Weiberfastnacht? Na klar!
8. Februar 2018Im Rheinland ist Weiberfastnacht ein inoffizieller Feiertag. Um Punkt 11 Uhr 11 wird vielerorts der Griffel fallen gelassen. Dann wird ausgelassen auf den Straßen und in den Kneipen gefeiert. Enger Körperkontakt mit wildfremden Menschen gehört zum Karneval wie die Musik und das Bier: Man hakt sich ein und schunkelt - und "Bützje" (Küsschen) werden in hoher Frequenz verteilt. Das sogenannte "Stippeföttche" ist ein traditioneller Tanz, bei dem das Tanzpaar - das meistens aus zwei Männern besteht - seine Hinterteile aneinander reibt. Ist diese mitunter frech-erotische Art zu feiern mitten in der #metoo- und Sexismusdebatte noch zeitgemäß? Für traditionsbewusste Jecke (und Jeckinnen) stellt sich diese Frage nicht. Denn Karneval ist nicht nur wildes Feiern und Trinken, sondern auch ein jahrhundertealter Brauch.
Der Tag, an dem selbst Nonnen Schnaps trinken durften
Im Mittelalter durften sich die Damen des besseren Standes an diesem Tag mal so richtig daneben benehmen. Am "der lieben Weiber Sauftag" wurde geschlemmt und gefeiert. Im 18. Jahrhundert gab es auch in einigen Klöstern einen solchen Ausnahmetag. Die Nonnen durften nicht nur ordentlich essen und trinken, auch Glückspiel war erlaubt und Tanz bis in den Morgen. Im 19. Jahrhundert schließlich legten ein paar Wäscherinnen in Beuel bei Bonn den Grundstein zu den heutigen Weiberfastnachtsbräuchen. Diese Frauen mussten täglich bis zu 16 Stunden arbeiten - nicht nur für die hohen Herren aus dem Umkreis - sie mussten auch die Schmutzwäsche ihrer eigenen Männer waschen, damit diese in sauberen Hemden feiern konnten. Im benachbarten Köln gab es nämlich dieses neuartige Karnevalsfest, das die Herren zu gerne besuchten, während ihre Frauen neben der Wäscherei auch noch die Kinder versorgen mussten.
Im Jahr 1824 war Schluss damit. Die Frauen ließen an diesem Donnerstag ihre Arbeit ruhen und trafen sich in einem Wirtshaus, um ordentlich über ihre Männer zu schimpfen. Dass dabei nicht nur Kaffee und Tee getrunken wurde, ist klar. Das "Beueler Damenkomitee" wurde gegründet, unter dem Vorsitz der "Obermöhn", der klügsten Frau des Clübchens. Der Brauch festigte sich und Beuel wurde zu einer rheinischen Karnevalshochburg. Die Waschweiber sind zu einer festen Institution im Bonn-Beueler Karneval geworden. Mit der Erstürmung des Rathauses reißen die Frauen an Weiberfastnacht die Macht an sich.
Die Beueler Idee hatte sich schnell im Rheinland rumgesprochen. So machten es viele Frauengruppen den Beueler Wäscherinnen nach und stürmten die Rathäuser in vielen Städten und Gemeinden.
Schnippschnapp - Krawatte ab!
Bis heute hat sich auch der Brauch bewahrt, Männern ihre Krawatten als Symbol der männlichen Macht - ein Schelm, wer da Schlimmeres denkt - abzuschneiden. Die Krawatten werden wie Skalps gesammelt - für die Männer gibt's aber eine Gegenleistung: Ein "Bützchen". Aber Vorsicht, liebe Damen: Nicht jeder Mann kennt diesen Brauch. Es sind schon Fälle vor Gericht gekommen, in denen die Täterinnen auf Schadenersatz verklagt worden sind. Der Grundsatz "Er ist es selber schuld, wenn er heute seine Versace-Krawatte trägt", gilt leider vor Gericht nicht. Die meisten Männer aber wissen im Rheinland Bescheid und tragen absichtlich ihre hässlichsten Schrottkrawatten, die sie sich dann bereitwillig abschneiden lassen.
Narrenfreiheit herrscht dennoch nicht
Natürlich ist die #metoo-Debatte auch im Karneval angekommen. Köln ist ohnehin sensibilisiert, da die Vorfälle in der Silvesternacht von 2015, wo hunderte von Frauen im engen Getümmel belästigt worden waren, noch gut im Gedächtnis geblieben sind. Doch das ungeschriebene Gesetz, dass beide einverstanden sein müssen, wenn es ums "bützen" (küssen) geht, ist nicht erst seit damals oder im Zuge der #metoo-Debatte eine Frage der Selbstverständlichkeit. In vielen Programmen, gerade in denen der alternativen Karnevalssitzungen, nehmen Frauen das Thema Sexismus auf satirische Art auseinander - so werden etwa in der "Immisitzung" mal kurz die Rollen vertauscht: Die Chefin fragt den männllichen Bewerber, ob mit seiner Prostata noch alles in Ordnung ist und will den Rest des Gesprächs im Hotelbett erledigen. In der "Stunksitzung" fasst Sitzungspräsidentin Biggi Wanninger die #metoo-Debatte mit einer Zote zusammen: "Der durchschnittliche Mann hat ein Hirn und zwei Eier. Da sind die Mehrheitsverhältnisse doch schon klar!" Und die Komikerin Carolin Kebekus zeigt in ihrer Sitzung klare Kante als emanzipierte Frau: "Welchen Lappenclown ich nach Hause mitnehme, das ist immer noch meine Entscheidung!"