Was man zu den Paralympics wissen muss
Veröffentlicht 26. August 2024Zuletzt aktualisiert 27. August 2024Am 28. August beginnen die Paralympics in Paris. Die französische Hauptstadt ist vorbereitet, und die Vorfreude bei den Sportlerinnen und Sportlern steigt. "Wir bewegen uns auf einem höheren Level als noch vor ein paar Jahren", freute sich Para Leichtathlet Johannes Floors im DW-Interview über die Entwicklung der Paralympics.
Auch die Verantwortlichen schauen mit großer Freude auf das größte Sport-Event für Menschen mit Behinderung, das eine ähnliche Erfolgsgeschichte schreiben sollen, wie die vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Olympischen Spiele .
"Wir sind begeistert, dass wir die gleichen Zutaten der olympischen Magie finden, aber im paralympischen Modus, an den gleichen ikonischen Austragungsorten, um die besten Athleten der Welt zu präsentieren", sagte Tony Estanguet, Chef des Organisationskomitees sowohl der Olympischen als auch der Paralympischen Spiele 2024 in Paris.
Größtes Refugee Team, Kritik an Starterlaubnis für Russland und Belarus
Bei den Paralympics starten rund 4000 Athletinnen und Athleten in 22 Sportarten. Ein Starterlaubnis besitzen auch 98 Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus. Allerdings dürfen sie infolge der Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges nur als neutrale Athleten ohne die Flagge ihres Heimatlandes starten. Sie werden nicht an der Eröffnungsfeier teilnehmen und die Nationalhymne wird im Siegesfall ebenfalls nicht gespielt. Bei den Olympischen Spielen waren nur 15 Russen und Belarussen an den Start gegangen.
"Die gehören nicht dahin", kritisierte Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) die Starterlaubnis. "Wenn von Olympischen und Paralympischen Spielen Friedensbotschaften ausgehen sollen, dann darf man einem Aggressor, der ein anderes Land überfällt und dort Tod sowie Verderben schafft, nicht mit seinen Athleten die Möglichkeit geben, dass sie neben den ukrainischen Sportlern in einem Wettkampf stehen."
Acht Sportlerinnen und Sportler bilden in Paris gemeinsam das bisher größte Refugee Paralympic Team. Die Aktiven repräsentieren die weltweit mehr als 120 Millionen vertriebenen Menschen. Bei den Paralympischen Spielen 2021 In Tokio war ein sechsköpfiges Flüchtlingsteam an den Start gegangen.
Nach Angaben der Organisatoren waren einige Tage vor der Eröffnungsfeier mehr als die Hälfte der rund 3,4 Millionen Eintrittskarten für die 164 Wettkämpfe verkauft. Die Verantwortlichen haben in den vergangenen sieben Jahren rund 125 Millionen Euro investiert, um die französische Metropole inklusiver zu gestalten. Öffentliche Gebäude und der Nahverkehr wurden zugänglicher gemacht, für Menschen mit Sehbehinderung wurden 10.400 akustische Module an kritischen Kreuzungen angebracht.
76 Jahre Paralympics-Geschichte
Im Sommer 1948 organisierte der deutsche Neurologe Ludwig Guttmann , der 1939 als Jude vor den Nazis nach Großbritannien geflüchtet war, in London den ersten Wettkampf für Rollstuhlsportler, den er "Stoke Mandeville Games" nannte. Das war der Ursprung der Paralympischen Spiele, die erstmals 1960 in Rom mit 400 Athleten aus 23 Ländern ausgetragen wurde. Seitdem finden sie alle vier Jahre statt.
1976 wurden in Schweden die ersten Winterspiele in der Geschichte der Paralympics veranstaltet, die seitdem ebenfalls im Vierjahres-Rhythmus ausgetragen werden. Seit 1988 finden die Spiele aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) am selben Ort wie die Olympischen Spiele statt.
