Burkina Faso vor dem Neuanfang
28. November 2015Aus zwei großen, schwarzen Lautsprechern dröhnt das Schlachtlied der "Bewegung für den Fortschritt" (MPP). Neben der "Union für Fortschritt und Wandel" (UPC) ist die MPP die bekannteste Partei in Burkina Faso und betreibt auf den Straßen der Hauptstadt von Ouagadougou derzeit am stärksten Wahlkampf.
Am Sonntag werden die Bürger des westafrikanischen Staats an die Wahlurnen gebeten, um ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten zu wählen. Die zur Wahl stehenden Kandidaten durften nicht an der bisherigen Übergangsregierung beteiligt sein.
Die Wahl in dem 19-Millionen-Einwohner-Staat soll Burkina Faso zurück zur Demokratie führen. Im Oktober 2014 stürzte hier die Bürgerbewegung Balai Citoyen - gemeinsam mit der Zivilgesellschaft - Burkina Fasos autoritären Dauerpräsidenten Blaise Compaoré, der nach 27 Jahren an der Macht per Verfassungsänderung nochmal antreten wollte. Ein turbulentes Jahr folgte, in dem es im September zu einem zweiten Putsch kam - diesmal durch die Präsidialgarde. Der Putsch dauerte jedoch nur eine gute Woche, dann kehrte die Übergangsregierung wieder an die Macht zurück.
Auch unter Studenten ist die Wahl das Gesprächsthema schlechthin. Fousseni Nakolemda, ein 27-jähriger Psychologie-Student, fiebert dem Wahltag entgegen, gibt er doch zum ersten Mal seine Stimme ab. Wichtig ist ihm, von Politikern nicht mehr an der Nase herumgeführt zu werden. "Wir wollen diese unzähligen Versprechen nicht mehr, denn am Ende stehen wir wieder bei Null. Wir wollen wirklich einen Wandel," sagt Nakolemda.
Das Ende der langen Übergangsphase
Unter Compaorés Herrschaft galt das Land als eines der ärmsten auf der ganzen Welt. Auch in den Monaten der Übergangsregierung stand die wirtschaftliche Entwicklung fast komplett still.
Diese Zeit möchte Nakolemda nun endlich hinter sich lassen. "Jetzt müssen wir eine gute Wahl treffen", fordert er. Er achtet besonders darauf, welche Angebote die Kandidaten und Parteien der Jugend machen.
14 Präsidentschaftskandidaten und knapp 100 Parteien stellen sich zur Wahl und buhlen um die Gunst der Wähler. Alle betonen gerne, wie sehr sie sich um junge Menschen kümmern wollen, sagt Nakolemda. Kein Wunder, sind doch mehr als 65 Prozent der Bevölkerung 25 Jahre oder jünger.
Finanzierung von Wahlversprechen völlig unklar
Und nicht nur für die Jungen hören sich die Wahlversprechen verlockend an - alle Kandidaten wollen die Korruption im Land bekämpfen, mehr Arbeitsplätze schaffen und die Infrastruktur verbessern.
Eins sagen die meisten jedoch nicht, kritisiert Ralf Wittek, der die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung in Ouagadougou leitet: "Kaum einer überzeugt mal mit einer Argumentation, wie das Ganze eigentlich finanziert werden kann. Da werden Versprechungen ohne Ende gemacht."
Aber es gebe auch positive Ausnahmen unter den Kandidaten, wie beispielsweise Jean-Baptiste Natama, der realistische Angaben mache, so Wittek. Chancen habe er aber vermutlich keine, weil ihm die finanzielle Ausstattung für den teuren Wahlkampf fehlt.
Neuanfang mit alten Bekannten?
Das Geld für den teuren Wahlkampf haben vor allem zwei Kandidaten: Zéphirin Diabré und Roch Marc Christian Kaboré, die beide schon lange in Burkina Fasos politischer Szene aktiv sind. Beide Kandidaten haben unter dem früheren Präsidenten Compaoré gedient. Der 56-jährige Diabré ist Spitzenkandidat der UPC, war unter Compaoré Minister, schloss sich später aber der Opposition an. Außerdem arbeitete er für die Vereinten Nationen. Der 58-jährige Roch, wie Kaboré überall nur genannt wird, wurde vor allem als Premierminister der damaligen Regierungspartei Kongress für Fortschritt und Demokratie (CDP) im Land bekannt.
Dass einer von beiden künftig Burkina Faso regieren wird, davon geht auch Fousseni Nakolemda aus: "Sie liegen tatsächlich weit vorne. Ich rechne damit, dass beide so bei 30 Prozent landen werden." Deshalb wird es vermutlich zu einer Stichwahl kommen, so der Student - das prognostizieren auch aktuelle Umfragen.
Wahlausgang völlig offen
Auch das gilt als Sensation in dem Sahel-Staat, wie Aminata Kassé, Leiterin des National Democracy Instituts, findet: "Ich glaube, wir haben tatsächlich zum ersten Mal eine Wahl, bei der man nicht sagen kann, wer gewinnen wird." In den vergangenen Jahrzehnten stand Compaoré schon vor dem Urnengang als Wahlsieger fest.
Trotz aller Unruhen in den vergangenen 13 Monaten verläuft der Wahlkampf aber in geordneten Bahnen. Anders als in vielen Nachbarstaaten läuft die Vorbereitung der unabhängigen Wahlkommission Ceni gut, die gleichzeitig viel Ansehen im Land genießt.
"Hier gibt es beispielsweise kein Problem mit den Wählerlisten", erklärt Kassé. Wahlberechtigt sind am Sonntag gut 5,5 Millionen Menschen. Das vorläufige Ergebnis wird bereits für den Montag erwartet.