Warum wehrt sich Afrika gegen LGBTQ-Rechte?
1. Mai 2023Francis will nur seinen Vornamen nennen. In seinem Heimatland Uganda lebt der schwule Mann in Angst, seitdem das Parlament im vergangenen Monat ein Anti-Homosexuellen-Gesetz verabschiedet hat, das drastische Strafen gegen Menschen vorsieht, die homosexuelle Handlungen vornehmen.
LGBTQ-Aktivisten in Uganda zufolge führte die Verabschiedung des Gesetzes zu einer Welle von Verhaftungen, Zwangsräumungen und organisierten Angriffen auf homosexuelle Menschen. Der DW berichtet Francis, wie er und andere Homosexuelle in dem ostafrikanischen Land nun um ihr Leben fürchten. "Es gibt viele Probleme", klagt er. "Wir werden ständig drangsaliert. Unsere Rechte werden mit Füßen getreten, wir werden körperlich angegriffen und gesellschaftlich ausgeschlossen."
Drakonische Gesetze
Er fühle sich elend, wie in einer Schockstarre, aufgrund dieser Behandlung, sagt Francis. "Weil wir so behandelt werden, fühlen wir uns hier in Uganda nicht mehr wie menschliche Wesen. Ich denke wirklich, in Uganda sind wir wie Außerirdische. Und das nur wegen unserer Sexualität."
Wird das drakonische Gesetz von Ugandas Präsident Yoweri Museveni bestätigt, droht bei sogenannter "schwerer Homosexualität" die Todesstrafe, für die "Förderung von Homosexualität" drohen Gefängnisstrafen von 20 Jahren. Vergangenen Monat erst beschrieb Museveni Homosexuelle als "Abweichungen von der Norm" und kürzlich deutete er an, dass er die Gesetzgebung verschärfen wolle, um Menschen, die ihrer Homosexualität freiwillig abschwören, als "rehabilitiert" einzustufen.
Francis appelliert an den Präsidenten, "das Anti-Homosexuellen-Gesetz nicht zu unterzeichnen".
Wie weit verbreitet ist Homophobie in Afrika?
Uganda ist nicht das einzige Land, in dem Homosexualität illegal ist und wo Menschen, die sich als LGBTQ identifizieren, mit Misshandlungen, Zurückweisungen und Verfolgung rechnen müssen. Nahezu die Hälfte aller Länder, in denen Homosexualität gesetzlich verfolgt wird, befindet sich in Afrika, stellt eine globale Erhebung der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) fest. Laut Bericht des weltweiten Dachverbands von LGBTQ-Organisationen sind gleichgeschlechtliche Beziehungen lediglich in 22 von 54 afrikanischen Staaten legal.
In einigen der Ländern, in denen Sex mit einer Person gleichen Geschlechts nicht erlaubt ist - darunter Mauretanien, Somalia und die nigerianischen Bundesstaaten, in denen die Sharia gilt - , können Verstöße mit der Todesstrafe oder langjährigen Gefängnisstrafen geahndet werden. Homosexuelle werden in vielen afrikanischen Länder als fremdartig oder der Kultur des Kontinents nicht zugehörig betrachtet.
LGBTQ als "fremdartig" empfunden
Der afrikanische Soziologe Dr. Nana Obiri Yeboah weist gegenüber der DW darauf hin, dass Menschen mit "homosexuellen Neigungen" in afrikanischen Gesellschaften nichts Neues seien, Homosexuelle seien jedoch ermuntert worden, ihre Sexualität diskret zu leben. Yeboah selbst beschreibt Homosexualität als "fremdartig". "Homosexualität wird hier seit langem praktiziert, aber weil es missbilligt wird, haben sich die Menschen dagegen organisiert", fügt er hinzu.
