Was bringt die neue deutsche Afrika-Strategie?
25. Januar 2023Im Vergleich zu ihrem Vorgänger gibt sich Entwicklungsministerin Svenja Schulze bescheiden. Ex-Minister Gerd Müller hatte sein Konzept gleich zum "Marshallplan mit Afrika" deklariert und 2017 mit großen Fanfaren vorgestellt. Im politischen Berlin denkt daran gerade niemand mehr, große Teile sind Papier geblieben und der zumindest rhetorisch äußerst umtriebige CSU-Minister hat sich aus der Politik zurückgezogen.
Bei Schulze heißt die Afrika-Strategie im Untertitel wieder Afrika-Strategie. Aber der Titel verrät, dass sich die SPD-Politikerin, seit Ende 2021 im Amt, ebenfalls Großes vorgenommen hat. "Gemeinsam mit Afrika Zukunft gestalten", heißt ihr Papier. "Wir wollen eben nicht, dass die Länder dauerhaft von uns abhängig sind", sagt Schulze bei der Vorstellung zur DW. "Wir sehen, wie sich Afrika entwickelt, welches Innovationspotenzial da ist, wie viele junge Menschen dort sind. Und wir wollen Netzwerke aufbauen, Partnerschaften, von denen beide profitieren und nicht nur der eine Partner."
Und diese Partnerschaften sollen neue Schwerpunkte haben. Wie schon im Koalitionsvertrag spielt das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle. Kaum verwunderlich im Zeitalter des Klimawandels, dessen Effekte afrikanische Länder deutlich spüren. Deutschland will daher den sozialen und klimafreundlichen Umbau der afrikanischen Wirtschaft fördern. Konkret will das Entwicklungsministerium beispielsweise Länder dabei unterstützen, erneuerbare Energien auszubauen. Außerdem sollen neue Jobs gerade für junge Menschen geschaffen werden. Laut Ministerium müssten pro Jahr 25 Millionen neue Arbeitsplätze auf dem Kontinent entstehen. Denn Afrika wächst - bis 2050 könnten 2,5 Milliarden Menschen auf dem Kontinent leben.
"Setzt den richtigen Ton"
Die Schwerpunkte im neuen Konzept seien richtig gesetzt, lobt Olawunmi Ola-Busari, Analystin im Südafrika-Büro der entwicklungspolitischen Organisation ONE. "Die neue Afrikastrategie des BMZ setzt den richtigen Ton, um Deutschlands Entwicklungsbeziehungen zu Afrika weiter voranzubringen. Sie erkennt Afrikas wachsenden Einfluss in der Welt an und will die Prioritäten unterstützen, die sich die Afrikaner in der Agenda 2063 (dem Entwicklungsplan der Afrikanischen Union) selber gegeben haben", sagt sie zur DW.
Doch in einem entscheidenden Punkt ist die Strategie eine klare Abkehr vom bisherigen Kurs. Der Marshallplan wollte noch im großen Stil deutsche Firmen animieren, in Afrika zu investieren. Dazu hatte Ex-Minister Müller zahlreiche Förderprogramme versprochen und auch teilweise eingeführt. "Die wirtschaftliche Kooperation spielt hier in diesem Konzept keine große Rolle", sagt der deutsche Afrika-Experte Robert Kappel zur DW.
Lediglich bestehende Programme sollten fortgesetzt werden. Außerdem fehle ein Plan, wie die Handelsbeziehungen zwischen Afrika und Europa fairer gestaltet werden könnten - etwa mit Blick auf subventionierte Landwirtschaftsprodukte aus Europa, die afrikanischen Produzenten harte Konkurrenz machen. Ein Punkt, den auch afrikanische Regierungen immer wieder einfordern. "Hier hätte man sich etwas mehr erwartet", sagt Kappel.
Wirtschaft reagiert verschnupft
Wirtschaftsvertreter reagieren verschnupft auf das neue Papier: "Statt neue Impulse zur Förderung privatwirtschaftlicher Projekte und Investitionen zu setzen und damit der immer stärkeren Präsenz von Akteuren etwas entgegenzusetzen, die nach Einschätzung der Politik Systemwettbewerber sind, erschöpft sich das Papier weitgehend darin, bestehende Initiativen zu beschreiben und Absichtserklärungen zu formulieren", sagt Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. In der Praxis bleibt das deutsche Wirtschaftsengagement auf dem Kontinent aber weit hinter den Erwartungen der Politik zurück.
Eine andere Ankündigung könnte indes in Afrika heftige Diskussionen auslösen: Das Entwicklungsministerium will einen besonderen Fokus auf die Förderung von Frauen legen. So sollen die Finanzmittel, die einen direkten oder indirekten Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit leisten, bis 2025 auf 93 Prozent steigen. Das Ministerium verweist darauf, dass Frauen und Mädchen in Afrika noch immer diskriminiert werden. "Sie haben geringere Chancen auf eine gute Schul- und Ausbildung und sind überproportional im informellen Sektor tätig. In vielen afrikanischen Ländern werden Mädchen zwangsverheiratet und der Zugang zur Gesundheitsvorsorge und Verhütungsmitteln ist eingeschränkt", heißt es in der Strategie.
Auch wenn große Teile der afrikanischen Zivilgesellschaft die Pläne begrüßen dürften, könnte es die Beziehungen zu manchen Regierungen belasten. "Das wird sicherlich Diskussionen mit Regierungen und Organisationen auslösen", sagt Experte Kappel. Denn schon lange wettern verschiedene afrikanische Staatschefs gegen das, was sie als kulturelle Einmischung westlicher Länder empfinden. Und dazu gehören für manche männliche Politiker auch allzu deutliche Ansagen oder Maßnahmen westlicher Länder in puncto Gleichberechtigung.
Ähnlich könnte es bei der geplanten Unterstützung von LGBTQ-Personen aussehen. "Dort werden wir angesichts der fortgesetzten Diskriminierung und Kriminalisierung dieser Community in afrikanischen Ländern gemischte Reaktionen sehen", sagt ONE-Expertin Ola-Busari.
Was vom Schulze-Plan am Ende umgesetzt wird, hängt aus Sicht aller Experten nicht nur vom Entwicklungsministerium selber ab. "Das Ministerium kann nur Erfolg haben, wenn es Unterstützung vom Außen-, Wirtschafts- und Verteidigungsministerium bekommt. Wir fordern eine kohärente Afrikastrategie von der gesamten Bundesregierung", sagt Ola-Busari. Ihr Wunsch könnte aber gut unerfüllt bleiben. Schon 2017, als mehrere Ministerien gleichzeitig an Afrika-Konzepten tüftelten, forderten Experten ein schlüssiges deutsches Gesamtkonzept. Bis auf ein loses Eckepunkte-Papier folgte darauf nichts.