Lage in Brandenburg bleibt angespannt
24. August 2018600 Feuerwehrleute sind vor Ort und versuchen die Brände einzudämmen. Wegen des riesigen Waldbrandes mussten Hunderte von Menschen aus mehreren Ortschaften südwestlich von Berlin evakuiert werden. Die Evakuierung der beiden brandenburgischen Dörfer Tiefenbrunnen und Klausdorf soll voraussichtlich am Samstag aufgehoben werden. Derzeit sei der Waldbrand noch zu gefährlich, sagte der Vize-Landrat von Potsdam-Mittelmark, Christian Stein (CDU), in Treuenbrietzen. Den Anwohnern sollte allerdings erlaubt werden, am Freitag noch einmal kurz in ihre Häuser zu gehen, etwa um Tiere zu versorgen. Nach Angaben Steins ist der große Waldbrand südöstlich von Berlin an drei Stellen gleichzeitig ausgebrochen.
In der Nacht zum Freitag brannten rund 400 Hektar ab. Wabernde Rauchsäulen wie nach einem überdimensionalen Bombenabwurf bedeckten den Himmel und waren kilometerweit zu sehen. In Berlin kam es zu Szenen, die man bis vor kurzem wohl für nicht möglich gehalten hätte.
Nachdem die Flammen bis auf wenige Kilometer an die Stadtgrenze heranrückten, zogen die Rauschschwaden von Potsdam über die südlichen Stadtteile bis nach Berlin-Mitte. Ganze Straßenzüge waren verraucht. Die Bürger, aber auch die Beamten und Politiker im Bundeskanzleramt und Reichstag wurden von den Behörden aufgefordert, alle Fenster zu schließen, um Vergiftungen zu vermeiden. Hunderte Feuerwehrleute bekämpften die Feuer mit vereinten Kräften, auch mit Einsatz von Löschhubschraubern.
Bomben behindern Löscharbeiten
Die Arbeiten wurden erschwert, weil der Boden der betroffenen Region um Berlin mit alter Munition belastet ist. Das explosive Material stammt teilweise aus dem Zweiten Weltkrieg - der Kampf um Berlin 1944/45 dauerte Monate. Außerdem gab es hier schon seit dem 19. Jahrhundert viele Armee-Übungsplätze. Zuletzt hatte die Rote Armee einiges an Munition bei ihrem Abzug aus der früheren DDR nicht mitgenommen oder nach Manövern nicht ausreichend eingesammelt
Rund um Berlin lagen viele Stützpunkte und Flughäfen, bei denen die Bombenlager mitten im Wald lagen. Deshalb gilt Brandenburg als das Bundesland mit der höchsten Belastung an Kampfmitteln in Deutschland, heißt es aus dem dortigen Innenministerium. Nach Schätzungen sind noch 5900 Quadratkilometer belastet, was einem Fünftel der Gesamtfläche Brandenburgs entspricht.
Feuer-Infernos wie in Griechenland?
Absehbar wird dieses Problem in den Griff zu kriegen sein. Dagegen stehen Deutschland, aber auch große Teile Europas, angesichts der Häufigkeit und Zunahme schwerer Waldbränden vor ähnlichen Fragen, hinter denen sich zum Teil ungleich schwerer zu lösende Probleme verbergen: Ist das der Preis der Superhitze und der Dürre dieses Sommers? Sind die Brände logische Folge des Klimawandels und der Erderwärmung? Wird Deutschland künftig unter Feuer-Infernos wie Südeuropa leiden? Ist die Feuerwehr ausreichend für zunehmende Extrembrände gerüstet? Welche Schlüsse zieht die Politik?
Bisher hieß es, dass zeitweise außer Kontrolle geratende Großbrände wie in Griechenland und Schweden in Deutschland unwahrscheinlich seien. Das liege daran, dass die Förster in Deutschland die Wälder ganz anders bewirtschafteten, sagte beispielsweise der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Hartmut Ziebs, im Gespräch mit der DW. "Bei der Aufforstung von Waldflächen sind von vornherein Brandschneisen vorgesehen, und Sie müssen nicht so große, zusammenhängende Waldflächen kontrollieren."
