtlinge, die jetzt nach Deutschland kommen, brauchen zunächst einmal Ruhe, medizinische Versorgung und das Gefühl von Sicherheit. Aber schon bald danach kommt für sie die Frage: Was stellen wir jetzt mit unserem neuen Leben in Deutschland an? Das Warten ist für die meisten eine Qual. Nicht arbeiten zu dürfen, frustiert sie.

So geht es auch Muhammad Rashid. Er gehört zu den hoch qualifizierten Flüchtlingen aus Syrien. Der Kurde stammt aus Aleppo und hat dort seine Bildungslaufbahn absolviert - von der Schule bis zum Diplom in analytischer Chemie.

2004 schickte ihn die Regierung zu einem Auslandsstudium nach China - um zu promovieren. Seine Karriere schien vorgezeichnet - auch wenn es damals schon erste Unruhen in den kurdischen Gebieten Syriens gab.

"Als ich in China war, hätte ich nie gedacht, dass ich nicht wieder nach Syrien zurückkehren könnte", sagt der Chemiker: "Ein guter Job nach meiner Doktorarbeit wäre dort eigentlich für mich vorbereitet gewesen."

Doch sieben Jahre später - mitten in der Endphase seiner Promotion - brach zuhause der Bürgerkrieg aus. Gleichzeitig erlebte er einen schweren, persönlichen Schicksalsschlag. Rashids Frau erkrankte in China an einem aggressiven Krebs. Nach nur sechs Monaten Krankheit starb sie. Der Sohn war damals sieben Jahre alt, sechs davon hatte er in China gelebt. Die jüngere Tochter ist in China geboren.

Mit dem Krieg versiegten die syrischen Stipendien-Zahlungen

Eine Rückkehr in die Heimat war für die drei nicht möglich. Rashids Bruder floh 2011 aus dem syrischen Armeedienst. Und damit konnte auch er nicht mehr zurück nach Syrien. "Mein Bruder wollte nicht gegen Zivilisten kämpfen", sagt Rashid. "Und dann habe ich von anderen Freunden gehört, dass mein Name schon auf einer Liste stand. In China erhielt ich ja mein Stipendium aus Syrien. Aber dann hat die syrische Regierung gesagt: Kein Geld mehr für Dich. Gott sei Dank hat mir die chinesische Regierung dann Geld für das letzte Jahr gegeben. Und ich habe meinen Doktor abgeschlossen."

So wie Muhammad Rashid, erging es auch vielen syrischen Studenten in Deutschland. "Es gab ein ko-finanziertes Regierungs-Stipendien-Programm, das der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) zusammen mit dem syrischen Hochschulministerium unterhalten hat", erinnert sich Christian Hülshörster. Er leitet beim DAAD unter anderem die Stipendien-Programme für den Nahen Osten.

"Dieses Programm war erfolgreich und hat gut funktioniert, aber nach 2011 mit dem Ausbruch der Bürgerkriegsunruhen waren die Leute plötzlich in Deutschland, bekamen aber kein Geld mehr." Also musste der DAAD tätig werden: "Wir konnten die Studenten ja nicht einfach auf der Straße stehen lassen!" sagt der Stipendienbeauftragte. "Damals gab es dann ein erstes Hilfsprogramm des Auswärtigen Amtes, wo wir dann in der Lage waren, den Leuten einen Studienabschluss zu ermöglichen."

Schüler und Lehrer bei einem Integrationskurs (Foto: dpa)
Die Sprache ist eine der größten Hürden für Immigranten - aber auch die Anerkennung von Studienabschlüssen kann zum Problem werden.Bild: picture-alliance/dpa

Diese Studenten haben heute in Deutschland gute Berufschancen. Denn sie haben fast ausschließlich Fächer studiert, deren Absolventen überall auf der Welt gesucht sind, sagt Hülshörster: Das syrische Bildungssystem schickte nämlich nur die Besten ins Ausland: "Je besser Sie sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Sie in den medizinischen Bereich, in den ingenieurwissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Bereich gehen." und solche Studenten hätten dann auch wenig Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen: "Der qualifizierte Ingenieur, der in Syrien einen Bachelor erworben hat und im Rahmen unseres Stipendienprogramms einen qualifizierten Master macht - da mache ich mir wenig Sorgen", ist Hülshörster zuversichtlich.

