1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Was plant Algeriens Armeechef?

Ismail Azzam | Nermin Ismail
8. Mai 2019

General Salah entledigt sich politischer Konkurrenten aus dem Umfeld von Ex-Präsident Abdelazi Bouteflika und erweist sich als mächtigster Mann Algeriens. Aber wird er das Land wirklich in Richtung Demokratie führen?

https://p.dw.com/p/3I54I
Algerien, Algier: General Gaid Salah
Bild: picture-alliance/dpa/A.Belghoul

Mehr als ein Monat ist seit dem erzwungenen Rücktritt von Langzeit-Präsident Abdelaziz Bouteflika vergangen - doch die Proteste auf Algeriens Straßen wollen nicht aufhören. Erst am vergangenen Freitag zogen wieder Tausende Menschen in Algier und anderen Städten auf die Straßen, um ihren Unmut über den stockenden politischen Reformprozess auszudrücken. Zunehmend ins Visier der Protestbewegung gerät dabei auch der eigentlich starke Mann des Landes, Armeechef Ahmed Gaid Salah. "Nein zur Herrschaft des Militärs", war auf Transparenten zu lesen. Reporter der französischen Nachrichtenagentur AFP berichteten von Sprechchören, in denen der General direkt zum Rücktritt aufgefordert wurde.

Algerien Massenproteste gegen Regierung
Es war der elfte Freitag in Folge, an dem sich eine große Menschenmenge in der Hauptstadt Algier versammelte Bild: Getty Images/AFP/R. Kramdi

Dabei war es Salah gewesen, der Anfang April nach wochenlangen Großdemonstrationen die politische Notbremse gezogen und Bouteflikas Rücktritt erzwungen hatte. Viele Demonstranten zeigten sich zunächst dankbar dafür und jubelten. Doch gab es von Beginn an auch mahnende Stimmen, die auf zwei grundlegende Probleme hinwiesen: Erstens hat der Armeechef laut Verfassung keinesfalls ein Mandat dafür, amtierende Präsidenten abzusetzen - auch nicht solche, die in der Bevölkerung unbeliebt sind oder durch manipulierte Wahlen künstlich im Amt gehalten werden. Und zweitens ist General Salah höchst persönlich bereits seit Jahrzehnten selbst ein fester Bestandteil des komplexen algerischen Machtapparats aus korrupten Geschäftsleuten, alten Parteikadern und Militärs, auch wenn es bisher keine ernstzunehmenden Bestechungs- oder Bereicherungs-Vorwürfe gegen ihn gibt.

"Unterminierung der Autorität der Armee"

Im Gegenteil: Es erscheint derzeit so, als wolle sich der General sehr bewusst den Ruf eines unbeirrbaren Korruptionsbekämpfers erkämpfen - und damit auch Sympathiepunkte in der Bevölkerung sammeln. Bereits in den vergangenen Wochen waren mehrere Personen aus dem Umfeld von Ex-Präsident Bouteflika verhaftet worden, darunter mehrere Spitzenindustrielle. Am vergangenen Sonntag ereilte dieses Schicksal auch Bouteflikas Bruder und engsten Vertrauten, Said Bouteflika, sowie die beiden früheren führenden Geheimdienst-Kader General Mohamed Mediéne, genannt "Toufik" und Athmane Tartag, auch bekannt als "Bachir". "Verschwörung gegen die Autorität des Staates" und "Unterminierung der Autorität der Armee" lauten die Vorwürfe gegen die drei Bouteflika-Vertrauten. Kaum jemand in Algier zweifelt daran, dass General Salah die Festnahmen der drei Männer veranlasst hat.  

Salah hatte Mediéne zuvor öffentlich beschuldigt, sich gegen den Volksaufstand verschworen zu haben. In einer früheren Rede hatte der General "elende Verschwörungen einer Bande" kritisiert, die "Betrug und Fehlverhalten zu ihrer Berufung" gemacht habe. Gemeint war damit offensichtlich vor allem Said Bouteflika und sein Umfeld. "Diese ganzen Gerichtsverfahren sind doch nur ein Versuch, innerhalb des Systems offene Rechnungen mit Personen zu begleichen, die längst als Geheimdienstoffiziere in den Ruhestand versetzt wurden", meint dazu der politisch oppositionell eingestellte Universitätsprofessor Ismail Meraaf aus Algier in einem Interview mit der DW. "Medial werden diese Schritte des Militärs dann als Teil der Erfüllung von Forderungen des Volksaufstands inszeniert." Meraaf hält dagegen: "Dabei war Salah doch selbst Teil der Verbrecherbande und hat diese beschützt!"

Algerien Abdelaziz Bouteflika und Ahmed Gaid Salah
Armeechef Ahmed Gaed Saleh bezeichnet die Elite des Landes als "Bande" und will sie zur Verantwortung ziehenBild: picture-alliance/abaca/K. Mohamed

Viele Demonstranten beobachten Salahs Schachzüge kritisch. Sie befürchten, dass das Militär durch weitere direkte Einmischung den Aufstand der Bevölkerung für eigene Zwecke missbrauchen könnte. Auch der Anwalt und politische Aktivist Tarek Marah aus der nordost-algerischen Stadt Tebessa befürchtet dies. "Das werden die Demonstranten aber nicht akzeptieren", sagte Marah im DW-Gespräch. "Ich gehe deshalb von weiteren Protesten aus."

Grundsätzlich hat das Militär in Algerien heute noch einen guten Ruf als Befreier vom Kolonialismus. Unbehagen bereitet vielen Demonstranten jedoch, dass General Salah die Unterstützung der Golfstaaten genießt - ähnlich wie der ägyptische General und heutige Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, der 2013 zur Genugtuung Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate den frei gewählten Präsidenten Mohamed Morsi von der Muslimbruderschaft gestürzt und danach ein noch repressiveres Regime etabliert hatte. "Gaid Saleh soll jetzt der Al-Sisi von Algerien werden", ist Ismail Meraaf überzeugt. Er hat deswegen auch nur wenig Vertrauen in die für Anfang Juli angekündigten Neuwahlen. Dort werde zwar formell ein neuer Präsident gewählt, so der Universitätsprofessor. Aber es bestehe die große Gefahr, dass General Salah weiterhin der eigentliche Machthaber hinter den Kulissen sein werde.