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Politik

Warschau zeigt Tusk die Zähne

Gerhard Gnauck
6. März 2017

Die polnische Regierung wettert gegen EU-Ratspräsident Donald Tusk. Doch die Strategie, einen eigenen Gegenkandidaten aufzustellen, wird dessen Wiederwahl wohl nicht verhindern können. Aus Warschau Gerhard Gnauck.

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Belgien | Donald Tusk auf dem EU-Gipfel in Brüssel
Bild: picture-alliance/AP Photo/G. Vanden Wijngaert

Augen zu und durch – so ließe sich zusammenfassen, was Vertreter der nationalkonservativen Regierung in Polen derzeit zur Wahl des EU-Ratspräsidenten mitteilen. Vorige Woche hatte Warschau – kaum überraschend – dem ungeliebten Landsmann, aber politischen Gegner Donald Tusk die Gefolgschaft verweigert.Dann aber hatte die Regierung – sehr überraschend – einen Gegenkandidaten aus dem Hut gezaubert: den Europa-Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolski.

Dass dieser geringe Chancen hat, auf dem Gipfel am Donnerstag zum neuen EU-Ratspräsidenten gewählt zu werden, beeindruckt die Regierung nicht. Auf die Frage, welches Land in der EU den Kandidaten denn unterstütze, antwortete Polens Außenminister Witold Waszczykowski: "Wir kollektionieren das nicht. Das interessiert uns nicht." Wichtig sei, dass der Kandidat Saryusz-Wolski im Spiel sei. Dann werde man sehen.

Polen Jacek Saryusz Wolski
Polens EU-Parlamentarier Jacek Saryusz Wolski kandidiert gegen seinen Landsmann Donald Tusk als EU-Ratspräsident Bild: picture alliance/dpa/W. Dabkowski

Warschau will mitreden

Saryusz-Wolski hatte sich zunächst tagelang in Schweigen gehüllt, als vergangene Woche die Meldungen von seiner Kandidatur aufkamen. Seine Nominierung ist brisant: Der Politiker gehörte jahrelang der polnischen Bürgerplattform und damit der Familie der Europäischen Volkspartei (EVP) an. Genau wie Donald Tusk, gegen den er nun antritt. Seine Partei hat ihn jetzt ausgeschlossen.

Der Ökonom und EU-Kenner Saryusz-Wolski (67) stammt aus der Stadt Lodz. In Polens Regierungen hatte er hohe Ämter inne, deren Aufgabe es war, den EU-Beitritt vorzubereiten. Später war er Vizepräsident des EU-Parlaments. In jüngster Zeit engagierte er sich für das EU-Programm "Östliche Partnerschaft" zugunsten der östlichen Nachbarn, insbesondere der Ukraine. Saryusz-Wolski versuchte im EP auch, den Einfluss des russischen Erdgasmonopolisten Gasprom in Deutschland und der EU zurückzudrängen.

Seine Verdienste ändern jedoch nichts daran, dass er kaum Chancen hat, gewählt zu werden: Denn ein EU-Ratspräsident sollte in der Regel zuvor als Regierungschef amtiert haben. Zudem stehen Tusks Chancen auf eine Verlängerung gut. So hatte wohl ein Oppositionspolitiker recht, als er sagte: "Saryusz-Wolski ist nur ein Bauer im Schachspiel Kaczynskis".

Kaczynski Kampagne gegen Tusk

Damit stellt sich die Frage, was Jaroslaw Kaczynski, Chef der polnischen Regierungspartei PiS, mit diesem kaum aussichtsreichen Schachzug erreichen will. Er dürfte vor allem zwei innenpolitische Ziele verfolgen: Einerseits kann er so zeigen, dass Warschau in der EU "laut mitredet". 

Andererseits, und das dürfte noch wichtiger sein, geht es Kaczynski offenbar darum, Tusk generell zu schwächen. Tusk war der am längsten amtierende Premier Polens seit 1989. Er gilt als wichtigster Hoffnungsträger der heute recht zerstrittenen liberalen Opposition und als guter Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2020.

Polen Beata Szydlo und Jaroslaw Kaczynski im Parlament
Gegner Tusks: Polens Premierministerin Beata Szydlo und Jaroslaw Kaczynski, Chef der polnischen Regierungspartei PiSBild: picture-alliance/epa/J. Turczyk

Kaczynski hat den Ton gegenüber Tusk seit Monaten verschärft. Elemente in diesem Spiel sind die Ermittlungen in einer Affäre um die Firmen Amber Gold und OLT Express, die möglicherweise Tusks Sohn belasten könnten, sowie die fortlaufende Untersuchung des Flugzeugabsturzes von Smolensk, für den Kaczynski Tusk eine "moralische" Verantwortung zuschiebt. In Smolensk war 2010 Jaroslaw Kaczynskis Bruder Lech ums Leben gekommen, der damalige Staatspräsident.

Regierungsvertreter in Warschau versuchen derweil, Tusk als Ratspräsident politische Vorwürfe zu machen, ihn als "deutschen" Kandidaten mit zu großer Nähe zu Bundeskanzlerin Angela Merkel darzustellen. Außen-Staatssekretär Konrad Szymanski nannte als Schlüsselargument für Warschau, Tusk habe angesichts des Streits um die Rechtsstaatlichkeit in Polen "das Prinzip der politischen Neutralität verletzt".

Unterstützung aus Paris

Der Ratspräsident dürfe sich in keinem Land der EU "einmischen", schon gar nicht in seinem eigenen. Szymanski bezog sich auf Tusks Auftritt im Dezember in Breslau, wo dieser sich öffentlich mit regierungskritischen Demonstranten vor dem polnischen Parlament solidarisiert hatte.

Tusk: EU-Zukunft "zutiefst unvorhersehbar"

Trotz des polnischen Extrakandidaten bleiben Tusks Chancen, im Amt bestätigt zu werden, groß. Für seine Wahl braucht er keine Einstimmigkeit, nur eine qualifizierte Mehrheit. Zwar spekulieren polnische Medien, ob nicht zum Beispiel die Skandinavier oder aber die linken Regierungen in der EU einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken könnten.

Doch Frankreich macht diese Spekulationen zunichte: Er habe Tusks Wahl vor zweieinhalb Jahren unterstützt, sagte der sozialistische Präsident François Hollande im Gespräch mit europäischen Zeitungen am Montag. An Tusk halte er jetzt fest, auch wenn eigentlich ein Sozialist an der Reihe wäre. Es gehe ihm dabei nicht um parteipolitischen oder nationalen Proporz, sondern um eine "europäischere Sichtweise".