Weltbürger gegen Trump und Co.
12. November 2018Michael Schmidt-Salomon muss erst einmal ein bisschen lachen. Ein wenig "abstrakt" klinge das Ganze ja schon, gibt der 51-jährige Philosoph aus Trier im Gespräch mit der Deutschen Welle zu. Schmidt-Salomon ist Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung mit Sitz im rheinland-pfälzischen Oberwesel. Die Stiftung, die in ihrer Satzung unter anderem eine durch "Humanismus und Aufklärung" geprägte Leitkultur fordert, stellt in dieser Woche ihre neue Kampagne "Weltbürger statt Reichsbürger" vor.
Eine Pressekonferenz in Berlin Mitte, inklusive Vorstellung der dazu passenden Lektüre, bildete am Montagmittag den Auftakt. Der Name der Kampagne ist Programm, im Gespräch mit der DW wird schnell klar: Schmidt-Salomon treibt, neben religiösem Fundamentalismus, vor allem der weltweite Nationalismus um: "Wir versuchen mit unserer Kampagne 'Weltbürger statt Reichsbürger' auf Politiker wie Trump, Putin, Erdogan und andere zu reagieren." Diese wollten, so Schmidt-Salomon, "identitäre Vorstellungen ins Zentrum ihrer Politik rücken. Wir hingegen wollen klarmachen, dass Menschenrechte nur auf einem weltbürgerlichen Fundament basieren können. Der weltweite Vormarsch der Fundamentalisten und Nationalisten stellt aus unserer Sicht eine massive Bedrohung der Menschenrechte dar."
Der Zeitpunkt des Vorstoßes, darauf weist Schmidt-Salomon explizit hin, ist nicht rein zufällig gewählt: Vor rund 70 Jahren wurde die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris verabschiedet. In den insgesamt 30 Artikeln sind grundlegende Rechte, die jedem Menschen zustehen sollten, festgehalten. In Artikel 2 heißt es beispielsweise: Weder "Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politische oder sonstige Überzeugung, nationale oder soziale Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstiger Stand" sollten einen Unterschied im Leben der Menschen machen.
Geflüchtete im Fokus
Für Schmidt-Salomon steht fest: "Es ist einer der wichtigsten Texte, der jemals von unserer Spezies formuliert worden ist." Den Text, der auch in der nun veröffentlichten Broschüre der Stiftung enthalten sei, "sollte man unbedingt mal studieren", so der Philosoph weiter: "Ich bin immer wieder erschrocken, wenn ich feststelle, dass die meisten Menschen den Text gar nicht kennen."
Vom Blick in die Vergangenheit zieht er eine direkte Verbindung zur Gegenwart und der sogenannten "Flüchtlingskrise". Und rennt damit bei seinen Partnern offene Türen ein. Neben dem Verein Säkulare Flüchtlingshilfe, der religionsfreie Flüchtlinge durch praktische Hilfsangebote unterstützen und ihre Lebenssituation durch politische Arbeit verbessern möchte, wird die Kampagne insbesondere durch den Zentralrat der Ex-Muslime unterstützt.
Mina Ahadi ist die Vorsitzende des Rates, der seinen Sitz in Köln hat. Der 62-Jährigen mit iranischen Wurzeln liegt vor allem das Schicksal geflüchteter, ehemaliger Muslime am Herzen. Das machte sie auch in Berlin deutlich. Menschen, die wegen ihrer Lossagung vom Glauben in ihrer Heimat vom Staat oder von Privatpersonen verfolgt werden, sollten selbstverständlich in Deutschland Asyl erhalten, so Ahadi. Ahadi, die selbst Anfang der Achtziger Jahre aufgrund ihrer Kritik am Regime in Teheran fliehen musste, hält auch vor Kritik an den Behörden in Deutschland nicht zurück: Entscheider im Asylverfahren, Richter und Anwälte hätten oft zu wenig Ahnung, dass die sogenannte Apostasie - also die Lossagung vom Glauben - in vielen muslimischen Staaten mit der Todesstrafe und öffentlichen Hinrichtungen geahndet werde.
Blick auf Deutschland
Für Michael Schmidt-Salomon von der Giordano-Bruno-Stiftung ist es insbesondere die aufgeheizte politische Diskussion um die sogenannte "Flüchtlingskrise", die gerade Deutschland in eine zentrale Rolle der Kampagne rückt: "Wenn wir uns die Partei Alternative für Deutschland anschauen, muss man feststellen, dass es sie wahrscheinlich nur deswegen gibt, weil die CDU so weltoffen und liberal geworden ist. Manche Menschen kommen mit diesem Konzept der Liberalisierung, der Plurifizierung der Lebensziele nicht zu Recht." In der Folge würden sich diese Menschen gewissermaßen die "gute alte Zeit" wieder herbeiwünschen.
Der Philosoph konstatiert: "Diese neuen Nationalismen sind, ebenso wie religiöser Fundamentalismus, eine Reaktion darauf, dass die Welt zu einem globalen Dorf geworden ist." Ganz düster mag er die Zukunft allerdings nicht sehen. Das liegt wohl auch am Erfolg einer Veranstaltungsreihe, die Salomon-Schmidt zusammen mit seinen Mitstreitern zusätzlich ins Leben gerufen hat. Unter dem Stichwort "Säkulare Woche der Menschenrechte" finden noch bis zum 18. November in Berlin Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen und Workshops zu den Themengebieten Nationalismus und Religiöser Fundamentalismus statt. Das Interesse an der Veranstaltungsreihe sei, so der Philosoph, trotz des abstrakten Titels schon jetzt "überraschend groß".