Wenn die Schränke überquellen
21. August 2014Heute mistet Maria aus. Sie will für ihren nächsten Urlaub noch ein paar Euro sparen, dafür aber keine Extra-Stunden im Café schuften müssen. Seit ein paar Monaten hat die Bonner Studentin eine neue Formel entdeckt: Sie verkauft den Überschuss aus ihren Schränken. Mit dem Handy fotografiert sie die Klamotten, Schuhe, DVDs oder Bücher, die sie loswerden will, und stellt sie auf verschiedenen Portalen online. "Ich verkaufe im Durchschnitt ein Teil pro Woche", erklärt die 28-Jährige. "Vor allem Klamotten, die fast unbenutzt sind und bei mir nur noch im Schrank rumliegen".
Ähnlich wie Maria bunkert im Durchschnitt jeder Deutsche zu Hause ungebrauchte Gegenstände im Wert von 1040 Euro. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos. Demnach verstauben in deutschen Haushältern vor allem Bücher (44 Prozent), Kleidung (40 Prozent) und Spiele (29 Prozent). Insgesamt macht das eine Summe von 27 Milliarden Euro aus. Mit diesem Geld könnten Bauprojekte wie der Berliner Flughafen oder das Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21" finanziert werden. Und es bliebe noch reichlich Geld übrig, heißt es in der Studie, die von der Flohmarkt-App "Shpock" in Auftrag gegeben wurde.
Secondhand-Apps werden populärer
Um diesen Trend zu befeuern, will Shpock auf das Konsumbewusstsein der Deutschen aufmerksam machen. Die kostenlose Flohmarkt-App will Bürger dazu bringen, ihre alten oder ungebrauchten Sachen zu verkaufen. Um das möglichst unkompliziert zu gestalten, kann alles direkt mit dem Handy auf die App geladen werden. "Das Produkt wird fotografiert und beschrieben und der Nutzer setzt seine eigenen Preise fest", erklärt Katharina Klausberger, Mitgründerin von Shpock. Innerhalb von wenigen Minuten stehen die alte Lampe von der Oma oder das unbenutzte Bügeleisen gebührenfrei zum Verkauf online. Das sei auch einer der großen Vorteile gegenüber Ebay und anderen Plattformen, wo man für jeden eingestellten Artikel einzeln zahlen müsse.
Ähnlich funktioniert Kleiderkreisel. Auf der App oder Website "kreiseln" täglich rund zehntausend Gegenstände. Hier kaufen, verkaufen, tauschen und verschenken rund zwei Millionen Nutzer vor allem Kleidung, Schuhe und Accessoires. Zu 95 Prozent sind es junge Frauen zwischen 16 und 24 Jahren. Auf Kleiderkreisel finden sie zudem eine Online-Community, in der sie sich zu den verschiedensten Themen austauschen können. "Diese Idee aus Litauen hat in Deutschland einen der größten Märkte gefunden", erklärt Martin Huber, Mitgründer von Kleiderkreisel. Mittlerweile hat sich das Konzept in insgesamt acht Ländern verbreitet, darunter auch in den USA.
Nachhaltig denken, kaufen und verkaufen
"Der Secondhand-Boom ist nicht nur in Europa zu bemerken, er geht rund um den Globus", meint auch Shpock-Mitgründerin Klausberger. Überall dort, wo bislang im Überfluss konsumiert wurde, denken die Menschen um. Spätestens seit der Weltfinanzskrise sei auch die breite Masse für das Thema der Nachhaltigkeit sensibilisiert worden, so Klausberger. Hinzu komme, dass Secondhand-Shopping auch "unseren Durst nach Individualität stillt" und den Fund von besonderen Einzelstücken erleichtere.
Traditionelle Seconhand-Läden seien dabei im Nachteil, erklärt Heiner Kroke, Geschäftsführer von Momox. "Dort muss man zu lange suchen und hat nicht so eine große Auswahl wie im Internet". Vor zehn Jahren gegründet beschäftigt Momox heutzutage 700 Mitarbeiter und bietet rund 4.5 Millionen gebrauchte Artikel im Internet an. Dafür kauft das Unternehmen die ungenutzten Gegenstände von seinen Kunden an und verkauft sie dann an andere weiter. "Der Verkäufer verdient Geld aus seinen ungenutzten Gegenständen und der Käufer kommt an meist sehr gut erhaltene Ware für rund 30 Prozent des Originalpreises", erklärt Kroke. Die schnelle Abwicklung im Internet ermögliche dem Secondhand-Markt ein ständiges Wachstum. "Gesamtwirtschaftlich kann das sehr positive Folgen haben", so Kroke. Er hoffe auf weniger Neuproduktion, die den Verbrauch von Rohstoffen senken könnte.