Wichtige Botschaft mit wachsender Bedeutung
Die Paralympics sind eines der wichtigsten Events im Parasport. Die Zahl der teilnehmenden Sportlerinnen und Sportler ist stetig gestiegen und auch das mediale Interesse wächst kontinuierlich. "Der Medienandrang wird immer größer, und die Fragen in Interviews werden immer universeller," sagte Para Sprinter Floors der DW.
Es gehe nicht mehr nur um die Behinderung eines Menschen, sondern vermehrt auch um die Personen, den Charakter, die Motivation, so der Paralympics-Sieger von Tokio 2021. "Es ist viel mehr Hintergrund-Interesse vorhanden."
Für Para Schwimmerin und Weltmeisterin Elena Semechin sind die Paralympics mehr als reine sportliche Wettkämpfe. "Ich sehe das auch als eine Botschaftertätigkeit, als Vorbild für andere Menschen. Deshalb ist es für mich umso wichtiger, bei den Spielen Deutschland und unseren Sport repräsentieren zu dürfen", sagte die Goldmedaillen-Gewinnerin von Tokio im DW-Interview.
"Es ist das Größte, was man machen kann", findet auch der Para Radsportler Thomas Ulbricht. "Man will sich präsentieren, will die Eltern stolz machen und natürlich auch das Land", so der 39-Jährige, der bereits zum fünften Mal bei Paralympics an den Start geht.
Mehr Barrierefreiheit nach Olympia
Nach Olympia ist vor den Paralympics. Das bedeutete für die Veranstalter in Paris unter anderem, dass die Wettkampfstätten und auch das Olympische Dorf, wo die Athletinnen und Athleten während der Spiele wohnen, teilweise umgebaut werden mussten. "Öffentliche Plätze, Straßen, Bürgersteige und Fußgängerüberwege wurden so gestaltet, dass Rollstuhlfahrer sie problemlos benutzen können", erklärte Laurent Michaud, der Leiter des Dorfes. "Dies entspricht den universellen Standards für Barrierefreiheit, die für neue Stadtentwicklungen vorgeschrieben sind."
Im Olympischen Dorf werden nur die Wohnungen genutzt, die über mindestens ein behindertengerechtes Badezimmer verfügen. In den Außenbereichen wurden schlecht sichtbare Hindernisse farblich markiert und bei den Wettkampfstätten Rampen für Rollstuhlfahrer errichtet.
Auch bei den Paralympics wird die Diskussion um die Wasserqualität der Seine weitergehen, denn wie bei Olympia soll das Schwimmen bei den Triathlon-Wettkämpfen in dem Fluss im Zentrum von Paris ausgetragen werden. Im Gegensatz zu den Olympischen Spielen gibt es jedoch bei den Paralympics keine Wettbewerbe im Freiwasserschwimmen. Dafür gehört Boccia - anders als bei Olympia - seit 1984 zum paralympischen Programm. 2028 in Los Angeles wird Para-Klettern als Sportart dazukommen, sieben Jahre nach dem olympischen Debüt des Sportkletterns in Tokio.
Team D Paralympics: Bestleistungen als Ziel
Deutschland wird mit 143 Athletinnen und Athleten in 18 der 22 Sportarten um bestmögliche Platzierungen und Medaillen kämpfen. Lediglich im Blindenfußball, Goalball, Para Gewichtheben und Para Taekwondo ist das Team D Paralympics nicht am Start.
"Wir erhoffen uns natürlich sportlichen Erfolg, woran auch immer er sich am Ende misst. Natürlich im Medaillenspiegel, aber auch in Platzierungen", sagte Karl Quade, der Chef de Mission bei den Paralympics, der DW. "Wir erhoffen uns, dass viele, am besten alle Athletinnen und Athleten dort im Rahmen ihrer persönlichen Bestleistungen agieren."
Auch Para Sprinter Floors möchte nach Edelmetall in Tokio erneut auf das Treppchen. "Mein Ziel ist es, die Goldmedaille über 400 Meter zu gewinnen."