Opposition in Mosambik wirft Regierung Wahlbetrug vor
16. Oktober 2024Eine Woche ist es her, dass die Menschen in Mosambik einen Nachfolger für Präsident Filipe Nyusi bestimmen sollten, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte. Noch gibt es kein amtliches Endergebnis, doch es zeichnet sich der allseits erwartete Wahlsieg der seit der Unabhängigkeit des Landes vor fast 50 Jahren regierenden FRELIMO-Partei und ihrem Kandidaten Daniel Chapo ab. Bei der Direktwahl des Staatspräsidenten rangiert Venâncio Mondlane an zweiter Stelle. Mondlane ist einer der drei Oppositionskandidaten, der die bisher größte Oppositionspartei RENAMO erst vor Kurzem verließ, um selbst für das größte politische Amt im Staat zu kandidieren.
Oppositionskandidat Mondlane gibt sich nicht mit Platz zwei zufrieden und beansprucht den Sieg für sich. "Was wir hier erleben, ist eine riesige, organisierte Wahlfälschung", sagt Mondlane im DW-Interview, und fügt hinzu: "Das kennen wir ja zur Genüge von den Wahlen in der Vergangenheit." Über die sozialen Medien rief Mondlane schließlich alle Mosambikaner für kommenden Montag zu einem Generalstreik auf. Das Land solle stillstehen "als Zeichen des Protests gegen die Diktatur". Bereits an diesem Mittwoch gingen Anhänger Mondlanes in der nordmosambikanischen Stadt Nampula und anderen Orten auf die Straße.
FRELIMO selbstzufrieden: "Der Sieg ist gewiss"
Indes deuten die offiziellen Zahlen, die nach und nach von den Wahlkommissionen auf regionaler Ebene veröffentlicht werden, auf einen Sieg der seit der Unabhängigkeit Mosambiks 1975 regierenden FRELIMO und ihres Kandidaten hin. Beispiel Hauptstadt Maputo: Hier sollen 53,7 Prozent der Stimmen auf den FRELIMO-Kandidaten Daniel Chapo entfallen sein. Venâncio Mondlane habe 33,8 der Stimmen bekommen, abgeschlagen folgt der RENAMO-Kandidat Ossufo Momade mit rund neun Prozent der Stimmen.
Vertreter der Regierungspartei äußern selbstzufrieden: Es seien "gerechte Ergebnisse, die die Wünsche der Bevölkerung widerspiegeln. Diese Wahlen seien ziemlich transparent gewesen, so der Sekretär der FRELIMO in der mosambikanischen Hauptstadt, António Niquice gegenüber der DW.
Auch in der Krisenregion Cabo Delgado, im Nordosten des Landes, die seit 2017 von einem blutigen dschihadistischen Krieg betroffen ist, gewann Daniel Chapo offiziell: Dort erhielt er etwa 66 Prozent der Stimmen, gefolgt von Venâncio Mondlane (knapp unter 23 Prozent).
Beobachter sehen "Erosion" der RENAMO
Diese Ergebnisse sind besonders für die frühere Rebellenorganisation RENAMO, die von 1977 bis 1992 einen blutigen Bürgerkrieg gegen das FRELIMO-Einparteienregime führte, besorgniserregend: Ihre Stellung als wichtigste Oppositionspartei in Mosambik ist in Gefahr. "An die Stelle der RENAMO wird die Partei PODEMOS, die bisher nicht im Parlament vertreten war und die die Präsidentschaftskandidatur von Venâncio Mondlane unterstützte, treten", so der mosambikanische Analyst Jaime Guiliche im DW-Interview. Der Kandidat Venâncio Mondlane, der erst kurz vor den Wahlen aus der RENAMO ausgetreten war, habe die Parteienlandschaft in Mosambik "gründlich durcheinandergewirbelt", so der Analyst weiter. "Ich denke, wir werden eine Situation haben, in der die RENAMO nicht mehr die zweitgrößte politische Kraft ist, und auf den dritten Platz abrutschen wird. Das wäre ein Novum in der politischen Landschaft unseres Landes", fügt Guiliche hinzu.
Opposition: "Wahlen waren organisiertes Chaos"
In der Provinz Zambézia hat RENAMO noch ein Zugpferd, das Wahlen gewinnen kann: den Bürgermeister von Quelimane, Manuel de Araújo, der für das Amt des Provinzgouverneurs kandidierte. Doch auch in Zambézia zeichnet sich - nach offizieller Lesart - ein Wahlsieg der Regierungspartei FRELIMO ab. Die RENAMO forderte an diesem Wochenende die Annullierung der Auszählungsergebnisse in acht Distrikten der Provinz, mit der Begründung, dass ihre Delegierten daran gehindert wurden, den Prozess zu überwachen. Die Beschwerde wurde bei der zuständigen Wahlkommission eingereicht.
