Was bringt Davos (außer Trump)?
22. Januar 2018Das diesjährige Motto des Weltwirtschaftsforum (WEF) lässt aufhorchen: "Eine gemeinsame Zukunft schaffen in einer zerrissenen Welt" (Creating a Shared Future in a Fractured World) - das klingt zunächst wie der Versuch, sich deutlich abzugrenzen von jenen, die für Populismus und Nationalismus stehen. Schließlich macht die in Davos versammelte globale Wirtschaftselite ihre Geschäfte am liebsten grenzüberschreitend.
Doch das WEF wäre nicht so erfolgreich, wenn es als Organisation immer klar Position beziehen würde. Und so ist das Forum in diesem Jahr eingerahmt von Nationalisten: Zur Eröffnung am Dienstag spricht der indische Ministerpräsident Narendra Modri, der sich selbst als Hindu-Nationalist bezeichnet, zum Abschluss am Freitag kommt dann US-Präsident Donald Trump, der für eine protektionistische Politik des "America first" steht.
Kein Widerspruch
Für WEF-Gründer und Chairman Klaus Schwab ist das kein Widerspruch zu den Werten des Forums, ganz im Gegenteil. Er sieht Davos als den idealen Ort, um Menschen mit unterschiedlichen Ansichten an einen Tisch zu bringen, etwa beim Thema globale Zusammenarbeit.
"Es geht hier um den Handel, die Umwelt, die Terrorbekämpfung, Steuersysteme und Wettbewerbsfähigkeit", so Schwab. "Und es ist äußerst wichtig, Präsident Trump bei uns zu haben."
Im Vorjahr hatte sich Chinas Präsident Xi Jinping in Davos als Fürsprecher des Freihandels präsentiert, obwohl seine Regierung ganz offen protektionistisch ist, weil sie Teile der Wirtschaft vor der internationalen Konkurrenz schützt.
Nun kann Trump die Gelegenheit nutzen, der versammelten Elite zu erläutern, warum seine Politik ganz im Sinne des offiziellen WEF-Mottos ist, "den Zustand der Welt zu verbessern".
Hohe Kosten
Zumal Trump nicht der einzige Vertreter der US-Regierung ist - gleich acht Kabinettsmitglieder kommen nach Davos, darunter auch US-Außenminister Rex Tillerson. Zum Aufwand der Reise gibt es keine offiziellen Angaben. Eine Schweizer Zeitung schätzt die Kosten auf bis zu 40 Millionen US-Dollar und verweist darauf, dass Bill Clinton bei seinem Davos-Besuch im Jahr 2000 inklusive Sicherheitspersonal von insgesamt 1500 Personen begleitet wurde.
Außer Trump und Modi haben sich rund 70 Staats- und Regierungschefs angesagt, darunter auch die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Großbritanniens Premierministerin Theresa May und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. "Wir haben hier praktisch ein europäisches Gipfeltreffen", sagt WEF-Präsident Borge Brende.
70 Staats- und Regierungschefs
Aus Afrika kommen zehn Staats- und Regierungschefs, aus dem Nahen Osten neun, und aus Lateinamerika sechs, so viele wie nie zuvor", so Brende weiter. Hinzu kommen die Chefs von knapp 40 internationalen Organisationen, von UN, IWF und Weltbank bis zu Greenpeace und Oxfam, die im Vorfeld des WEF ihre alljährliche Armuts-Studie veröffentlichte.
Neben hunderten öffentlichen und halb-öffentlichen Gesprächsrunden wird es in Davos erstmals auch geschlossene Veranstaltungen geben. In diesen "diplomatischen Sitzungen" soll über Konfliktherde gesprochen werden, von Syrien, Korea und Nahost bis zu Lage am Horn von Afrika.
Der nun stärkere Fokus auf politische Themen mag dem Einfluss von Borge Brende geschuldet sein. Der frühere norwegische Außenminister wurde im Herbst 2017 zum Präsidenten des WEF ernannt und gilt seitdem als Nachfolger von Klaus Schwab, der das Forum 1971 gegründet hatte und im März 80 Jahre alt wird.
WEF-Geschäftsführer Philipp Rösler, früher deutscher Minister, Vizekanzler und FDP-Chef, schien sich ebenfalls Hoffnungen auf die Schwab-Nachfolge gemacht zu haben. Ende 2017 gab er bekannt, dass er das Forum verlässt und nun eine Stiftung leitet, die rund ein Drittel der Anteile am chinesischen Mischkonzern HNA hält.
Probleme der Globalisierung
Das Weltwirtschaftsforum in Davos gilt zwar als Jahrestreffen der globalen Geld- und Macht-Elite, bietet aber auch Raum, um über Probleme der Globalisierung nachzudenken. Umweltverschmutzung, Verteilungsgerechtigkeit, unsichere Arbeitsplätze und die Zukunft der Sozialsysteme nehmen auf der langen Themenliste viel Raum ein. Unter den 3000 Teilnehmern sind viele Wissenschaftler, davon zwölf Nobelpreisträger.
"Es besteht heute die reale Gefahr, dass unsere globalen Systeme zusammenbrechen", sagte Klaus Schwab. "Aber Veränderungen passieren nicht einfach so. Es liegt an uns, den Zustand der Welt zu verbessern - und dafür steht auch das Weltwirtschaftsforum."
Die Argumentation ist typisch für Schwab: Er beschreibt die heutige Situation als äußerst ernst, ohne die Mitverantwortung jener zu thematisieren, die sich regelmäßig in Davos treffen. Stattdessen nutzt er seine Zustandsbeschreibung als Argument für die wachsende Bedeutung des Forums.
Einige Davos-Veteranen beschreiben die ursprüngliche Bedeutung dagegen so: Der Besuch in den Schweizer Alpen spart Zeit und Geld, weil er monatelanges Reisen ersetzt. Alle, die etwas zu sagen haben, sind für einige Tage im selben verschneiten Schweizer Dorf.
Für die teilnehmenden Politiker hat Davos den zusätzlichen Charme, dass die Treffen hier ohne lästige Gipfelerklärungen auskommen, die erst umständlich verhandelt werden müssen. Sie können einfach sagen, man habe sich ausgetauscht. Und das, wer wollte das leugnen, macht die die Welt zumindest nicht schlechter.