Alibaba in Lüttich
3. Januar 2019Die Nachricht ist eigentlich schon einen Monat alt. Anfang Dezember konnte man einer der Pressemitteilungen kommerzieller Agenturen entnehmen, die chinesische Alibaba-Gruppe habe in Belgien einiges vor und die belgische Regierung habe sich dazu überaus wohlwollend geäußert. Die Mitteilung blieb zunächst etwas unbeachtet. Mittlerweile werden aber die Dimensionen des Vorhabens deutlicher. Alibaba, in China ein Gigant im Online-Handel, will in Europa mehr als nur einen Fuß in die Tür bekommen. Alibaba blässt zum Angriff auf die Konkurrenz. Und die heißt Amazon.
Anfang Dezember unterzeichneten Alibaba und der Flughafen Lüttich einen Vertrag über "den Aufbau einer Logistikinfrastruktur", wie es in der Pressemitteilung hieß. Dabei geht um eine Fläche von 220.000 Quadratmetern, die der Flughafen an Cainiao Network, die Logistiksparte von Alibaba, vermietet. Mit Investitionen von zunächst 75 Millionen Euro soll dort eine "intelligente Logistikdrehscheibe" entstehen. Geplanter Betriebsstart: Anfang 2021.
200-Milliarden-Dollar-Drehscheibe
Diese Drehscheibe soll helfen, in den folgenden fünf Jahren Produkte im Wert von 200 Milliarden US-Dollar aus aller Welt nach China zu importieren. In der Mitteilung ist vom Export chinesischer Waren auf diesem Wege nach Europa nicht die Rede. Allerdings werden auf den Vertriebskanälen Alibabas nicht zuletzt genau diese Waren verkauft - innerhalb Chinas wie auch ins Ausland.
Alibaba ist nicht irgendwer: Die Erlöse des chinesischen Internet-Einzelhändlers lagen im zweiten Quartal des vergangenen Jahres bei umgerechnet 10,8 Milliarden Euro. Wozu Alibaba in der Lage ist, konnte man an einem einzigen Tag im letzten November sehen. Am sogenannten Single's Day machte Alibaba einen Umsatz von 30,7 Milliarden Dollar. Alibaba habe bei dem Event mit 180.000 Marken in mehr als 200 Ländern zusammengearbeitet, gab das Unternehmen damals bekannt.
Die Alibaba-Strategie
Daran wird eine Strategie deutlich, mit der Alibaba ganz anders vorgeht als Konkurrent Amazon. Während Amazon selbst als Händler auftritt und seine Plattformen auch anderen Händlern andient, zielt Alibaba direkt auf den einzelnen Kunden. Der Käufer wird über die Alibaba-Plattform direkt mit dem Produzenten in Kontakt gebracht, Alibaba verdient durch Vermittlungsgebühren.
Mit diesem Geschäftsmodell hat Alibaba eine Menge Investoren überzeugt. Dem Handelsgiganten gelang 2014 der größte Börsengang aller Zeiten. Alibaba sammelte dabei seinerzeit rund 25 Milliarden Dollar ein. Mittlerweile liegt der Konzern auf Platz acht der Weltrangliste der größten Unternehmen.
Kein Wunder, dass Gründer Jack Ma als der reichste Mann Chinas gilt. Ihm trauen Beobachter weiterhin ganz Große zu, auch in Belgien: "Das neue Drehkreuz in Lüttich ist realistisch betrachtet der Baustein eines viel größeren Plans", sagte Olaf Rotax, von der dgroup, einer Beratungsfirma für digitale Transformation, jetzt dem deutschen "Handelsblatt": "Die Chinesen bauen ein digitales Pendant zur Welthandelsorganisation", glaubt Rotax.
"Electronic World Trade Platform"
In der Tat hat Alibaba ähnliche Drehkreuze wie das in Lüttich geplante auch in Malaysia und Ruanda errichtet - so hat die Gruppe Stützpunkte in Europa, Asien und Afrika. Alibaba-Chef Jack Ma präsentiert sich dabei als Unterstützer kleiner und mittlerer Unternehmen, deren Vertriebschancen verbessert werden sollen. Das Instrument dazu heißt Electronic World Trade Platform (eWTP). Worum es dabei geht, klingt im Werbedeutsch der Pressemitteilung zu dem Vertrag von Lüttich so: "Förderung eines politischen und unternehmerischen Umfelds, um die Entwicklung von E-Commerce, Handel und digitaler Wirtschaft im Internetzeitalter zu fördern". eWTP wurde 2016 von Jack Ma ins Leben gerufen - mit kräftiger politischer Unterstützung. Unter anderem konnte der Alibaba-Gründer sein Vorhaben auf dem G20-Gipfel im Jahr 2016 präsentieren.
Die G20-Länder trafen sich seinerzeit in Hangzhou im Osten Chinas, geladen hatte Chinas starker Mann, Staats- und Parteichef Xi Jiping. Die Alibaba-Zentrale lag nicht weit vom Konferenzort der 20 Gipfel-Teilnehmer entfernt. Dass es dem Online-Riesen nicht ganz uneigennützig um den Mittelstand geht, wird vielleicht an dem Umstand deutlich, dass Alibaba mittlerweile auch eigene Ladengeschäfte betreibt. Da lassen sich Daten über das Konsumverhalten der Kunden direkt an deren Mimik und Reaktion ablesen. Und Daten sind im Onlinehandel bares Geld.
Zalando profitiert - noch
Allerdings dienen Daten der Regierung in Peking auch anderen Zielen. Das kommunistische Regime baut derzeit ein sogenanntes Social-Scoring-System auf, bei dem Daten zum Sozialverhalten der Bürger gesammelt und in ein Punktesystem überführt werden. Wer sich nicht so verhält, wie es die Regierung für richtig hält, hat mit Punktabzug und entsprechenden Sanktionen zu rechnen. Daten für das System kommen offenbar auch von Online-Konzernen wie Alibaba.
Das scheint Anleger in Deutschland nicht so richtig zu stören. Die belohnten nämlich am Donnerstag den viel kleineren deutschen Alibaba-Konkurrenten Zalando. Das "Handelsblatt" hatte einen Manager zitiert, der auf den Handel zwischen Deutschland und China spezialisiert ist: Der chinesische Online-Riese Alibaba werde voraussichtlich bald in europäische Firmen investieren, so Marcel Münch vom Start-up Dongxii. Zalando sei ein Übernahmekandidat - die Titel von Europas größtem Online-Modehändler schossen daraufhin um gut sechs Prozent nach oben.
ar/hb (rtr, dpa – Handelsblatt, Archiv)