Wenn Neonazis keine Grenzen kennen
21. September 2013Der Mord an Pavlos Fyssas hat die griechischen Behörden offenbar wach gerüttelt. Der linke Aktivist und Rapmusiker war am Mittwoch (18.9.2013) in der Nähe von Athen mit mehreren Messerstichen getötet worden. Der geständige Täter gilt als Anhänger der neonazistischen Partei "Goldene Morgenröte". Zwar bestreitet die Partei, die bei den Parlamentswahlen 2012 in Griechenland fast sieben Prozent der Stimmen bekommen hat, etwas damit zu tun zu haben. Die Behörden sind nun aber bemüht, härter gegen Rechtsextreme vorzugehen. In mehreren griechischen Städten verhaftete die Polizei Parteimitglieder, die in Besitz von Waffen waren.
Die "Goldene Morgenröte" hat überall in Europa Verbündete. Sie hat sich mit ultrarechten Organisationen wie der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und "La Falange" aus Spanien 2004 zur "Europäisch Nationalen Front" zusammengeschlossen. Und auch sonst sind Rechtsextremisten offenbar bemüht, ihre Kräfte international zu bündeln. So hat der Prozess um die deutsche Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gezeigt, dass mittlerweile ein großes internationales Netzwerk besteht, von dem Rechtsextremisten profitieren. "Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre haben Neonazis damit begonnen, sich untereinander zu vernetzen, auch über Ländergrenzen hinweg", sagt der Berliner Politikwissenschaftler und Rechtsextremismus-Experte Hajo Funke.
Auch der Hamburger Autor Andreas Speit beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Rechtsextremismus. Er hat gerade sein Buch "Europas radikale Rechte - Bewegungen und Parteien auf Straßen und in Parlamenten" veröffentlicht und sagt, dass Neonazis auf unterschiedlichen Ebenen international zusammenarbeiten: "Man muss drei Arten unterscheiden. Die Subkulturszene, die gewalttätigen Neonazis und die Politik."
Ein Beispiel: Rechtsrockbands. Deutsche Gruppen, die in ihren Texten gegen Ausländer hetzen, gehen europaweit auf Tour. "Man kann als Rechtsrockband beispielsweise in Italien oder Griechenland auftreten", sagt Speit. CDs mit Liedern, die in Deutschland verboten seien, würden im Ausland produziert und über den kleinen Grenzweg nach Deutschland gebracht werden.
Deutsche Neonazis beteiligen sich im Ausland an Gewalttaten
Experten beobachten aber auch ein bedrohliches Zusammenwirken gewaltbereiter Neonazis über Ländergrenzen hinweg. International agierende gewalttätige Gruppen wie der Ku-Klux-Klan "Combat 18" oder "Blood and Honour" würden Straftätern helfen, im Ausland unterzutauchen. "Solche Gruppen sind in den vergangenen Jahren stärker geworden, weil der Verfassungsschutz das zugelassen hat", glaubt Politikwissenschaftler Hajo Funke.
Diese Vernetzungen führten auch dazu, dass deutsche Gewalttäter im Ausland an Straftaten beteiligt sind. "Es kommt durchaus vor, dass deutsche Neonazis nach Tschechien reisen und sich an Pogromen gegen Sinti und Roma beteiligen, oder sich in Griechenland einmal die Goldene Morgenröte ansehen und sich an Aktionen beteiligen. Das ist dann eine Art Gewalttourismus", erklärt Andreas Speit. Rechtsextremisten versuchen aber auch, auf legale Weise Einfluss zu gewinnen. Die "Europäische Allianz für Freiheit" und die "Europäische Allianz Nationaler Bewegungen" sind zwei Parteien, die bei der nächsten Europawahl antreten wollen.
Neonazis denken nicht in Ländergrenzen
Doch warum vernetzen sich Nationalisten aus unterschiedlichen Ländern miteinander? "Neonazis denken nicht in Ländergrenzen", versucht Speit das Phänomen zu erklären. "Sie blockieren sich nicht gegenseitig, sondern wollen die weiße Rasse weltweit führend agieren lassen. Solange die Ausländer in ihrer Heimat bleiben, haben auch Nazis nichts gegen sie. Ideologisch nennt man das Ethnopluralismus", sagt Speit.
Eines aber eint Rechtsextremisten aller Länder: ihr Hass auf Juden. Das ist auch der Grund, warum viele Neonazis den ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad verehren. Der Fundamentalist hetzte öffentlich gegen Israel und drohte dem Land mit Vernichtung. Dass Islamisten mit Nazis sympathisieren, kommt immer wieder vor. "Schon in den Zwanziger Jahren gab es starke Allianzen zwischen den rechtsextremen Szenen in Europa, aber auch mit dem arabischen Raum", sagt Speit. Der ideologische Grund sei banal: "Die Rechtsextremisten haben festgestellt, dass dort die ureigenen alten Traditionen sehr hoch gehalten werden, auch im Umgang mit Frauen."
Ein großes Problem sei, sagt Speit, dass rechtsextremes Gedankengut sich in vielen Ländern immer weiter verbreite. Das liege etwa an den Nachwirkungen der Wirtschaftskrise und der damit verbundenen Verunsicherung der Mitte der Gesellschaft. Die Vernetzung der Neonazis verstärke das Problem umso mehr. "Es ist zu befürchten, dass sie bei der nächsten Europawahl mehr Mandate bekommen." Auch in der Musikszene sei die Bewegung "unglaublich aktiv". Junge Leute aus kleinen Dörfern ließen sich leicht davon beeindrucken, wenn sie mit örtlichen Rechtsextremisten zu einem Konzert nach Italien reisen könnten. Wichtig sei es deshalb, Präventivarbeit zu leisten. Buchautor Speit sagt dazu: "Wegschauen bringt nichts. Wenn man auf die Rechtsextremen zugeht, kann man sie vielleicht auch verändern."