Klimawandel zwingt zum Umdenken
Andere Experten würden diesen Argumenten wohl nicht widersprechen, jedoch warnen sie vor dem Klimawandel, der Deutschland zum Umdenken und damit zu weitergehenden Maßnahmen zwingen könnte. "Durch diesen real werdenden Klimawandel müssen wir uns häufiger mit extremen Wetterlagen beschäftigen als früher und auch mit extremen Feuersituationen", erklärte Alexander Held, Senior Manager am European Forest Institute (EFI). "Die Feuer haben soviel Brennmaterial, sie werden heißer, größer, intensiver, immer schwieriger zu löschen. Das ist ein klarer Trend."
Unterstützung bekommt er von Geert Jan van Oldenborgh, Forscher am Royal Netherlands Meteorological Institute: "Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit der aktuellen Hitzewelle mehr als verdoppelt." Van Oldenborgh ist Mitglied des Netzwerkes World Weather Attribution (WWA), in dem Wissenschaftler von sechs Forschungseinrichtungen einen möglichen Zusammenhang zwischen Klimawandel und aktuellen Extremwetterereignissen untersuchen. Das WWA-Team nahm für seine Analyse aktuelle und historische Temperaturmessungen von sieben Wetterstationen im nördlichen Europa als Grundlage.
Hitzewellen werden sich verdoppeln
Die Analyse aller sieben Wetterstationen ergab, dass der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit für Hitzewellen, wie wir sie gerade in Europa erleben, im Durchschnitt mehr als verdoppelt hat.
Wie reagiert die deutsche Politik auf das Waldbrandrisiko? Wie zu erwarten, haben die Grünen im Bundestag mehr Investitionen in Vorbeugung und Spezialausrüstung gefordert. Die Gefahr werde aufgrund des Klimawandels vermutlich zunehmen, sagte Harald Ebner, Sprecher für Waldpolitik der Grünen im Bundestag, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Für mögliche große Waldbrände brauche Deutschland ausreichende Spezialisten und eine Ausrüstung etwa mit Löschflugzeugen. Auch das Technische Hilfswerk,THW, rät zur Anschaffung der Maschinen.
"Ich gehe davon aus, dass wir auch in Deutschland den Einsatz von Löschflugzeugen brauchen", sagte der Präsident des THW, Albrecht Broemme, im rbb-Inforadio. Broemme sprach sich für ein europäisches Vorgehen aus. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Christoph Hoffmann erklärte: "Sinnvoll wäre eine Flotte an Groß- und Kleinlöschflugzeugen für Europa." Er schlug Deutschland mit seiner zentralen Lage als Standort vor.
Auch der Brandexperte Johann Georg Goldammer von der Universität Freiburg sieht bei der Ausrüstung Handlungsbedarf. Natürlich sehe die Situation in Deutschland anders aus als in Schweden, sagte er im Zweiten Deutschen Fernsehen. Deutschlands Wald- und Kulturlandschaften seien durch Straßen und Wege gut erschlossen und die Feuerwehr komme zügig an den Ort des Geschehens. "Dennoch: Eine Großwetterlage wie derzeit kann dazu führen, dass mangels geeigneter Ausrüstung und Ausbildung ein kleiner Brand zu einem schwer beherrschbaren Großbrand führen kann."
Gefahr für Südeuropa und Südasien
Laut Goldammer ist Südeuropa aus anderen Gründen besonders gefährdet. Früher hätten Ziegen und Schafe Gras und Büsche weggefressen. In einer kahlen Landschaft bestehe weniger Risiko für einen Flächenbrand. In den letzten Jahrzehnten habe aber die Viehzucht nachgelassen. Stattdessen würden in Feriengebieten Gärten und Bäume gepflanzt – Zunder für Brände. "So verheerende Feuer kamen früher kaum vor", so Goldammer.
Eine kritische Lage sieht Goldammer auch für Sibirien. In Eurasien liege die größte zusammenhängende Waldfläche der Welt. Der Klimawandel mache sich auch hier stark bemerkbar und sorge für Brennmaterial. "Schon jetzt brennt in Russland jedes Jahr eine Fläche, die so groß ist wie die ganze Waldfläche Deutschlands", so Goldammer. "Das kann noch viel schlimmer werden." Durch die Brände werde Kohlenstoff freigesetzt und in die Atmosphäre verlagert, der bislang in Wäldern und Sümpfen gebunden sei – "ein weiterer Anschub des Treibhauseffekts".
Auch wenn der konkrete Einfluss des Menschen auf die Klimaerwärmung immer noch für Diskussionen sorgt, in einem Punkt sind sich Klimaerwärmungs-Warner und -Leugner einig: die meisten Feuerkatastrophen sind menschengemacht - durch Brandstifung.