Was haben Blutgruppen mit COVID-19 zu tun?
15. Oktober 2020Warum merken einige Menschen noch nicht einmal, dass sie sich infiziert haben, wohingegen andere medizinisch behandelt und beatmet werden müssen und im schlimmsten Fall versterben? Wegen dieser so unterschiedlichen Verläufe ist es schwierig herauszufinden, wie viele Menschen nun tatsächlich infiziert sind und wie viele bereits eine Immunität aufgebaut haben. Die Dunkelziffer ist entsprechend hoch.
Die Blutgruppe im Fokus
Deutsche und norwegische Forscher hatten bereits Anfang des Sommers die verschiedenen Blutgruppen im Zusammenhang mit dem Verlauf der COVID-19-Erkrankung analysiert. Sie waren zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen, die sie am 17. Juni in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht hatten. Bereits Anfang Juni hatten sie ihre Forschung als vorläufige Ergebnisse bekanntgemacht. Ein Grund für die sehr unterschiedlichen Verläufe könnte die jeweilige Blutgruppe der Patienten sein. Die Forscher haben untersucht, welche Rolle sie bei Menschen mit besonders schwerem Verlauf haben könnte.
Das Corona-Rätsel
Forscher haben in einer Studie 1610 Patienten mit COVID-19-Atemversagen untersucht. Diese Menschen kamen aus den Epizentren in Italien und Spanien, wo das Corona-Virus besonders stark gewütet hat. Sie kamen aus Mailand, Monza, Madrid, San Sebastian und Barcelona. Die Patienten hatten einen besonders schlimmen Verlauf, einige überlebten nicht.
Die Wissenschaftler haben DNA-Material der Erkrankten an bestimmten Stellen untersucht. Das sind Stellen, an denen es häufig zu Varianten kommt. Die genetischen Merkmale, die dabei herauskamen, wurden mit Blutproben von 2205 gesunden Menschen verglichen.
Ein erstes Ergebnis: Menschen mit Blutgruppe A scheinen ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf zu haben. Diese Blutgruppe haben in Deutschland 43 Prozent der Bevölkerung. Bei ihnen könnte die Wahrscheinlichkeit, bei einer Infektion mit dem Corona-Virus Sauerstoffversorgung oder Beatmung zu benötigen, doppelt so hoch sein wie bei Menschen mit Blutgruppe 0, die 41 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat.
Sie können sich in der derzeitigen Situation offenbar glücklich schätzen, aber auch sie sind nicht gegen eine Infektion mit dem Virus gewappnet. Bei ihnen besteht laut der Studie die geringste Gefahr für einen schweren Verlauf.
Auch beim Blutspenden ist die Gruppe 0 besonders. Menschen mit der Blutgruppe 0 - (Minus) kommen als Spender für jeden infrage. Sie sind Universalspender.
Die Blutgruppen B und AB sind mit elf beziehungsweise fünf Prozent nicht so weit verbreitet und liegen bei den entsprechenden Untersuchungen zu COVID-19 und der Rolle der Blutgruppen dazwischen.
Immer mehr Studien mit ähnlichem Ergebnis
Seitdem sind weitere Studien hinzugekommen, die die ursprünglichen Ergebnisse erhärten. So erschienen am 14. Oktober zwei Studien (hier und hier) in der Fachzeitschrift Blood Advances die ebenfalls leichtere Krankheitsverläufe bei Blutgruppe 0 zeigen. Praktisch zeitgleich berichtet die Medizinische Universität Graz über eine eigene Versuchsreihe, die dem Phänomen weiter auf den Grund gehen soll.
Einfluss auf Therapien
Bestätigen sich die Ergebnisse der Studie, hilft das auch bei der Entwicklung verschiedener medikamentöser Therapien. Ähnliche Ansätze wie die zum Zusammenhang zwischen COVID-19-Verläufen und den Blutgruppen gab es bereits bezüglich anderer Krankheiten.
Bei Malaria beispielsweise hatten Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und verschiedenen Blutgruppen hergestellt. So ist mittlerweile bekannt, dass Menschen mit Blutgruppe 0 (Null) äußerst selten an schwerer Malaria erkranken und sehr gut gegen einen heftigen Verlauf geschützt sind. Bei diversen Krankheiten wiederum schützen andere Blutgruppen den menschlichen Körper am besten. Das trifft auf die Rolle der Blutgruppe A bei der Pest zu.
Lange standen für die Forscher Risikopatienten im Vordergrund. Das sind diejenigen, die bestimmte Vorerkrankungen haben und / oder ein gewisses Alter. Auch Raucher gelangten in den Fokus. Waren sie durch das Corona-Virus stärker gefährdet als Nichtraucher? Jetzt verfolgen Forscher also eine weitere Spur im Corona-Labyrinth.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde aufgrund der Veröffentlichung neuer Studien mehrfach aktualisiert.