Stipendien der Bundesregierung und der Länder

Aber das war für den Deutschen Akademischen Austauschdienst erst der Anfang. Nachdem zunächst für die Studierenden gesorgt war, die bereits in Deutschland waren, startete die Bundesregierung weitere Angebote an Flüchtlinge aus Syrien - egal, wo auf der Welt sie gerade waren: Das sogenannte Leadership for Syria Programm - finanziert vom Auswärtigen Amt.

"Voraussetzung war letztlich nur ein syrischer Pass", sagt Hülshörster. "Aber sonst war der Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Bewerbung nicht entscheidend. Wir haben bei den Flüchtlingen in den Nachbarländern allerdings Wert darauf gelegt, dass sie eine Registrierung als Flüchtling über das UN Flüchtlingshilfswerk hatten."

Hinzu kamen seitdem zwei Länderprogramme von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg für Flüchtlinge aus Syrien. Und der DAAD hat darüberhinaus noch Gelder der deutschen Entwicklungszusammenarbeit erhalten, um syrischen Studenten, die nach Jordanien geflohen waren, ein Stipendium an einer dortigen Hochschule zu finanzieren.

Fraunhofer-Gesellschaft will Menschen in den Arbeitsmarkt bringen

Und auch die Fraunhofer-Gesellschaft - Deutschlands größte Forschungsinstitution im Bereich der angewandten Forschung - macht sich dafür stark, möglichst viele gut qualifizierte Flüchtlinge in passenden Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen unterzubringen.

Der erste Schritt war die Einrichtung einer Task-Force: "Wir richten uns einerseits an Menschen, die wir für den Arbeitsmarkt befähigen wollen - also Auszubildende. Wir sind gerade dabei eine Förderlinie zu gestalten, die ein Vor-Azubi-Jahr vorsieht", erklärt Beate Koch von der Fraunhofer-Zentrale in München, "andererseits geht es uns natürlich darum, Menschen, die schon für den Arbeitsmarkt befähigt sind, auch dort zu integrieren - beispielsweise in das Wissenschaftssystem bei Fraunhofer oder anderen Organisationen."

Dr. Muhammad Rashid mit Kindern am Rhein
Muhammad Rashid hofft auf eine Anstellung im Rheinland, denn seine Kinder fühlen sich in Bonn zuhauseBild: privat

Muhammad Rashid würde gerne in einem der vielen Fraunhofer Institute Fuß fassen. Nach seiner Dissertation ist er vor zwei Jahren direkt aus China nach Deutschland gekommen. Kurz nach seiner bestandenen Prüfung war er zu einer wissenschaftlichen Fachtagung nach Frankfurt eingeladen. Seine Kinder konnte er erst nach einem sechsmonatigen Kampf mit der Bürokratie nachholen.

Hürden sind der Spracherwerb und die Anerkennung von Abschlüssen

Noch immer kämpft er um die Anerkennung seiner Doktorarbeit. Bis es soweit ist, darf er zwar formal noch keinen Doktortitel in Deutschland führen - aber mit der Dissertation kann er sich trotzdem um eine Stelle bewerben.

Also versucht er über Hochschulen und Unternehmen, einen passenden Beruf zu finden. "Ich glaube auch, dass es für Deutsche nicht einfacher ist, einen Job zu suchen" schätzt der promovierte Chemiker. "Ich habe mich schon bei der Industrie beworben, aber bisher nur Absagen bekommen. Jetzt bekomme ich aber nächste Woche ein Praktikum am Institut für Chemie der Universität Bonn im Bereich Wasser." Viel Zeit verbringt Rashid unterdessen mit seinem Deutschkurs.

"Die Sprache ist ein Problem", sagt er "aber ich glaube, wenn ich an der Universität in der Forschung arbeite, brauche ich nicht viel Deutsch. Ich kann sicher Forschungsarbeiten auch auf Englisch verfassen."

Eins ist für den alleinstehenden Vater allerdings völlig klar: Für ihn führt kein Weg zurück nach Aleppo. Seine Kinder kennen Syrien nicht. Sie fühlen sich schon nach einem Jahr in Deutschland zuhause.Der Sohn geht in die sechste Klasse eines Gymnasiums und die Tochter in die zweite Klasse. Deutsch fällt den beiden schon jetzt viel leichter als ihrem Vater.