Weltbank auf Abwegen
6. März 2015"Sie schlugen auf meine Gelenke, bis meine Hände und Beine wie gelähmt waren. Sie haben nur von mir abgelassen, weil sie dachten, ich sei schon tot", so schildert ein 22- jähriger Flüchtling aus Äthiopien die drastischen Maßnahmen der Regierung für ein Umsiedlungsprojekt. Zwei Millionen Menschen sollten eine abgelegene aber fruchtbare Region in Äthiopien verlassen, um besseren Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen zu bekommen - aber statt einer sinnvollen Umsiedlung fand eine brutale Vertreibung statt.
Diese Geschichte ist eines der Schlaglichter von Recherchen mehrerer deutscher Medien und dem internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ). Demnach war auch die Weltbank an dem Umsiedlungsprojekt beteiligt. Insgesamt wird von hunderten fehlerhaften Projekten und mehreren Millionen Vertriebenen gesprochen.
Der Präsident der Weltbank Jim Young Kim, der seit knapp drei Jahren die Geschicke der größten Entwicklungsorganisation leitet, entschuldigt sich nun in einer schriftlichen Stellungnahme auf der Weltbank-Homepage: "Wir werden und müssen es besser machen", schreibt er. Zugleich verweist er auf eine hausinterne Untersuchung zu den betroffenen Programmen. "Was wir fanden, erfüllt uns mit tiefer Sorge". Mehrere Problemfelder habe man gefunden. Dazu gehören schlechte Überwachung, fehlerhafte Umsetzung und nicht eingehaltene Vorgaben für Projekte.
War der Druck zu groß?
Für den Weltbank-Experten Knud Vöcking von der Nichtregierungsorganisation Urgewald ist der Vorstoß von Kim eine Art "Vorwärtsverteidigung". Die Kritik an den Umsiedlungsprozessen habe schon länger bestanden. "Wir haben bereits vor zwei Jahren darauf gedrängt, die Daten aller Umsiedlungsprojekte zu veröffentlichen."
Vöcking ist mit seiner Kritik nicht alleine. Auch andere NGOs wie Oxfam, Greenpeace und Amnesty International kritisieren die Weltbank seit Jahren dafür, dass sie bei ihren Projekten nicht ausreichend auf den Umweltschutz und die Einhaltung der Menschenrechte achte. Die Organisation vertreibe die Einwohner und zerstöre ihre Einnahmequellen, ohne ausreichend Mittel für ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft bereitzustellen, klagen die NGOs.
Am Ende war der Druck anscheinend zu hoch. Die Recherchetruppe des ICIJ hätte die Weltbank förmlich mit Anfragen "bombardiert", so Vöcking. Im Januar hatte der ICIJ bereits über die Menschenrechtsverbrechen in Äthiopien berichtet. Bis zu dieser Woche verweigerte die Weltbank eine Stellungnahme und erteilte Forderungen nach Entschädigung eine Absage. Kims Reaktion ist nun ein Eingeständnis.
Als Sonderorganisation der Vereinigen Nationen hatte die Weltbank ursprünglich das Ziel, den vom Zweiten Weltkrieg zerstörten Staaten zu helfen. Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung sind heute die obersten Ziele. Die Weltbankgruppe besteht aus mehreren Unterorganisationen und verwaltete 2014 umgerechnet rund 430 Milliarden Euro. Die dafür wichtigste Organisation ist die IDA (International Development Association), die sich für die ärmsten Länder einsetzt. Laut dem Geschäftsbericht des Deutschen Aufsichtsratsbüros bei der Weltbank wurden für die Jahre 2014 bis 2017 mehr als zwei Milliarden Dollar von Deutschland bereitgestellt. Deutschland ist damit der viertgrößte Geldgeber.
Aus Fehlern lernen
Knud Vöcking von der Nichtregierungsorganisation Urgewald will deshalb nicht ausschließen, dass auch deutsche Gelder in die mangelhaften Umsiedlungsprojekte geflossen sind. Laut Vöcking arbeiteten deutsche Entwicklungsorgane wie die GIZ und die KFW auch mehrmals im Privatsektor mit der Weltbank zusammen.
Weltbank Präsident Kim hat nun einen Neun-Punkte-Plan verabschiedet. Mit mehreren Reformen will die Organisation "aus ihren Fehlern lernen". Dabei soll es mehr Geld und Personal für das Durchsetzen der bankeigenen Umwelt- und Sozialrichtlinien geben. Für Weltbank-Kritiker Vöcking geht das nicht weit genug. Er fordert einen Mentalitätswechsel.
"In der Weltbank existiert eine Kultur des Geldausgebens. Es geht darum, die riesigen Summen in großen Projekten möglichst schnell abfließen zu lassen." Er schlägt deshalb Bonuszahlungen für Manager vor, die nachweisen können, dass ihre Projekte besonders nachhaltig und sozial sind. "Es muss mehr um Qualität und weniger um Quantität in der Entwicklungszusammenarbeit gehen", sagt Vöcking. Qualität könnte die Weltbank nun auch zeigen, indem sie die gewaltsam Vertriebenen in Äthiopien entschädigt. Ob, wie und wann so etwas geschieht, kommentierte Präsident Kim auf der Homepage der Weltbank nicht.