Zukunftsprognose für Pegida
30. Januar 2015Dass die Pegida-Bewegung noch eine große Zukunft hat, daran zweifeln immer mehr führende Politikwissenschaftler und Soziologen in Deutschland. Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel und fünf weitere Mitglieder der Führung der islamfeindlichen Bewegung Pegida legten bei einer Sitzung in dieser Woche alle Funktionen und Ämter nieder. Grund dafür sei unter anderem die zukünftige Rolle von Ex-Pegida-Chef Lutz Bachmann, der sich entgegen seinen Ankündigungen offenbar nicht völlig zurückziehen will.
Die Anzeichen stünden also auf Auflösung, sagt Professor Werner Josef Patzelt vom Lehrstuhl für Politische Systeme und Systemvergleiche an der Technischen Universität Dresden: Es gebe keine Einigung für künftige Demonstrationen. Die Flügel der Bewegung - Gemäßigte und Radikale - seien sehr zerstritten und die Dialogangebote der Politik hätten viel Schärfe und Lust an der Provokation genommen. Der Anreiz, auf die Straße zu gehen, nehme dadurch ab. Es sei auch nicht erkennbar, dass künftig durchdachte Forderungen von Pegida vorgebracht würden. Ein Gesamtplan und konzeptionelles Denken fehle. "Das Ganze ist nur ein Strohfeuer mit einer Grundglut."
Ähnlich sieht es Matthias Quent, Soziologe an der Friedrich Schiller Universität Jena: "Die Demonstrationen hatten viel mit Projektionen zu tun." Hier sei es etlichen Mitläufern vorwiegend darum gegangen, ihre grundsätzliche Unzufriedenheit mit dem gesamten politischen System auszudrücken. Das habe man erreicht. "Damit dürften viele schon zufrieden sein und künftig zuhause bleiben."
Geeignetes Leitungspersonal fehlt
Die Pegida-Bewegung hat es nicht geschafft, aus dem eigenen Kreis geeigneten Nachwuchs für das Organisationsteam zu gewinnen. Zudem fehlten die rhetorischen Fähigkeiten und das Gespür für das reale Politikmachen, sagen Politikwissenschaftler Patzelt und Soziologe Quent. Sie glauben nicht, dass sich das bei Pegida grundlegend ändern wird. Um Politik gestalten zu können, würden besondere Fähigkeiten benötigt. "Man muss persönlich Druck aushalten können." Dazu gehörten auch Anfeindungen und Drohungen von Gegnern. Doch Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel wurde auch das zu viel. "Die Leute des Pegida-Führungsteams waren völlig überfordert", stellt Patzelt fest. Er geht davon aus, dass ohne eine integrative Leitung die weitere Zersplitterung der Pegida droht.
Teilung der Bewegung denkbar
Nach der Spaltung der Pegida-Führung will sich der Kern um die ehemalige Sprecherin Kathrin Oertel neu aufstellen. Für viele Beobachter kommt diese Entwicklung nicht überraschend. An der umstrittenen Person ihres Gründers Lutz Bachmann und rechtsradikalen Positionen scheiden sich nun die Geister.
Rechtsextreme Kräfte bei Pegida könnten sich selbständig machen und radikaler agieren, sagt Experte Patzelt. Den Radikalen würde dann aber sicher Widerstand und Unverständnis in der Bevölkerung entgegenschlagen. Der schützende Rahmen einer vermeintlichen "Bürgerbewegung" würde fehlen und die Extremisten eindeutig entlarven.
Wahrscheinlicher sei, dass die relativ junge Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) profitiert, wenn es ihr gelingen sollte, sich dauerhaft rechts neben den Regierungsparteien CDU und CSU zu positionieren. "Diejenigen Pegida-Anhänger, die den Drang verspüren, wirklich etwas zu verändern, werden sich ins parlamentarische System integrieren", meint Soziologe Quent. Umfragen haben bereits gezeigt, dass viele Pegida-Anhänger die Partei AfD wählen.
Ohne eine entschlossene, handlungsfähige Pegida-Leitung werde es darauf hinauslaufen, dass die Mehrheit der Anhänger resigniert und sich schrittweise zurückziehen wird, sind sich die Experten einig. Schwache Mitläufer benötigten immer Personen, die als Erste aufstehen. Personen, hinter denen man sich verstecken könne. So ist Pegida einst hinter Gründer Lutz Bachmann gewachsen, bis der wegen rassistischer Äußerungen zurücktrat. Pegida werde daher eine schwindende Zeiterscheinung sein, so das Fazit.