Yeboah geht davon aus, dass die Zuerkennung gleicher Rechte für Homosexuelle in Afrika weiter auf heftigen Widerstand stoßen wird. "Es ist nicht Teil unserer Norm und war für uns nie akzeptabel. Es gehört einfach nicht zu unserer kulturellen Orientierung", meint er und fügt hinzu: "Es gehört nicht zu unserer Tradition."
Können sich Kulturen nicht entwickeln?
Die emeritierte afrikanische Anthropologie-Professorin Takyiwaa Manuh sagte in einem Gespräch im staatlichen Sender Ghanas, dass Homosexuelle in der afrikanischen Gesellschaft keineswegs "fremdartig" seien. "Ich bin jetzt 70 Jahre alt", erzählte sie. "Als ich aufwuchs, hörte ich von all diesen schwulen Männern und lesbischen Frauen. Ob man nun die Buchstabenbezeichnungen mag oder nicht, sie wurden sicherlich nicht hierher importiert."
Kultur sei dynamisch und entwickele sich, betont Manuh. Sie also als Entschuldigung zu benutzen, um Hass gegen Menschen zu predigen, die schwul sind, sei inakzeptabel. "Ich bin Rechtsanwältin und Anthropologin. Kultur ist nicht statisch", führt die Aktivistin aus. "Interessanterweise wird in allen Ländern, in denen das Thema die Runde macht, Kultur als Schutzschild ausgegraben."
In den meisten afrikanischen Ländern gehen Gesetze gegen LGBTQ-Rechte auf die Kolonialzeit zurück. Häufig wurden diese Gesetze nicht geändert, seitdem die Länder ihre Unabhängigkeit errangen. Dr. Yeboah, der sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausspricht, ist der Überzeugung, dass Hochzeiten im afrikanischen Kontext nur zwischen Mann und Frau unterstützt werden. "Nach unserer Definition von Ehe ist nur die Beziehung zwischen zwei Personen entgegengesetzten Geschlechts sozial und rechtlich akzeptabel", sagt Yeboah und fügt hinzu, dass Forderungen nach einer Ehe für alle nur zu strikteren Anti-LGBTQ-Gesetzen führen würden.
Manuh widerspricht. Homosexuelle Menschen wollten nur das Stigma und die Diskriminierung abschütteln und frei von Drohungen und Gewalt leben, meint sie. "Schwule und Lesben haben nichts gefordert. Diese gleichgeschlechtliche Ehe, die so wichtig ist, das haben sie nicht gefordert. Sie wollen nur in Frieden gelassen werden und wir versuchen, Verwirrung in die Debatte zu bringen", kritisiert sie.
Liberalisierung in manchen afrikanischen Ländern
Trotz des scharfen Gegenwinds, der LGBTQ-Rechten in Afrika entgegenbläst, legalisieren immer mehr Länder gleichgeschlechtliche Beziehungen. Im Jahr 2006 legalisierte Südafrika als erstes Land in Afrika die gleichgeschlechtliche Ehe. Bereits die Verfassung bietet Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung.
Im Jahr 2015 strich Mosambik einen Paragrafen aus der Kolonialzeit aus seinem Strafgesetzbuch, der gleichgeschlechtliche Beziehungen verbat. Der oberste Gerichtshof von Botsuana kippte im Jahr 2019 ein ähnliches Gesetz, das 1965, noch unter britischer Herrschaft, verabschiedet worden war. Zuletzt entkriminalisierte Angola 2021 gleichgeschlechtliche Beziehungen durch ein neues Gesetz, das ebenfalls ein Gesetz aus der Kolonialzeit ersetzte.
Für Francis sind solche Erfolgsgeschichten noch lange nicht der Durchbruch, der auf kontinentaler Ebene notwendig ist. Menschen wie er müssen in Ländern, in denen Homophobie gepredigt wird, weiter Misshandlungen erleiden. Die einzige Option, die er für sich selbst sah, war, sich in ein anderes Land in Sicherheit zu bringen. Denn bis LGBTQ-Rechte in Afrika wirklich akzeptiert werden, ist es noch ein weiter Weg.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.