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Weißrussland droht mit Gasboykott

27. Dezember 2006

Der Streit um die Gaspreiserhöhung zwischen dem russischen Gazprom-Konzern und Weißrussland eskaliert. Indirekt drohte Weißrussland damit, seine Leitungen nach Deutschland zu sperren.

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Ersatzstücke für eine Gaspipeline
Europa könnte in die leere Gas-Röhre gucken, droht Weißrusslands RegierungBild: AP

Der russische Gazprom-Konzern will Weißrussland den Gashahn abstellen, falls das Nachbarland nicht bis zum 1. Januar einem neuen Vertrag mit höheren Preisen zustimmt. Zugleich wurden die Gazprom-Kunden in Westeuropa vor möglichen Versorgungsengpässen bei Gaslieferungen über Weißrussland gewarnt, wie die Moskauer Nachrichtenagentur Interfax am Mittwoch (27.12.2006) meldete. Offenbar rechnet Gazprom damit, dass Weißrussland im Fall eines Lieferstopps Erdgas für die eigenen Bedürfnisse abzweigen könnte.

Eine Frau im weißrussischen Belarus beim Heizen mit Holz
Hitzige Verhandlungen im kalten Winter: Eine Frau im weißrussischen Belarus beim Heizen mit HolzBild: AP

Der weißrussische Vize-Ministerpräsident Wladimir Semaschko zeigte sich allerdings überzeugt, dass Gazprom seinem Land nicht den Gashahn abdrehen werde. "Wir sind voneinander abhängig. Wenn wir keinen Liefervertrag bekommen, wird Gazprom keinen Durchleitungsvertrag haben", sagte Semaschko. Er betonte, neben dem Vertrag über Gaslieferungen an sein Land liefe auch das Transitabkommen zum Jahresende aus. Durch weißrussische Pipelines strömen 29 Prozent der russischen Gasexporte nach Westen.

Weißrussland soll Kontrolle über Pipelines aufgeben

"Ich denke, Gazprom sollte ein Signal geben und nach Minsk kommen. Jetzt sind sie an der Reihe", erklärte der Vize-Ministerpräsident. Am Dienstag waren die Verhandlungen in Moskau ergebnislos abgebrochen worden. Gazprom wollte ursprünglich den Preis für Weißrussland von 46 auf 200 Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas mehr als vervierfachen. Zuletzt hatte der Gasriese seine Forderung für 2007 auf 110 Dollar gesenkt für den Fall, dass er die Kontrolle über das strategisch wichtige Transitpipelinenetz Weißrusslands erhalte. Derzeit zahlt das Land 46,7 Dollar - genauso viel wie Verbraucher in Russland. Gazprom berechnet Moldawien im kommenden Jahr 170 Dollar und Georgien 235 Dollar. In Europa verkauft Gazprom zu mehr als 250 Dollar.

Politische Einflussnahme per Gashahn?

Enge Verbundenheit: Gazprom-Chef Alexej Miller und der russische Präsident Waldimir Putin
Enge Verbundenheit: Gazprom-Chef Alexej Miller und der russische Präsident Waldimir PutinBild: AP

Russland hatte Weißrussland bereits vor zwei Jahren vorübergehend den Gashahn zugedreht. Dies hatte auch die russischen Gasexporte nach Deutschland kurzzeitig beeinträchtigt. Gazprom beschuldigte Weißrussland, Gas aus den Pipelines für seine eigenen Zwecke abgezweigt zu haben. Im Januar hatte Russland - mitten im Winter - auch Gasexporte an die Ukraine vorübergehend gestoppt. Das zuvor auf Westkurs umgeschwenkte Land hatte dies als Versuch politischer Einflussnahme verurteilt.

Berlin sieht keinen Anlaß zur Sorge

Die Bundesregierung sieht die Versorgung Deutschlands mit Gas aus Russland ungeachtet des russisch-weissrussischen Streits um Preiserhöhungen nicht gefährdet. Zugleich appellierte sie an die Regierungen beider Länder, eine faire Lösung in ihrem Konflikt zu finden. Deutschland ist der größte Gazprom-Kunde in Europa und wird vor allem über Leitungen durch Weißrussland und die Ukraine versorgt.

Regierungssprecher Thomas Steg sagte am Mittwoch in Berlin,
es gebe keine Hinweise darauf, dass Russland seinen Lieferverpflichtungen nicht nachkommen wird oder nicht nachkommen wollte. "Unser Interesse ist, dass bei Streitigkeiten um die Preisgestaltung zwischen diesen beiden Ländern die Versorgung Deutschlands und Westeuropas nicht berührt ist und
die Beteiligten ihren Verpflichtungen auch gegenüber den
Abnehmern hier in Westeuropa und in Deutschland nachkommen", unterstrich Steg.

Der Regierungssprecher zeigte zugleich Verständnis für die
russische Forderung nach höheren Preisen. Es gehe um die Anpassung bestehender Preise an das Weltmarktniveau. "Dieser Vorgang ist nachvollziehbar, die Bundesregierung hat dafür in
der Vergangenheit grundsätzlich Verständnis geäußert", sagte
Steg. Allerdings müssten Anpassungsprozesse mit Übergangsfristen
und planbar vollzogen werden, "sie können nicht eruptiv
vollzogen werden und dann Volkswirtschaften überfordern", sagte
Steg.


Gasreserven in Deutschland und Österreich

Logo Gazprom
Europa brauche sich ums Gas nicht zu sorgen, meint der weltgrößte GaskonzernBild: AP

Der weltgrößte Energiekonzern teilte am Dienstag mit, in Deutschland und Österreich seien zusätzliche Gasvorräte angelegt worden, um mögliche Lieferengpässe zu überbrücken. "Es gibt keinen Grund zur Sorge bei den europäischen Verbrauchern", sagte ein Gazprom-Sprecher im russischen Fernsehen. Gazprom-Exportchef Alexander Medwedew sagte, sein Unternehmen werde die Belieferung Weißrusslands zum 1. Januar stoppen, die Transitlieferungen aber fortsetzen. Die weißrussische Regierung wies ein solches Szenario zurück: "Ich bin mir sicher, dass wir noch vor Jahresende einen Vertrag unterzeichnen. Anders geht es nicht", sagte ein Vertreter des Energieministeriums.

In Branchenkreisen hieß es, Gazprom habe im deutschen Lager Rheden viel größere Reserven angelegt als im vergangenen Jahr. Rheden ist der größte Gasspeicher von Wingas, dem Gemeinschaftsunternehmen von Gazprom und dem deutschen Chemiekonzern BASF. Dort können bis zu vier Milliarden Kubikmeter Gas gelagert werden, was knapp fünf Prozent des jährlichen Verbrauchs in Deutschland entspricht. So könne mehrere Wochen vertragsgemäß an Europa Gas geliefert werden, auch wenn der Transport durch die Pipelines in Weißrussland eingeschränkt würde, hieß es in den Kreisen. Das Bundeswirtschaftsministerium äußerte sich dazu nicht. (AL)