Machtprobe in Burkina Faso
24. September 2015Auf den Straßen von Burkinas Hauptstadt Ouagadougou ist mit dem Ende des Putsches so etwas wie Normalität eingekehrt: Banken, Supermärkte und Tankstellen haben wieder geöffnet. Die meisten Menschen gehen wieder zur Arbeit. Alle sind erleichtert, dass weiteres Blutvergießen verhindert wurde. Die Präsidialgarde Régiment de Sécurité Présidentielle (RSP), die den Putsch angeführt hatte, ist in ihre Kasernen zurückgekehrt. Die reguläre Armee, die sich offen gegen die Putschisten gestellt und nach Ouagadougou marschiert war, hat sich aus dem Stadtzentrum zurückgezogen.
Bereits am Mittwoch hatten die Putschisten nach einer Woche die Macht an die vorherige Übergangsregierung zurückgegeben. Die war nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Blaise Comparoé eingesetzt worden und soll das Land zu demokratischen Wahlen führen. Die Präsidenten- und Parlamentswahlen waren ursprünglich für den 11. Oktober geplant, müssen nach den jüngsten Ereignissen aber voraussichtlich um einige Wochen verschoben werden.
Keine langfristige Lösung
Alles scheint gut - doch Beobachter warnen: "Das ist nicht mehr als eine kurzfristige Deeskalation." Alexander Stroh ist Professor für die Politik Afrikas an der Universität Bayreuth. Gelöst sei noch gar nichts, sagt er im DW-Interview: "Es bedeutet lediglich, dass sich die reguläre Armee und die RSP nicht mehr Aug' in Aug' gegenüber stehen."
Die RSP, die unter Führung ihres Generals Gilbert Diendéré geputscht hatte, sie nicht zu Kompromissen bereit. "General Diendéré behauptet zwar, dass er die Macht nun an eine zivile Regierung abgegeben hat. Das hat er aber nur unter der Bedingung getan, dass sie seine wichtigsten Forderungen akzeptiert."
Bewaffnung von Jugend-Milizen?
Auch Vertreter der Zivilgesellschaft in Burkina Faso warnen vor neuer Gewalt, etwa der Rapper Smockey. Er ist Mitbegründer der Bürgerbewegung Balai Citoyen, die den Ex-Machthaber Compaoré vor einem Jahr aus dem Amt gefegt hatte, als dieser sich per Verfassungsänderung eine fünfte Amtszeit sichern wollte. Dieser friedliche Bürgeraufstand galt als Startschuss für Burkina Fasos Weg in die Demokratie und wurde bereits als "Afrikanischer Frühling" gefeiert - bis zum Putsch vor einer Woche. Da musste sich der Musiker verstecken, die Putschisten verfolgten und bedrohten ihn.
Jetzt erhebt Smockey schwere Vorwürfe gegen Compaorés ehemalige Regierungspartei Congrès pour la Démocratie et le Progrès (CDP). "Die CDP bewaffnet Milizen", sagt Smockey im Gespräch mit der DW am Mittwoch. "Vor drei Stunden hat ein CDP-Mitglied in zwei Stadtteilen von Ouagadougou 50 Macheten gekauft und sie an Jugendliche verteilt. Er hat ihnen viel Geld gegeben, sie sollen Unruhe im Land stiften." Eine Jugendorganisation in Ouagadougou hat Ähnliches beobachtet, ergaben Recherchen der DW. Trotzdem ließ sich Aussage des Musikers nicht in allen Punkten zweifelsfrei bestätigen.
Wer steht hinter den Putschisten?
Ex-Machthaber Compaoré hatte die Präsidialgarde RSP gegründet, um seine Macht und die seiner Partei CDP zu sichern. Putschführer Diendéré gilt als enger Vertrauter von Compaoré.
Diente der Putsch durch General Diendéré also allein dem Ziel, den kompletten Machtverlust der RSP und der alten Garde von Ex-Präsident Compaoré zu verhindern? Diendéré selbst bestreitet das im Exklusiv-Interview mit der DW: "Wir sind der bewaffnete Arm von niemandem! Wir haben Verbindungen zu bestimmten Personen der vorherigen Regierungspartei. Aber wir haben auch Verbindungen zu Mitgliedern der ehemaligen Opposition. Unser Handeln hat damit nichts zu tun." Doch Politologe Alexander Stroh bezweifelt das: "Die Verflechtung von Wirtschaft, Politik und Militär unter Ex-Präsident Compaoré war so eng, dass viele Akteure auch jetzt nicht auf die Macht verzichten wollen", so Stroh.
Gesetzesbrecher oder legitime Wahlkandidaten?
Entsprechend fordert die RSP, dass die alten CDP-Parteikader bei den kommenden Wahlen kandidieren dürfen. Das hatte die Übergangsregierung vor einigen Monaten in einem Wahlgesetz ausgeschlossen. Über diese Frage wird hinter verschlossenen Türen nun hart verhandelt. Der Widerstand in der Bevölkerung und bei anderen Parteien ist groß.
Es gehe nicht darum, die ganze Partei CDP von der Wahl auszuschließen, sondern diejenigen, die sich in der Vergangenheit strafbar gemacht hätten, sagt Saran Seremé. Sie spielte in der Demokratiebewegung gegen das Regime von Comaporé eine wichtige Rolle und will bei der Präsidentenwahl selbst antreten. "In der CDP gibt es Anführer, die an Vorgängen beteiligt waren oder sie zumindest befürwortet haben, die zu großem Leid für unser Land geführt haben." Hochrangige CDP-Funktionäre hätten sich früher an der Staatskasse bedient. "Sie müssen sich nun für ihre Taten verantworten", so Seremé. Parteien dürften keine Gesetzesbrecher als Kandidaten aufstellen.
Die CDP sieht das naturgemäß anders. Über die Kandidatenfrage müssten jetzt die Vermittler der Westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS entscheiden, sagt Achile Tabsoba, hochrangiger CDP-Funktionär. Schließlich habe man auch die ECOWAS-Entscheidung respektiert, Übergangspräsident Kafando wieder einzusetzen. "Wenn die ECOWAS das entscheidet, gibt es keine andere Wahl!" Er weiß die Regionalorganisation auf seiner Seite: Dass Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen werden, hatte die ECOWAS früh kritisiert. In ihrem Vermittlungsplan, über den die Kontrahenten nun in Ouagadougou beraten, schlägt sie vor, die umstrittenen Kandidaten zuzulassen.
Was wird aus der RSP?
Eine weitere entscheidende Frage: Wird die Eliteeinheit RSP aufgelöst, wie große Teile der Bevölkerung und auch die Übergangsregierung es fordern? Die Putschisten wollen, dass erst die nächste gewählte Regierung darüber entscheidet. So steht es auch im ECOWAS-Vermittlungsvorschlag. Die Übergangsregierung möchte sie am liebsten sofort auflösen. So sieht es auch Lompo Allasane, Koordinator der zivilgesellschaftlichen Organisationen von Gourma, einer Stadt im Osten des Landes: "Solange es die RSP gibt, ist sie eine Bedrohung für die demokratischen Institutionen."
Klar ist: Die Krise in Burkina Faso ist längst noch nicht überwunden.