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"Weil es nicht Europa oder Nahost ist, schaut man weg"

Das Interview führte Naser Shrouf18. Juli 2006

Anlässlich der Geberkonferenz zum Darfur fordert Kerstin Müller, außenpolitische Sprecherin der Grünen, die sudanesische Regierung unter Druck zu setzen, einer UN-Mission im eigenen Land zuzustimmen.

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Die Afrikanische Union allein ist nicht in der Lage den Konflikt im Darfur zu lösenBild: AP

DW-WORLD.DE: Sie fordern ein klares Signal der Geberkonferenz für Darfur. Wie sollte das aussehen?

Also erstmal ein klares Signal mit der Forderung nach einem Ende der Gewalt. Seit 2003 tobt dort der Bürgerkrieg. Die Dschandschawid-Milizen, die von der Regierung in Khartum ausgestattet wurden, gehen nach wie vor mit Gewalt gegen die Bevölkerung vor, vertreiben sie. Massenvergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Zwei Millionen Menschen leben inzwischen in Flüchtlingslagern. Fast 300.000 sind umgekommen. Manche sprechen sogar von Völkermord. Die internationale Gemeinschaft ist hier in der Verantwortung, klare Signale an beide Seiten zu senden, dass die Gewalt beendet wird.

Kerstin Müller, MdB
Kerstin Müller war selbst vor Ort im DarfurBild: Bundestag

Wie kann das Ausland Druck auf die sudanesische Regierung ausüben, damit sie einer UN-Mission zustimmt?

Bisher versucht eine Mission der Afrikanischen Union, die Bevölkerung zu schützen. Leider ist diese dazu nicht in der Lage und man hat jetzt beschlossen, dass die Vereinten Nationen hier spätestens Ende des Jahres übernehmen sollen. Aber die sudanesische Regierung stimmt einer solchen Mission der Vereinten Nationen in Darfur nicht zu. Wir brauchen aber eine UN-Mission und zwar mit einem robusten Mandat, die wirklich in der Lage ist die Bevölkerung zu schützen. Ich erwarte von der deutschen Bundesregierung und von der internationalen Gemeinschaft, dass sie Druck auf die sudanesische Regierung ausübt, einer solchen UN-Mission zuzustimmen. Wenn das nicht reicht, dann sollten personenbezogene Sanktionen eingesetzt werden, zum Beispiel gegen den Präsidenten oder gegen einzelne Mitglieder der Regierung. Das ist nach den UN-Resolutionen möglich, wird aber leider nicht gemacht, auch nicht von den Europäern. Hier hätte man Instrumente, wie man die Regierung in Khartum zu einer Zustimmung bringt und dann zügig eine UN-Mission ins Land bringen kann.

Flüchtlinglager in Darfur Sudan
Zwei Millionen Menschen leben in FlüchtlingslagernBild: AP

Warum tut sich die Staatengemeinschaft so schwer, die Verbrechen in Darfur als Genozid zu bezeichnen?

Es hat im letzten Jahr eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen gegeben. Die hat von schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesprochen, aber eben gesagt, sie sieht keinen Völkermord. Man könne das der Regierung in Khartum nicht nachweisen. Ich bin ja mehrfach in der Region gewesen. Es ist ganz klar, es geht hier auch um ethnische Vertreibungen und zwar großen Ausmaßes, indem die Dschandschawid-Milizen von der Regierung ausgerüstet wurden und Unterstützung erhalten haben, etwa durch Bombardierungen und Militärflüge. Also ganz klar schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich würde sogar von einem schleichenden Völkermord sprechen, deshalb bin ich auch der Meinung, dass die internationale Gemeinschaft hier in der Pflicht und in der Verantwortung ist. Kofi Annan hat darauf auch immer hingewiesen. Für mich ist der Konflikt ein ganz wichtiger. Ein zweites Ruanda darf nicht geschehen. Ich habe die Sorge, dass man, weil es eben nicht um Europa geht, nicht um Nahost, sondern um Afrika, gerne wegschaut oder der Meinung ist, die Afrikaner sollen das selber lösen. Dazu sind sie aber nicht in der Lage, wie man an der Mission der Afrikanischen Union sieht. Und wir haben auch in Afrika die Verantwortung die Menschen zu schützen.