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Rettung von Zivilisten oder Regime-Strategie?

Andreas Gorzewski28. Januar 2014

Frauen und Kinder sollen nach einer angeblich bei der Syrien-Konferenz erzielten Einigung aus dem belagerten Homs gebracht werden. Die Opposition lehnt das ab. Sie sieht eine Evakuierung als Teil der Regime-Strategie.

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Zerstörte Gebäude in Homs (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die Nachricht aus Montreux klang wie ein erstes Zeichen, dass die stockende Syrien-Friedenskonferenz Fortschritte macht. Am Sonntag hatte der UN-Sondergesandte Lakhdar Brahimi am Genfer See verkündet, dass Frauen und Kinder die umkämpfte Stadt Homs verlassen dürften. Dem hätten beide Seiten zugestimmt. Doch die syrische Opposition sieht das anders. "Es stimmt nicht, dass die Forderungen nach der Wegschaffung der Zivilisten aus den belagerten Stadtteilen von uns gestellt worden wären", erklärte Anas Abdeh von der Delegation der Regierungsgegner in Genf. Das wäre auch nicht in ihrem Interesse gewesen. Die oppositionelle Syrische Nationale Koalition (SNC) fürchtet ein neues Massaker, wenn Frauen und Kinder abtransportiert würden.

Homs war vor dem Bürgerkrieg die drittgrößte Stadt Syriens mit mehr als 700.000 Einwohnern. Die Stadt nahe der libanesischen Grenze wurde nach dem Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen 2011 zur Widerstandshochburg. Im vergangenen Juli gelang es Truppen von Präsident Baschar al-Assad, einen Großteil von Homs einzunehmen. In Teilen der Altstadt und im Stadtteil Chaldiejeh leisten Rebellen der Freien Syrischen Armee weiter Widerstand. Nach SNC-Angaben sind noch etwa 3000 bis 4000 Frauen und Kinder in den Vierteln, die von Regimegegnern gehalten werden. Seit Monaten ist es nahezu unmöglich, sie mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen.

Ein Kind fegt Trümmer in Homs beiseite (Foto: Reuters)
Bis zu 4000 Frauen und Kinder sollen im belagerten Teil von Homs ausharrenBild: Reuters

Opposition will humanitäre Hilfen

Anstatt die Zivilisten aus dem umkämpften Gebiet zu bringen, fordert die Opposition ein Ende der Belagerung. Eigentlich sei das Ziel der Gespräche gewesen, Lebensmittel und medizinische Güter zu den Eingeschlossenen zu bringen, betont SNC-Sprecherin Rafif Jouejati. "Wenn das Regime humanitäre Hilfslieferungen zulassen würde, warum sollten die Menschen ihre Häuser verlassen?", fragt Jouejati im DW-Gespräch. Dabei blendet sie offenbar aus, dass ein Bleiben auch lebensgefährlich sein kann. Jouejati unterstellt der Assad-Regierung eine Strategie des Aushungerns, um den Widerstand zu schwächen. "Ihr Motto ist: verhungere oder ergib dich!", sagt sie über das Regime.

Die Friedenskonferenz am Genfer See hatte am vergangenen Freitag begonnen. Sie soll den seit knapp drei Jahren andauernden Bürgerkrieg beenden. Eine Einigung über Homs wäre ein gutes Zeichen für die weit schwierigeren Verhandlungen für eine Übergangsregierung gewesen, in der Assad die Macht mit der Opposition teilen müsste. Nach Einschätzung des Züricher Konfliktforschers Albert Stahel ist der Verhandlungsbeginn zu einem lokalen humanitären Thema die unterste Ebene bei der Suche nach einer gemeinsamen Lösung. "Es geht um Kommunikation zwischen dieser Seite und dem Assad-Regime", meint der Politikwissenschaftler.

Doch das Misstrauen zwischen den beiden Seiten sitzt tief. Jouejati zufolge will das Regime die Frauen und Kinder nur aus dem Weg haben, um freie Hand für ein massives militärisches Vorgehen zu bekommen. Das würde zu einem Massaker an den verbleibenden Menschen führen. Solche Vereinbarungen mit der Regierung habe es bereits in anderen Städten gegeben. Die Folgen für die Menschen seien verheerend gewesen. "Die Leute, die hinaus wollten, wurden getötet oder wurden zu Flüchtlingen", sagt die SNC-Vertreterin. Deshalb sei es besser, die Menschen vor Ort zu versorgen. Dafür brauche Damaskus nur grünes Licht zu geben. Die Lastwagen stünden längst bereit. Die Rebelleneinheiten hätten zugesichert, die Konvois passieren zu lassen.

Regierung will Liste aller Männer in Homs

Misstrauen weckt vor allem die Forderung der Regierung nach einer Liste mit den Namen aller Männer in Homs. Damit will die Führung in Damaskus laut Vermittler Brahimi sicherstellen, dass keine bewaffneten Kämpfer unter den Zivilisten sind. Jouejati lehnt das strikt ab. Solch eine Liste würde nach ihrer Überzeugung bedeuten, die Männer aus Homs dem Tod auszuliefern.

Ein alter Mann mit Krücken und ein Junge gehen im Januar 2014 durch das belagterte Homs (Foto: Reuters)
Seit Monaten kommen kaum Lebensmittel und Medikamente in die StadtBild: Reuters

Der Schweizer Professor Stahel sieht das Nein der Regimegegner taktisch bedingt. Bei einer Regelung, die das Assad-Regime in positivem Licht erscheinen ließe, könnte die Freie Syrische Armee an Ansehen verlieren. "Also sagt man zuerst einmal: Nein, wir sind vorsichtig, der Assad will ja nur ein Spielchen treiben", kommentiert er. Bei den Verhandlungen werde wie auf einem Basar getrickst. Eine Übereinkunft zu Homs hätte außerdem die Kluft zwischen der gemäßigten und der radikalen Opposition, die gegen jegliche Verhandlungen ist, vergrößert.

Damaskus dementiert ebenfalls Einigung

Auch die Regierungsdelegation betonte laut der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA, dass es keine Einigung zu Homs gebe. Die Frage des Zugangs für Hilfskonvois habe ohnehin nichts mit den Gesprächen in der Schweiz zu tun.

Ob Lastwagen nach Homs fahren, um Menschen aus dem Kampfgebiet herauszuholen oder Hilfslieferung hineinzubringen, war zunächst unklar. Als Hoffnungsschimmer für die weiteren Verhandlungen kann das Tauziehen um die weitgehend zerstörte Stadt kaum dienen. Aus Sicht der Opposition will die Delegation aus der Hauptstadt Damaskus ohnehin nur Zeit gewinnen. "Was wir vom Regime sehen, sind Hinhalte-Taktiken und Propaganda", klagt Jouejati.