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PolitikSlowakei

Wahlen in der Slowakei: Steht die Demokratie auf dem Spiel?

Tim Gosling
23. März 2024

Peter Pellegrini ist einer der aussichtsreichsten Kandidaten für das Präsidentenamt. Doch seine Wahl könnte der 'Orbanisierung' der Slowakei Vorschub leisten. Ministerpräsident Fico würde er wenig entgegensetzen.

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Wahlplakate von Peter Pellegrini (vorne) und Ivan Korcok (hinten)
Ivan Korcok (l.) and Peter Pellegrini (r.) haben die meisten Chancen auf das PräsidentenamtBild: Tomas Tkacik/Sipa/Sopa/picture alliance

An diesem Samstag (23. März) sind die Wähler in der Slowakei zur ersten Runde der Präsidentschaftswahlen an die Wahlurnen gerufen. Sollte keiner der elf Kandidaten – Kandidatinnen sind nicht darunter – 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, kommt es zwei Wochen später zu einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten, die die meisten Stimmen erhalten haben.

Wer auch immer das sein wird, wird dann die Nachfolge von Zuzana Caputova antreten. Als die ehemalige Bürgerrechtsaktivistin 2019 die Präsidentschaftswahl gewann, wurde sie als liberale Hoffnungsträgerin gefeiert, doch sie steht für eine zweite Amtszeit nicht zur Verfügung.

Das Präsidentenamt ist in der Slowakei eher zeremonieller Natur. Kommen der Präsident und der Ministerpräsident des Landes wie bis vor kurzem jedoch aus unterschiedlichen Lagern, kann dem Präsidenten eine wichtige Rolle zufallen.

Caputova sei unparteiisch geblieben, habe sich auf die Seite von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gestellt und die pro-westliche Außenpolitik der Slowakei klar vertreten, meint Radoslav Stefancik von der Wirtschaftsuniversität Bratislava.

Präsidentin Zuzana Caputova spircht in Mikrofone
Rückzug: Die amtierende Präsidentin Zuzana Caputova verzichtet auf eine erneute KandidaturBild: Vit Simanek/CTK/IMAGO

Die scheidende Präsidentin hatte den Ministerpräsidenten des Landes, Robert Fico, verklagt, weil dieser sie als Verräterin bezeichnet hatte. Sie erklärte, dass sie nicht die Energie habe, sich weitere fünf Jahre dem rauen politischen Klima in ihrem Land auszusetzen. Sie verwies dabei auch auf Drohungen gegen ihre Familie.

Viele reagierten enttäuscht auf die Ankündigung Caputovas. Dank ihrer beeindruckenden Erfolgsbilanz und des Umstands, dass sie keiner der sich ständig bekriegenden politischen Parteien des Landes angehört, hätte sie vermutlich gute Chancen auf eine zweite Amtszeit gehabt.

Demonstrationen gegen Pläne Ficos

Bei ihrer letzten großen Auseinandersetzung mit dem Populisten und Nationalisten Fico nutzte Caputova ihre Befugnisse als Präsidentin, um Gesetze zu verhindern, die den Kampf des Landes gegen Korruption und organisiertes Verbrechen geschwächt hätten.

Nachdem seine Partei Smer siegreich aus den Parlamentswahlen hervorgegangen war, kehrte Fico im vergangenen Oktober an die Macht zurück. 2018 war er wegen Korruptionsvorwürfen und wegen der Empörung über die Ermordung eines Journalisten, der über Korruption in Regierungskreisen berichtet hatte, zurückgetreten.

Fico wurde vorgeworfen, er habe während seiner Amtszeit von 2012 bis 2018 nichts gegen das Gedeihen von kriminellen Netzwerken und Korruption getan. Gegen zahlreiche ihm nahestehende Personen wurde ermittelt.

Demonstranten auf dem Freiheitsplatz in Bratislava, Slowakei
Auf dem Freiheitsplatz in Bratislava protestierten Tausende gegen Pläne der Regierung, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umzustrukturierenBild: Jaroslav Novak/dpa/TASR Slovakia/AP/picture alliance

In den vergangenen Monaten brachte der Versuch seiner neuen Regierung, das Strafgesetzbuch zu überarbeiten, tausende Demonstranten auf die Straßen. Als Mitte März Pläne zur Übernahme der Kontrolle über die öffentlichen Medien bekannt wurden, wurde erneut zu Protesten aufgerufen.

Präsidentschaftskandidat Peter Pellegrini, der derzeitige Sprecher des slowakischen Parlaments und ein Schützling Ficos, büßte nach diesen Angriffen auf demokratische Institutionen viel von seinem Vorsprung in den Umfragen ein.