"Es gab eine organisierte Desorganisation der Wahlorgane, die weder genügend Personal noch das notwendige Wahlmaterial in vielen Wahllokalen zur Verfügung stellten", fasst Manuel de Araújo im Interview der DW seine Kritik am Wahlprozess in seiner Heimatprovinz zusammen. Tausende Mosambikaner hätten ihr Wahlrecht nicht ausüben können, weil ihre Namen von der STAE (Technischer Wahlsekretariatsdienst) aus den Wählerverzeichnissen gestrichen worden seien - insbesondere in den Vierteln und Distrikten, in denen die Menschen bei der letzten Wahl hauptsächlich für RENAMO gestimmt hätten, so der RENAMO-Politiker.
Die Auszählung habe in vielen Fällen bei Kerzenlicht stattfinden müssen, weil die Stromversorgung von FRELIMO-Agenten sabotiert und abgeschaltet worden sei, so Araújo weiter. "In der Hauptstadt Quelimane fanden wir eine Mappe mit 117 bereits ausgefüllten Stimmzetteln zugunsten der Partei FRELIMO. Als der Direktor der STAE befragt wurde, behauptete er, keine Kenntnis davon zu haben und konnte es nicht rechtfertigen", lautet ein weiterer Vorwurf.
Alle diese Fälle seien der Staatsanwaltschaft übergeben worden. Araújo fordert eine unabhängige Untersuchung: "Wir verlangen eine Überprüfung dieses Prozesses, denn so wie er jetzt ist, lohnt es sich nicht, weiter Wahlen abzuhalten."
Stimmten Bürger Simbabwes illegal ab?
Unregelmäßigkeiten soll es auch bei den Abstimmungen in einigen mosambikanischen Auslandsvertretungen gegeben zu haben, wo Auslandsmosambikaner ihre Stimme abgeben konnten. In Berlin beispielsweise soll es zu massiven Verzögerungen gekommen sein. Nach Informationen mangelte es an Wahlmaterialien, sodass viele Mosambikaner, die in Deutschland leben, ihre Stimme nicht abgeben konnten. Die Botschaft wollte sich auf DW-Anfrage nicht äußern.
Die größte Unregelmäßigkeit soll jedoch im westlichen Nachbarland Simbabwe passiert sein, wo tausende Wähler ohne mosambikanischen Pass illegal an den Wahlen teilgenommen haben sollen. Viele dieser Wähler seien von der regierenden Partei ZANU-PF dazu angehalten worden sein, für Daniel Chapo von der FRELIMO zu stimmen.
Die simbabwische Zeitung "New Zimbabwe" berichtet, dass "eine erhebliche Anzahl von Anhängern der simbabwischen Regierungspartei ZANU-PF, darunter ein ehemaliger Stadtrat in der südöstlichen Stadt Masvingo, bei den Parlamentswahlen in Mosambik mit abgestimmt hat". Ex-Kommunalpolitiker Edison Manyawi, bestätigte der Zeitung, für "seine Schwesterpartei FRELIMO" in Mosambik gestimmt zu haben, obwohl dies illegal ist: "Wir sind glücklich über das, was wir getan haben, denn Mosambik ist unser Nachbar und hat uns während des Befreiungskampfes geholfen, deshalb zögerten wir keine Sekunde. Es geht darum, der FRELIMO zu helfen, diese Wahlen zu gewinnen", zitiert die simbabwische Zeitung den Ex-Stadtrat Manyawi.
Die Zeitung berichtet weiter, dass Hunderte Simbabwer abgestimmt hätten. Junge und alte Menschen hätten von nicht spezifizierter Quelle mosambikanische Ausweisdokumente und echte Wählerkarten erhalten, und seien angewiesen worden, für Daniel Chapo, den Präsidentschaftskandidaten der FRELIMO zu stimmen, so "New Zimbabwe".
Auch die Zeitung "The Mirror Masvingo" berichtet mit entsprechenden Aussagen und Zitaten sowie mit Fotos über diese und ähnliche Wahlverstöße im Zusammenhang mit den Wahlen vom 9. Oktober in Mosambik. Zwei Undercover-Reporter des "Mirror" seien unter den Hunderten Simbabwern gewesen, die zum Beispiel in einer Wahlstation in Nemamwa, 25 km südöstlich von Masvingo, registriert wurden.
Die simbabwische Regierungspartei ZANU-PF unterhält enge Beziehungen zur FRELIMO. Zwischen beiden Parteien herrsche "ein Geist der permanenten gegenseitigen Unterstützung". Die ZANU-PF wurde in Vergangenheit immer wieder von der simbabwischen Opposition beschuldigt, sich an Wahlbetrugsfällen in den Nachbarländern zu beteiligen.