Mittlerweile liegen seine Umfragewerte bei etwa 37 Prozent. Fast gleichauf in den Umfragen befindet sich Ivan Korcok, pro-westlicher Außenminister der letzten Regierung. Indirekt geholfen hat Korcok, dessen Umfragewerte jetzt bei 35 Prozent liegen, Ficos immer extremer werdende pro-russische Rhetorik.

Ärger mit dem Nachbarn

Die moderaten Wähler werden vermutlich weiter mobilisiert werden, denn im März kam es zu einer beispiellosen Auseinandersetzung mit der Tschechischen Republik. Deren pro-ukrainische Regierung setzte wegen eines offensichtlichen Kurswechsels gegenüber der Ukraine zwischenstaatliche Konsultationen mit dem slowakischen Nachbarn aus und sagte gemeinsame Treffen mit dem slowakischen Parlament ab.

"Der Streit mit den Tschechen, die wir als enge Brüder betrachten, ist eine sensible Angelegenheit und lässt viele denken, dass etwas sehr im Argen liegt", sagt Tomas Koziak, politischer Analyst an der University of International Business ISM Slovakia, im Gespräch mit der DW.

Slovakei Wahlkampf Präsidentenwahl | Kandidat Ivan Korcok
Präsidentschaftskandidat Ivan Korcok steht in Umfragen kurz hinter Peter PellegriniBild: Vaclav Salek/CTK/IMAGO

Doch auch Korcok ist ein Kandidat mit Vorgeschichte. Aus seiner Zeit in der von vier Parteien gebildeten Koalitionsregierung haftet ihm noch immer ein Makel an.

Viele Wähler erinnern sich ungern an die internen Auseinandersetzungen, die der Koalition wichtiger zu sein schienen, als die Aufgabe, das Land sicher durch die Corona-Pandemie zu führen und die Krise der steigenden Lebenshaltungskosten zu bewältigen. Die Quittung erhielt die Regierung bei den Wahlen im vergangenen Jahr, als Fico gewann und Ministerpräsident wurde.

Die Wähler, die fassungslos den Eskapaden Ficos folgen, werden den erfahrenen Diplomaten wohl in die zweite Wahlrunde schicken. Doch muss Korok dann die unentschlossenen Gemäßigten überzeugen. Währenddessen hofft Pellegrini auf die Stimmen derer, die sich in der ersten Runde für nationalistischere und extremistischere Kandidaten entschieden hatten.

Folgt die Slowakei dem Beispiel Ungarns?

Die Verfassung gesteht dem Präsidenten nur wenig Macht zu. Er kann ein Veto gegen Gesetze einlegen, doch dieses Veto kann durch eine einfache parlamentarische Mehrheit überstimmt werden.

Er ernennt jedoch auch Richter und Staatsanwälte und spielt eine wichtige Rolle für das Funktionieren demokratischer Institutionen. Wichtiger ist jedoch vielleicht die hohe Symbolkraft des Amtes und der Einfluss auf den politischen Umgangston.

Sollte Korcok gewinnen, würde er "zumindest versuchen, strittige Reformen zu verzögern und Fico in den Augen der Öffentlichkeit zur Verantwortung ziehen", meint Andrius Tursa, ein Analyst bei Teneo Intelligence, eine Risikoberatung mit Sitz in London.

"Er wäre international präsent und würde die pro-russische Rhetorik von Fico abmildern. Die politische Polarisierung des Landes wäre damit innen- und außenpolitisch für alle sichtbar."

Porträt Präsidentschaftskandidat Peter Pellegrini
Peter Pellegrini gilt als Gefolgsmann des slowakischen Ministerpräsidenten Robert FicoBild: CTK/dpa/picture alliance

Gewänne Pelligrini, könnte Fico mehr Handlungsfreiheit gewinnen, denn es sei kaum davon auszugehen, dass er mäßigend auf Fico einwirken würde, lauten die Befürchtungen.

Es sei "gefährlich für die Demokratie, wenn sämtliche wichtigen verfassungsrechtlichen Funktionen in den Händen der gegenwärtigen Regierungskoalition liegen", meint Analyst Stefancik. Sein Kollege Koziak fügt hinzu: "[Pellegrini] hat bereits bewiesen, dass er nicht in der Lage ist, sich gegen seinen Mentor zu stellen."

Pellegrini selbst formuliert es ähnlich: "Die Idee, dass der Präsident als Gegengewicht zur Regierung dienen soll, ist völlig falsch." Ein solcher Konflikt würde sich nur auf die Gesellschaft ausdehnen, und das sei "sicherlich das Letzte, was die Slowakei heute braucht".

Gelänge es Fico, den neuen Präsidenten zu vereinnahmen, könnte er seinen Vorhaben freien Lauf lassen, sorgen sich Beobachter. "Das würde zu einer Kriminalisierung von Opposition und Journalisten führen, zur Kontrolle über die Medien, zur 'Orbanisierung' der Slowakei", warnt Koziak. Er verweist auf die Entwicklung im Nachbarland Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orban.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.